Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838.Da wußte ich nicht recht, wie ich es ihr deutlich 2*
Da wußte ich nicht recht, wie ich es ihr deutlich 2*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0029" n="19"/> <p>Da wußte ich nicht recht, wie ich es ihr deutlich<lb/> machen ſollte, daß ich ein Schriftſteller ſey. Ich bin<lb/> ein Gestudirter durfte ich nicht ſagen, ohne zu lügen.<lb/> Es iſt wunderbar, daß ein Deutſcher immer ſich ein<lb/> wenig ſchämt, zu ſagen: er ſey ein Schriftſteller; zu<lb/> Leuten aus den untern Ständen ſagt man es am un¬<lb/> gernſten, weil dieſen gar leicht die Schriftgelehrten und<lb/> Phariſäer aus der Bibel dabei einfallen. Der Name<lb/> Schriftſteller iſt nicht ſo eingebürgert bei uns, wie das<lb/><hi rendition="#aq">homme de lettres</hi> bei den Franzoſen, welche überhaupt<lb/> als Schriftſteller zünftig ſind, und in ihren Arbeiten<lb/> mehr hergebrachtes Geſetz haben, ja bei denen man auch<lb/> fragt: <hi rendition="#aq">ou avez vous fait votre Philosophie</hi>, wo haben<lb/> ſie ihre Philoſophie gemacht? wie denn ein Franzoſe<lb/> ſelbſt viel mehr von einem gemachten Manne hat. Doch<lb/> dieſe nicht deutſche Sitte iſt es nicht allein, welche das<lb/> Wort Schriftſteller ſo ſchwer auf der Zunge macht, wenn<lb/> man am Thore um ſeinen Charakter gefragt wird,<lb/> ſondern eine gewiſſe innere Scham hält uns zurück, ein<lb/> Gefühl, welches Jeden befällt, der mit freien und geiſtigen<lb/> Gütern, mit unmittelbaren Geſchenken des Himmels<lb/> Handel treibt. Gelehrte brauchen ſich weniger zu ſchämen<lb/> als Dichter, denn ſie haben gewöhnlich Lehrgeld gegeben,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">2*<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0029]
Da wußte ich nicht recht, wie ich es ihr deutlich
machen ſollte, daß ich ein Schriftſteller ſey. Ich bin
ein Gestudirter durfte ich nicht ſagen, ohne zu lügen.
Es iſt wunderbar, daß ein Deutſcher immer ſich ein
wenig ſchämt, zu ſagen: er ſey ein Schriftſteller; zu
Leuten aus den untern Ständen ſagt man es am un¬
gernſten, weil dieſen gar leicht die Schriftgelehrten und
Phariſäer aus der Bibel dabei einfallen. Der Name
Schriftſteller iſt nicht ſo eingebürgert bei uns, wie das
homme de lettres bei den Franzoſen, welche überhaupt
als Schriftſteller zünftig ſind, und in ihren Arbeiten
mehr hergebrachtes Geſetz haben, ja bei denen man auch
fragt: ou avez vous fait votre Philosophie, wo haben
ſie ihre Philoſophie gemacht? wie denn ein Franzoſe
ſelbſt viel mehr von einem gemachten Manne hat. Doch
dieſe nicht deutſche Sitte iſt es nicht allein, welche das
Wort Schriftſteller ſo ſchwer auf der Zunge macht, wenn
man am Thore um ſeinen Charakter gefragt wird,
ſondern eine gewiſſe innere Scham hält uns zurück, ein
Gefühl, welches Jeden befällt, der mit freien und geiſtigen
Gütern, mit unmittelbaren Geſchenken des Himmels
Handel treibt. Gelehrte brauchen ſich weniger zu ſchämen
als Dichter, denn ſie haben gewöhnlich Lehrgeld gegeben,
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