Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.
Es weis't, daß es dem Schöpfer einerley, Was nun den Nutzen anbelanget, Der aus so künstlicher Figur entsteht; So schleuß nicht alsofort von dir Auf jedermann, und bilde dir nicht ein, Daß sie mit dir gleich unempfindlich seyn, Daß sie so wol, als du, Gesicht und Witz verloren, Daß alle Welt, wie du, es gleichsam recht verschworen, Auf GOttes Werke nicht zu achten. Ach nein! Es giebt noch einige, die GOttes Werk betrachten Jn ihrer Lust, zu GOttes Ehr', Und die sich nicht am Jrd'schen bloß vergaffen. Ja wenn von allen auch nur einer wär, Der in der Zierlichkeit des Schöpfers Weisheit säh; Wär solche Zierlichkeit doch nicht umsonst geschaffen. Wie aber und auf welche Weis' im Schnee Solch' eine künstliche Figur entsteh, Gesteh' ich gern, das fass' ich nicht, Und gibt mir die Unwissenheit Von meiner Wenigkeit Aufs neu getreuen Unterricht. Kann aber man gleich GOttes Werk nicht fassen; Muß man es doch nicht unbewundert lassen. Der
Es weiſ’t, daß es dem Schoͤpfer einerley, Was nun den Nutzen anbelanget, Der aus ſo kuͤnſtlicher Figur entſteht; So ſchleuß nicht alſofort von dir Auf jedermann, und bilde dir nicht ein, Daß ſie mit dir gleich unempfindlich ſeyn, Daß ſie ſo wol, als du, Geſicht und Witz verloren, Daß alle Welt, wie du, es gleichſam recht verſchworen, Auf GOttes Werke nicht zu achten. Ach nein! Es giebt noch einige, die GOttes Werk betrachten Jn ihrer Luſt, zu GOttes Ehr’, Und die ſich nicht am Jrd’ſchen bloß vergaffen. Ja wenn von allen auch nur einer waͤr, Der in der Zierlichkeit des Schoͤpfers Weiſheit ſaͤh; Waͤr ſolche Zierlichkeit doch nicht umſonſt geſchaffen. Wie aber und auf welche Weiſ’ im Schnee Solch’ eine kuͤnſtliche Figur entſteh, Geſteh’ ich gern, das faſſ’ ich nicht, Und gibt mir die Unwiſſenheit Von meiner Wenigkeit Aufs neu getreuen Unterricht. Kann aber man gleich GOttes Werk nicht faſſen; Muß man es doch nicht unbewundert laſſen. Der
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Es weiſ’t, daß es dem Schoͤpfer einerley,
Und keine groͤſſ’re Muͤhe, ſey:
Ob Wunder-Ding’ entſtehn,
Wie oder ob ſie wiederum vergehn.
Was nun den Nutzen anbelanget,
Der aus ſo kuͤnſtlicher Figur entſteht;
So ſchleuß nicht alſofort von dir
Auf jedermann, und bilde dir nicht ein,
Daß ſie mit dir gleich unempfindlich ſeyn,
Daß ſie ſo wol, als du, Geſicht und Witz verloren,
Daß alle Welt, wie du, es gleichſam recht verſchworen,
Auf GOttes Werke nicht zu achten.
Ach nein!
Es giebt noch einige, die GOttes Werk betrachten
Jn ihrer Luſt, zu GOttes Ehr’,
Und die ſich nicht am Jrd’ſchen bloß vergaffen.
Ja wenn von allen auch nur einer waͤr,
Der in der Zierlichkeit des Schoͤpfers Weiſheit ſaͤh;
Waͤr ſolche Zierlichkeit doch nicht umſonſt geſchaffen.
Wie aber und auf welche Weiſ’ im Schnee
Solch’ eine kuͤnſtliche Figur entſteh,
Geſteh’ ich gern, das faſſ’ ich nicht,
Und gibt mir die Unwiſſenheit
Von meiner Wenigkeit
Aufs neu getreuen Unterricht.
Kann aber man gleich GOttes Werk nicht faſſen;
Muß man es doch nicht unbewundert laſſen.
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