den Kopf und sprach: "curios, curios, was doch einem Men¬ schen alles passiren kann. Es ist und bleibt doch halt im¬ mer ein höchst merkwürdiger klassischer Boden, die Gegend zwischen Hanau und Gelnhausen!" -- dann wendete sich Gockel zu Alektryo und fuhr fort: "o! nun weiß ich Alles, verstehe ich Alles, theurer schätzbarer Freund meines Stam¬ mes; aber sage mir doch, wenn es zu fragen erlaubt ist, wie ist dann dieser unvergleichliche Siegelring Salomonis eigentlich in deinen Kropf gekommen?" -- da erwiederte Alek¬ tryo:
Urahnherr sterbend spie aus den Stein, Da schluckte ihn mein Ahnherr ein. Mein Ahnherr sterbend spie aus den Stein, Da schluckte ihn mein Großvater ein. Großvater sterbend spie aus den Stein, Da schluckt ihn mein Herr Vater ein. Herr Vater sterbend spie aus den Stein, Da schluckte ihn der Alektryo ein. Alektryo sterbend speit aus den Stein, Da kehrt er zu Gockel, dem Herren sein. Gallina todt, die Küchelchen todt -- Alektryo frißt nun mehr kein Brod. Er will nun sterben durch Grafenschwert, So wie ein edler Ritter es werth! Was Uralektryo prophezeit, Geht Alles in Erfüllung heut.
"Wohlan," sprach Gockel, "so will ich dann sogleich all¬ hier ein hochnothpeinliches Halsgericht halten, du sollst Zeter über die Mörder der Deinigen rufen und strenge Genugthu¬ ung erhalten. -- Dann aber will ich an dir thun, was du verlangst. -- Rufe sogleich als Herold meines Stammes alle Bewohner dieses Schloßes vor die Schranken."
Da nun eben der Morgen graute, flog Alektryo auf die höchste Giebel-Mauer des Schloßes und krähte dreimal so laut und heftig in die Luft hinein, daß sein Ruf wie der
den Kopf und ſprach: „curios, curios, was doch einem Men¬ ſchen alles paſſiren kann. Es iſt und bleibt doch halt im¬ mer ein hoͤchſt merkwuͤrdiger klaſſiſcher Boden, die Gegend zwiſchen Hanau und Gelnhauſen!“ — dann wendete ſich Gockel zu Alektryo und fuhr fort: „o! nun weiß ich Alles, verſtehe ich Alles, theurer ſchaͤtzbarer Freund meines Stam¬ mes; aber ſage mir doch, wenn es zu fragen erlaubt iſt, wie iſt dann dieſer unvergleichliche Siegelring Salomonis eigentlich in deinen Kropf gekommen?“ — da erwiederte Alek¬ tryo:
Urahnherr ſterbend ſpie aus den Stein, Da ſchluckte ihn mein Ahnherr ein. Mein Ahnherr ſterbend ſpie aus den Stein, Da ſchluckte ihn mein Großvater ein. Großvater ſterbend ſpie aus den Stein, Da ſchluckt ihn mein Herr Vater ein. Herr Vater ſterbend ſpie aus den Stein, Da ſchluckte ihn der Alektryo ein. Alektryo ſterbend ſpeit aus den Stein, Da kehrt er zu Gockel, dem Herren ſein. Gallina todt, die Kuͤchelchen todt — Alektryo frißt nun mehr kein Brod. Er will nun ſterben durch Grafenſchwert, So wie ein edler Ritter es werth! Was Uralektryo prophezeit, Geht Alles in Erfuͤllung heut.
