Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

Bild:
<< vorherige Seite
Wirkung der Sonne.
Jch sahe jüngst verwundernd an,
Wie sehr das helle Sonnen-Licht
Jedweden Gegenwurf verändern kann,
Da etwas, so Pech schwarz, noch weisser ward, als weiß.
Es schrieb ein Mensch mit grossem Fleiß
Beständig vor sich weg, und zwar so, daß auf ihn
Die Sonne von der Seite schien:
Wodurch ihr Stral
Jhm allemal
Auf seine feucht- und neu-gezog'nen Lettern fiel.
Hiedurch nun druckte sich ein weisser Schein
Den schwarzen Lettern ein.
Es schien selbst das Papier, das fast so weiß wie Schnee,
Bey solchem Schimmer schwarz zu seyn.
Jndem ich dieß Verwund'rungs-voll erseh;
Gedenk' ich, voll Zufriedenheit:
Die Sonne der Gerechtigkeit
Kann, will und wird auch in den schwärz'sten Sünden-
Schriften,
Wenn sie von Thränen feucht, ein gleiches stiften.


Kleine
Wirkung der Sonne.
Jch ſahe juͤngſt verwundernd an,
Wie ſehr das helle Sonnen-Licht
Jedweden Gegenwurf veraͤndern kann,
Da etwas, ſo Pech ſchwarz, noch weiſſer ward, als weiß.
Es ſchrieb ein Menſch mit groſſem Fleiß
Beſtaͤndig vor ſich weg, und zwar ſo, daß auf ihn
Die Sonne von der Seite ſchien:
Wodurch ihr Stral
Jhm allemal
Auf ſeine feucht- und neu-gezog’nen Lettern fiel.
Hiedurch nun druckte ſich ein weiſſer Schein
Den ſchwarzen Lettern ein.
Es ſchien ſelbſt das Papier, das faſt ſo weiß wie Schnee,
Bey ſolchem Schimmer ſchwarz zu ſeyn.
Jndem ich dieß Verwund’rungs-voll erſeh;
Gedenk’ ich, voll Zufriedenheit:
Die Sonne der Gerechtigkeit
Kann, will und wird auch in den ſchwaͤrz’ſten Suͤnden-
Schriften,
Wenn ſie von Thraͤnen feucht, ein gleiches ſtiften.


Kleine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0175" n="139"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Wirkung der Sonne.</hi> </head><lb/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">J</hi>ch &#x017F;ahe ju&#x0364;ng&#x017F;t verwundernd an,</l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;ehr das helle Sonnen-Licht</l><lb/>
            <l>Jedweden Gegenwurf vera&#x0364;ndern kann,</l><lb/>
            <l>Da etwas, &#x017F;o Pech &#x017F;chwarz, noch wei&#x017F;&#x017F;er ward, als weiß.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Es &#x017F;chrieb ein Men&#x017F;ch mit gro&#x017F;&#x017F;em Fleiß</l><lb/>
            <l>Be&#x017F;ta&#x0364;ndig vor &#x017F;ich weg, und zwar &#x017F;o, daß auf ihn</l><lb/>
            <l>Die Sonne von der Seite &#x017F;chien:</l><lb/>
            <l>Wodurch ihr Stral</l><lb/>
            <l>Jhm allemal</l><lb/>
            <l>Auf &#x017F;eine feucht- und neu-gezog&#x2019;nen Lettern fiel.</l><lb/>
            <l>Hiedurch nun druckte &#x017F;ich ein wei&#x017F;&#x017F;er Schein</l><lb/>
            <l>Den &#x017F;chwarzen Lettern ein.</l><lb/>
            <l>Es &#x017F;chien &#x017F;elb&#x017F;t das Papier, das fa&#x017F;t &#x017F;o weiß wie Schnee,</l><lb/>
            <l>Bey &#x017F;olchem Schimmer &#x017F;chwarz zu &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Jndem ich dieß Verwund&#x2019;rungs-voll er&#x017F;eh;</l><lb/>
            <l>Gedenk&#x2019; ich, voll Zufriedenheit:</l><lb/>
            <l>Die Sonne der Gerechtigkeit</l><lb/>
            <l>Kann, will und wird auch in den &#x017F;chwa&#x0364;rz&#x2019;&#x017F;ten Su&#x0364;nden-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Schriften,</hi> </l><lb/>
            <l>Wenn &#x017F;ie von Thra&#x0364;nen feucht, ein gleiches &#x017F;tiften.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Kleine</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0175] Wirkung der Sonne. Jch ſahe juͤngſt verwundernd an, Wie ſehr das helle Sonnen-Licht Jedweden Gegenwurf veraͤndern kann, Da etwas, ſo Pech ſchwarz, noch weiſſer ward, als weiß. Es ſchrieb ein Menſch mit groſſem Fleiß Beſtaͤndig vor ſich weg, und zwar ſo, daß auf ihn Die Sonne von der Seite ſchien: Wodurch ihr Stral Jhm allemal Auf ſeine feucht- und neu-gezog’nen Lettern fiel. Hiedurch nun druckte ſich ein weiſſer Schein Den ſchwarzen Lettern ein. Es ſchien ſelbſt das Papier, das faſt ſo weiß wie Schnee, Bey ſolchem Schimmer ſchwarz zu ſeyn. Jndem ich dieß Verwund’rungs-voll erſeh; Gedenk’ ich, voll Zufriedenheit: Die Sonne der Gerechtigkeit Kann, will und wird auch in den ſchwaͤrz’ſten Suͤnden- Schriften, Wenn ſie von Thraͤnen feucht, ein gleiches ſtiften. Kleine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/175
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/175>, abgerufen am 18.12.2024.