Bald auf der hellen Fläche spielen! Ein Wesen, dessen Blick die Menge Von allen Schiffen, wenn sie gleich Auf dem geschwoll'nen Wasser-Reich, So in der Breit' als in der Länge Auf wie viel tausend Meilen Entfernet von einander gehn, Zugleich sieht, wie wir eines sehn: Ein Wesen, welches hier das Meer Jn einer stillen Glätte siehet, Wie solches, da die Luft von Wolken leer, Vom heitern Sonnen-Licht' in reinem Schimmer glühet, Und wie ein Spiegel glänz't: das aber auch zugleich Und in dem Augenblick das wilde Wasser-Reich An einem weit entfern'ten Ort, Woselbst der grause Nord, Daß alles brauset, heulet, brüllet, Die Luft mit Wasser-Bergen füllet, Die, mit entsetzlich schnellem Wallen Bald schrecklich sich erhöh'n, bald ja so schrecklich fallen; Gleich gegenwärtig schaut: ein Wesen, welches hier So wol als dorten ganz: dem aller Raum zu klein, Das aller Ewigkeiten Unendlichkeiten füllt.
Ein solches Wesen nun soll einzig und allein Mein GOtt, und nicht das Götzen-Bild Von einem alten Greisen, seyn.
Der Gottheit Gröss' indeß, die ich so dir als mir Und zwar am deutlichsten im weiten Schoß der Wellen
Bemüht
Bald auf der hellen Flaͤche ſpielen! Ein Weſen, deſſen Blick die Menge Von allen Schiffen, wenn ſie gleich Auf dem geſchwoll’nen Waſſer-Reich, So in der Breit’ als in der Laͤnge Auf wie viel tauſend Meilen Entfernet von einander gehn, Zugleich ſieht, wie wir eines ſehn: Ein Weſen, welches hier das Meer Jn einer ſtillen Glaͤtte ſiehet, Wie ſolches, da die Luft von Wolken leer, Vom heitern Sonnen-Licht’ in reinem Schimmer gluͤhet, Und wie ein Spiegel glaͤnz’t: das aber auch zugleich Und in dem Augenblick das wilde Waſſer-Reich An einem weit entfern’ten Ort, Woſelbſt der grauſe Nord, Daß alles brauſet, heulet, bruͤllet, Die Luft mit Waſſer-Bergen fuͤllet, Die, mit entſetzlich ſchnellem Wallen Bald ſchrecklich ſich erhoͤh’n, bald ja ſo ſchrecklich fallen; Gleich gegenwaͤrtig ſchaut: ein Weſen, welches hier So wol als dorten ganz: dem aller Raum zu klein, Das aller Ewigkeiten Unendlichkeiten fuͤllt.
Ein ſolches Weſen nun ſoll einzig und allein Mein GOtt, und nicht das Goͤtzen-Bild Von einem alten Greiſen, ſeyn.
Der Gottheit Groͤſſ’ indeß, die ich ſo dir als mir Und zwar am deutlichſten im weiten Schoß der Wellen
Bemuͤht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgn="19"><l><pbfacs="#f0202"n="166"/>
Bald auf der hellen Flaͤche ſpielen!</l><lb/><l>Ein Weſen, deſſen Blick die Menge</l><lb/><l>Von allen Schiffen, wenn ſie gleich</l><lb/><l>Auf dem geſchwoll’nen Waſſer-Reich,</l><lb/><l>So in der Breit’ als in der Laͤnge</l><lb/><l>Auf wie viel tauſend Meilen</l><lb/><l>Entfernet von einander gehn,</l><lb/><l>Zugleich ſieht, wie wir eines ſehn:</l><lb/><l>Ein Weſen, welches hier das Meer</l><lb/><l>Jn einer ſtillen Glaͤtte ſiehet,</l><lb/><l>Wie ſolches, da die Luft von Wolken leer,</l><lb/><l>Vom heitern Sonnen-Licht’ in reinem Schimmer gluͤhet,</l><lb/><l>Und wie ein Spiegel glaͤnz’t: das aber auch zugleich</l><lb/><l>Und in dem Augenblick das wilde Waſſer-Reich</l><lb/><l>An einem weit entfern’ten Ort,</l><lb/><l>Woſelbſt der grauſe Nord,</l><lb/><l>Daß alles brauſet, heulet, bruͤllet,</l><lb/><l>Die Luft mit Waſſer-Bergen fuͤllet,</l><lb/><l>Die, mit entſetzlich ſchnellem Wallen</l><lb/><l>Bald ſchrecklich ſich erhoͤh’n, bald ja ſo ſchrecklich fallen;</l><lb/><l>Gleich gegenwaͤrtig ſchaut: ein Weſen, welches hier</l><lb/><l>So wol als dorten ganz: dem aller Raum zu klein,</l><lb/><l>Das aller Ewigkeiten</l><lb/><l>Unendlichkeiten fuͤllt.</l></lg><lb/><lgn="20"><l>Ein ſolches Weſen nun ſoll einzig und allein</l><lb/><l>Mein GOtt, und nicht das Goͤtzen-Bild</l><lb/><l>Von einem alten Greiſen, ſeyn.</l></lg><lb/><lgn="21"><l>Der Gottheit Groͤſſ’ indeß, die ich ſo dir als mir</l><lb/><l>Und zwar am deutlichſten im weiten Schoß der Wellen</l><lb/><l><fwplace="bottom"type="catch">Bemuͤht</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[166/0202]
Bald auf der hellen Flaͤche ſpielen!
Ein Weſen, deſſen Blick die Menge
Von allen Schiffen, wenn ſie gleich
Auf dem geſchwoll’nen Waſſer-Reich,
So in der Breit’ als in der Laͤnge
Auf wie viel tauſend Meilen
Entfernet von einander gehn,
Zugleich ſieht, wie wir eines ſehn:
Ein Weſen, welches hier das Meer
Jn einer ſtillen Glaͤtte ſiehet,
Wie ſolches, da die Luft von Wolken leer,
Vom heitern Sonnen-Licht’ in reinem Schimmer gluͤhet,
Und wie ein Spiegel glaͤnz’t: das aber auch zugleich
Und in dem Augenblick das wilde Waſſer-Reich
An einem weit entfern’ten Ort,
Woſelbſt der grauſe Nord,
Daß alles brauſet, heulet, bruͤllet,
Die Luft mit Waſſer-Bergen fuͤllet,
Die, mit entſetzlich ſchnellem Wallen
Bald ſchrecklich ſich erhoͤh’n, bald ja ſo ſchrecklich fallen;
Gleich gegenwaͤrtig ſchaut: ein Weſen, welches hier
So wol als dorten ganz: dem aller Raum zu klein,
Das aller Ewigkeiten
Unendlichkeiten fuͤllt.
Ein ſolches Weſen nun ſoll einzig und allein
Mein GOtt, und nicht das Goͤtzen-Bild
Von einem alten Greiſen, ſeyn.
Der Gottheit Groͤſſ’ indeß, die ich ſo dir als mir
Und zwar am deutlichſten im weiten Schoß der Wellen
Bemuͤht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/202>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.