„Wohlan,“ ſprach Gockel, „ſo will ich dann ſogleich all¬ hier ein hochnothpeinliches Halsgericht halten, du ſollſt Zeter uͤber die Moͤrder der Deinigen rufen und ſtrenge Genugthu¬ ung erhalten. — Dann aber will ich an dir thun, was du verlangſt. — Rufe ſogleich als Herold meines Stammes alle Bewohner dieſes Schloßes vor die Schranken.“
Da nun eben der Morgen graute, flog Alektryo auf die hoͤchſte Giebel-Mauer des Schloßes und kraͤhte dreimal ſo laut und heftig in die Luft hinein, daß ſein Ruf wie der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0085"n="59"/>
den Kopf und ſprach: „curios, curios, was doch einem Men¬<lb/>ſchen alles paſſiren kann. Es iſt und bleibt doch halt im¬<lb/>
mer ein hoͤchſt merkwuͤrdiger klaſſiſcher Boden, die Gegend<lb/>
zwiſchen Hanau und Gelnhauſen!“— dann wendete ſich<lb/>
Gockel zu Alektryo und fuhr fort: „o! nun weiß ich Alles,<lb/>
verſtehe ich Alles, theurer ſchaͤtzbarer Freund meines Stam¬<lb/>
mes; aber ſage mir doch, wenn es zu fragen erlaubt iſt,<lb/>
wie iſt dann dieſer unvergleichliche Siegelring Salomonis<lb/>
eigentlich in deinen Kropf gekommen?“— da erwiederte Alek¬<lb/>
tryo:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Urahnherr ſterbend ſpie aus den Stein,</l><lb/><l>Da ſchluckte ihn mein Ahnherr ein.</l><lb/><l>Mein Ahnherr ſterbend ſpie aus den Stein,</l><lb/><l>Da ſchluckte ihn mein Großvater ein.</l><lb/><l>Großvater ſterbend ſpie aus den Stein,</l><lb/><l>Da ſchluckt ihn mein Herr Vater ein.</l><lb/><l>Herr Vater ſterbend ſpie aus den Stein,</l><lb/><l>Da ſchluckte ihn der Alektryo ein.</l><lb/><l>Alektryo ſterbend ſpeit aus den Stein,</l><lb/><l>Da kehrt er zu Gockel, dem Herren ſein.</l><lb/><l>Gallina todt, die Kuͤchelchen todt —</l><lb/><l>Alektryo frißt nun mehr kein Brod.</l><lb/><l>Er will nun ſterben durch Grafenſchwert,</l><lb/><l>So wie ein edler Ritter es werth!</l><lb/><l>Was Uralektryo prophezeit,</l><lb/><l>Geht Alles in Erfuͤllung heut.</l><lb/></lg><p>„Wohlan,“ſprach Gockel, „ſo will ich dann ſogleich all¬<lb/>
hier ein hochnothpeinliches Halsgericht halten, du ſollſt Zeter<lb/>
uͤber die Moͤrder der Deinigen rufen und ſtrenge Genugthu¬<lb/>
ung erhalten. — Dann aber will ich an dir thun, was du<lb/>
verlangſt. — Rufe ſogleich als Herold meines Stammes alle<lb/>
Bewohner dieſes Schloßes vor die Schranken.“</p><lb/><p>Da nun eben der Morgen graute, flog Alektryo auf<lb/>
die hoͤchſte Giebel-Mauer des Schloßes und kraͤhte dreimal<lb/>ſo laut und heftig in die Luft hinein, daß ſein Ruf wie der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[59/0085]
den Kopf und ſprach: „curios, curios, was doch einem Men¬
ſchen alles paſſiren kann. Es iſt und bleibt doch halt im¬
mer ein hoͤchſt merkwuͤrdiger klaſſiſcher Boden, die Gegend
zwiſchen Hanau und Gelnhauſen!“ — dann wendete ſich
Gockel zu Alektryo und fuhr fort: „o! nun weiß ich Alles,
verſtehe ich Alles, theurer ſchaͤtzbarer Freund meines Stam¬
mes; aber ſage mir doch, wenn es zu fragen erlaubt iſt,
wie iſt dann dieſer unvergleichliche Siegelring Salomonis
eigentlich in deinen Kropf gekommen?“ — da erwiederte Alek¬
tryo:
Urahnherr ſterbend ſpie aus den Stein,
Da ſchluckte ihn mein Ahnherr ein.
Mein Ahnherr ſterbend ſpie aus den Stein,
Da ſchluckte ihn mein Großvater ein.
Großvater ſterbend ſpie aus den Stein,
Da ſchluckt ihn mein Herr Vater ein.
Herr Vater ſterbend ſpie aus den Stein,
Da ſchluckte ihn der Alektryo ein.
Alektryo ſterbend ſpeit aus den Stein,
Da kehrt er zu Gockel, dem Herren ſein.
Gallina todt, die Kuͤchelchen todt —
Alektryo frißt nun mehr kein Brod.
Er will nun ſterben durch Grafenſchwert,
So wie ein edler Ritter es werth!
Was Uralektryo prophezeit,
Geht Alles in Erfuͤllung heut.
„Wohlan,“ ſprach Gockel, „ſo will ich dann ſogleich all¬
hier ein hochnothpeinliches Halsgericht halten, du ſollſt Zeter
uͤber die Moͤrder der Deinigen rufen und ſtrenge Genugthu¬
ung erhalten. — Dann aber will ich an dir thun, was du
verlangſt. — Rufe ſogleich als Herold meines Stammes alle
Bewohner dieſes Schloßes vor die Schranken.“
Da nun eben der Morgen graute, flog Alektryo auf
die hoͤchſte Giebel-Mauer des Schloßes und kraͤhte dreimal
ſo laut und heftig in die Luft hinein, daß ſein Ruf wie der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/85>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.