nicht erwecken möge, worauf sie sich wieder niederlegte und wie ein Ratze zu schlafen begann.
Das Töchterlein Gackeleia aber schlief nicht viel, denn sie hatte sich schon lange darauf gefreut, wenn der Vater Gockel einmal länger abwesend seyn würde, sich ein Vergnü¬ gen zu machen, das sie gar nicht erwarten konnte. Sie hatte nämlich bei ihrem Herumklettern in einem entfernten Winkel des alten Schloßes eine Katze mit fünf Jungen gefunden und weder dem Vater noch der Mutter etwas davon gesagt, weil diese immer sehr gegen die Katzen sprachen. Gackeleia aber konnte sich nie satt mit den artigen Kätzchen spielen, sie brachte alle ihre Freistunden bei denselben zu und hatte der alten Katze den Namen Schurrimurri gegeben, die fünf jungen aber Mack, Benack, Gog, Magog und Dema¬ gog genannt. Heute stand sie nun in aller Frühe leise ne¬ ben der schlafenden Mutter auf, froh, daß Alektryo sie nicht verrathen könne, denn sie hatte wohl bemerkt, daß die Mut¬ ter ihn in den Sack gesteckt. Als sie aber an dem Neste der brütenden Gallina vorübergieng, hatte sie eine wunderbare Freude, denn sieh da, alle die Eier waren kleine Hühnchen geworden, und piepten um die Henne herum und drängten sich unter ihre ausgebreiteten Flügel und guckten bald da, bald dort mit ihren niedlichen Köpfchen hervor. Gackeleia wußte sich vor Freude gar nicht zu fassen; anfangs wollte sie die Mutter gleich wecken, dann aber fiel es ihr ein, sie wolle es zuerst ihren kleinen Kätzchen erzählen, und meinte, die würden sich eben so sehr, als sie selbst, über die schönen Hühnchen freuen.
Schnell lief sie nun nach dem Katzennest, und als ihr die alte Katze mit einem hohen Buckel entgegen kam und um sie herumzuschnurren begann, und die kleinen Kätzchen hin¬ ter ihr drein zogen, sprach Gackeleia: "Ach, Schurrimurri! Gallina hat dreißig junge Hühnchen, und jedes ist nicht größer als eine Maus." Als die Katze dies hörte, war sie
3 *
nicht erwecken moͤge, worauf ſie ſich wieder niederlegte und wie ein Ratze zu ſchlafen begann.
Das Toͤchterlein Gackeleia aber ſchlief nicht viel, denn ſie hatte ſich ſchon lange darauf gefreut, wenn der Vater Gockel einmal laͤnger abweſend ſeyn wuͤrde, ſich ein Vergnuͤ¬ gen zu machen, das ſie gar nicht erwarten konnte. Sie hatte naͤmlich bei ihrem Herumklettern in einem entfernten Winkel des alten Schloßes eine Katze mit fuͤnf Jungen gefunden und weder dem Vater noch der Mutter etwas davon geſagt, weil dieſe immer ſehr gegen die Katzen ſprachen. Gackeleia aber konnte ſich nie ſatt mit den artigen Kaͤtzchen ſpielen, ſie brachte alle ihre Freiſtunden bei denſelben zu und hatte der alten Katze den Namen Schurrimurri gegeben, die fuͤnf jungen aber Mack, Benack, Gog, Magog und Dema¬ gog genannt. Heute ſtand ſie nun in aller Fruͤhe leiſe ne¬ ben der ſchlafenden Mutter auf, froh, daß Alektryo ſie nicht verrathen koͤnne, denn ſie hatte wohl bemerkt, daß die Mut¬ ter ihn in den Sack geſteckt. Als ſie aber an dem Neſte der bruͤtenden Gallina voruͤbergieng, hatte ſie eine wunderbare Freude, denn ſieh da, alle die Eier waren kleine Huͤhnchen geworden, und piepten um die Henne herum und draͤngten ſich unter ihre ausgebreiteten Fluͤgel und guckten bald da, bald dort mit ihren niedlichen Koͤpfchen hervor. Gackeleia wußte ſich vor Freude gar nicht zu faſſen; anfangs wollte ſie die Mutter gleich wecken, dann aber fiel es ihr ein, ſie wolle es zuerſt ihren kleinen Kaͤtzchen erzaͤhlen, und meinte, die wuͤrden ſich eben ſo ſehr, als ſie ſelbſt, uͤber die ſchoͤnen Huͤhnchen freuen.
Schnell lief ſie nun nach dem Katzenneſt, und als ihr die alte Katze mit einem hohen Buckel entgegen kam und um ſie herumzuſchnurren begann, und die kleinen Kaͤtzchen hin¬ ter ihr drein zogen, ſprach Gackeleia: „Ach, Schurrimurri! Gallina hat dreißig junge Huͤhnchen, und jedes iſt nicht groͤßer als eine Maus.“ Als die Katze dies hoͤrte, war ſie
3 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0061"n="35"/>
nicht erwecken moͤge, worauf ſie ſich wieder niederlegte und<lb/>
wie ein Ratze zu ſchlafen begann.</p><lb/><p>Das Toͤchterlein Gackeleia aber ſchlief nicht viel, denn<lb/>ſie hatte ſich ſchon lange darauf gefreut, wenn der Vater<lb/>
Gockel einmal laͤnger abweſend ſeyn wuͤrde, ſich ein Vergnuͤ¬<lb/>
gen zu machen, das ſie gar nicht erwarten konnte. Sie hatte<lb/>
naͤmlich bei ihrem Herumklettern in einem entfernten Winkel<lb/>
des alten Schloßes eine Katze mit fuͤnf Jungen gefunden<lb/>
und weder dem Vater noch der Mutter etwas davon geſagt,<lb/>
weil dieſe immer ſehr gegen die Katzen ſprachen. Gackeleia<lb/>
aber konnte ſich nie ſatt mit den artigen Kaͤtzchen ſpielen,<lb/>ſie brachte alle ihre Freiſtunden bei denſelben zu und hatte<lb/>
der alten Katze den Namen Schurrimurri gegeben, die<lb/>
fuͤnf jungen aber Mack, Benack, Gog, Magog und Dema¬<lb/>
gog genannt. Heute ſtand ſie nun in aller Fruͤhe leiſe ne¬<lb/>
ben der ſchlafenden Mutter auf, froh, daß Alektryo ſie nicht<lb/>
verrathen koͤnne, denn ſie hatte wohl bemerkt, daß die Mut¬<lb/>
ter ihn in den Sack geſteckt. Als ſie aber an dem Neſte der<lb/>
bruͤtenden Gallina voruͤbergieng, hatte ſie eine wunderbare<lb/>
Freude, denn ſieh da, alle die Eier waren kleine Huͤhnchen<lb/>
geworden, und piepten um die Henne herum und draͤngten<lb/>ſich unter ihre ausgebreiteten Fluͤgel und guckten bald da,<lb/>
bald dort mit ihren niedlichen Koͤpfchen hervor. Gackeleia<lb/>
wußte ſich vor Freude gar nicht zu faſſen; anfangs wollte<lb/>ſie die Mutter gleich wecken, dann aber fiel es ihr ein, ſie<lb/>
wolle es zuerſt ihren kleinen Kaͤtzchen erzaͤhlen, und meinte,<lb/>
die wuͤrden ſich eben ſo ſehr, als ſie ſelbſt, uͤber die ſchoͤnen<lb/>
Huͤhnchen freuen.</p><lb/><p>Schnell lief ſie nun nach dem Katzenneſt, und als ihr<lb/>
die alte Katze mit einem hohen Buckel entgegen kam und um<lb/>ſie herumzuſchnurren begann, und die kleinen Kaͤtzchen hin¬<lb/>
ter ihr drein zogen, ſprach Gackeleia: „Ach, Schurrimurri!<lb/>
Gallina hat dreißig junge Huͤhnchen, und jedes iſt nicht<lb/>
groͤßer als eine Maus.“ Als die Katze dies hoