Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.
(War gleich nicht eine da) viel grüne Wasser-Linsen Nicht weit davon formir't ein prächtiges Gebäude, So gleichfals auf der Flut im Wiederschein zu sehen, Uns eine neue Augen-Weide. Kaum aber daß die Flut sich nur ein wenig reget: Daß sich der Schein zugleich mit hin und her beweget. Hierüber schien mir dieser Schein, Da ich ihn recht besah, ein lehrend Bild zu seyn. Gleichwie das Wasser-Haus so wackelhaftig lässt; So ist sein Urbild selbst vergänglich und nicht fest. Noch mehr. Das Wasser scheint bis auf den Grund erfüllt. Des Hauses wiederscheinend Bild Lässt recht, als ob sich's in die Tiefe senket. Wenn man es aber recht bedenket, So findet sich, daß es ein blosser Schein, Daß er sich gar nicht tief ins Wasser strecket, Nein, daß er nur allein Den äussern Teil der Fläche decket. Ach! daß das menschliche Gesicht Viel anders, als dieß Wasser, nicht Die Schönheit der Natur Jm Wasser seiner Augen spüret, Jndem der herrlichen Geschöpfe Schönheit nur Sich oben auf der Fläch', ins Hirn sich niemals, senket, Daher uns kein Vergnügen rühret, Weil man nicht einst daran gedenket. Noch
(War gleich nicht eine da) viel gruͤne Waſſer-Linſen Nicht weit davon formir’t ein praͤchtiges Gebaͤude, So gleichfals auf der Flut im Wiederſchein zu ſehen, Uns eine neue Augen-Weide. Kaum aber daß die Flut ſich nur ein wenig reget: Daß ſich der Schein zugleich mit hin und her beweget. Hieruͤber ſchien mir dieſer Schein, Da ich ihn recht beſah, ein lehrend Bild zu ſeyn. Gleichwie das Waſſer-Haus ſo wackelhaftig laͤſſt; So iſt ſein Urbild ſelbſt vergaͤnglich und nicht feſt. Noch mehr. Das Waſſer ſcheint bis auf den Grund erfuͤllt. Des Hauſes wiederſcheinend Bild Laͤſſt recht, als ob ſich’s in die Tiefe ſenket. Wenn man es aber recht bedenket, So findet ſich, daß es ein bloſſer Schein, Daß er ſich gar nicht tief ins Waſſer ſtrecket, Nein, daß er nur allein Den aͤuſſern Teil der Flaͤche decket. Ach! daß das menſchliche Geſicht Viel anders, als dieß Waſſer, nicht Die Schoͤnheit der Natur Jm Waſſer ſeiner Augen ſpuͤret, Jndem der herrlichen Geſchoͤpfe Schoͤnheit nur Sich oben auf der Flaͤch’, ins Hirn ſich niemals, ſenket, Daher uns kein Vergnuͤgen ruͤhret, Weil man nicht einſt daran gedenket. Noch
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(War gleich nicht eine da) viel gruͤne Waſſer-Linſen
Des Waſſers Flaͤche wuͤrklich ein;
Recht leiblich ſchien der Schein zu ſeyn.
Nicht weit davon formir’t ein praͤchtiges Gebaͤude,
So gleichfals auf der Flut im Wiederſchein zu ſehen,
Uns eine neue Augen-Weide.
Kaum aber daß die Flut ſich nur ein wenig reget:
Daß ſich der Schein zugleich mit hin und her beweget.
Hieruͤber ſchien mir dieſer Schein,
Da ich ihn recht beſah, ein lehrend Bild zu ſeyn.
Gleichwie das Waſſer-Haus ſo wackelhaftig laͤſſt;
So iſt ſein Urbild ſelbſt vergaͤnglich und nicht feſt.
Noch mehr. Das Waſſer ſcheint bis auf den Grund erfuͤllt.
Des Hauſes wiederſcheinend Bild
Laͤſſt recht, als ob ſich’s in die Tiefe ſenket.
Wenn man es aber recht bedenket,
So findet ſich, daß es ein bloſſer Schein,
Daß er ſich gar nicht tief ins Waſſer ſtrecket,
Nein, daß er nur allein
Den aͤuſſern Teil der Flaͤche decket.
Ach! daß das menſchliche Geſicht
Viel anders, als dieß Waſſer, nicht
Die Schoͤnheit der Natur
Jm Waſſer ſeiner Augen ſpuͤret,
Jndem der herrlichen Geſchoͤpfe Schoͤnheit nur
Sich oben auf der Flaͤch’, ins Hirn ſich niemals, ſenket,
Daher uns kein Vergnuͤgen ruͤhret,
Weil man nicht einſt daran gedenket.
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