Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838.so sehr er konnte, ohne seinem Pferde wehe zu thun, ſo ſehr er konnte, ohne ſeinem Pferde wehe zu thun, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb n="26" facs="#f0036"/> ſo ſehr er konnte, ohne ſeinem Pferde wehe zu thun,<lb/> welches er beſſer pflegte, als jemals, weil es ihm war<lb/> anvertraut worden. An einem Tage trieb es ihn ganz<lb/> entſetzlich, nach Hauſe zu eilen, es war der Tag vor dem<lb/> Sterbetage ſeiner Mutter, und es war ihm immer als<lb/> laufe ſie vor ſeinem Pferde her, und riefe: Kasper, thue<lb/> mir eine Ehre an! Ach, ich ſaß an dieſem Tage auf<lb/> ihrem Grabe ganz allein, und dachte auch, wenn Kasper<lb/> doch bei mir wäre; ich hatte Blümelein Vergiß nicht<lb/> mein in einen Kranz gebunden und an das eingeſunkene<lb/> Kreuz gehängt, und maaß mir den Platz umher aus, und<lb/> dachte: hier will ich liegen, und da ſoll Kasper liegen,<lb/> wenn ihm Gott ſein Grab in der Heimath ſchenkt, daß<lb/> wir fein beiſammen ſind, wenn's heißt: Ihr Todten, ihr<lb/> Todten ſollt auferſtehn, ihr ſollt zum jüngſten Gerichte<lb/> gehn! Aber Kasper kam nicht, ich wußte auch nicht, daß<lb/> er ſo nahe war und wohl hätte kommen können. Es<lb/> trieb ihn auch gar ſehr zu eilen, denn er hatte wohl oft<lb/> an dieſen Tag in Frankreich gedacht, und hatte einen<lb/> kleinen Kranz von ſchönen Goldblumen von daher mit¬<lb/> gebracht, um das Grab ſeiner Mutter zu ſchmücken, und<lb/> auch einen Kranz für Annerl, den ſollte ſie ſich bis zu<lb/> ihrem Ehrentage bewahren. —</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [26/0036]
ſo ſehr er konnte, ohne ſeinem Pferde wehe zu thun,
welches er beſſer pflegte, als jemals, weil es ihm war
anvertraut worden. An einem Tage trieb es ihn ganz
entſetzlich, nach Hauſe zu eilen, es war der Tag vor dem
Sterbetage ſeiner Mutter, und es war ihm immer als
laufe ſie vor ſeinem Pferde her, und riefe: Kasper, thue
mir eine Ehre an! Ach, ich ſaß an dieſem Tage auf
ihrem Grabe ganz allein, und dachte auch, wenn Kasper
doch bei mir wäre; ich hatte Blümelein Vergiß nicht
mein in einen Kranz gebunden und an das eingeſunkene
Kreuz gehängt, und maaß mir den Platz umher aus, und
dachte: hier will ich liegen, und da ſoll Kasper liegen,
wenn ihm Gott ſein Grab in der Heimath ſchenkt, daß
wir fein beiſammen ſind, wenn's heißt: Ihr Todten, ihr
Todten ſollt auferſtehn, ihr ſollt zum jüngſten Gerichte
gehn! Aber Kasper kam nicht, ich wußte auch nicht, daß
er ſo nahe war und wohl hätte kommen können. Es
trieb ihn auch gar ſehr zu eilen, denn er hatte wohl oft
an dieſen Tag in Frankreich gedacht, und hatte einen
kleinen Kranz von ſchönen Goldblumen von daher mit¬
gebracht, um das Grab ſeiner Mutter zu ſchmücken, und
auch einen Kranz für Annerl, den ſollte ſie ſich bis zu
ihrem Ehrentage bewahren. —
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Zitationshilfe: | Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838/36>, abgerufen am 02.03.2025. |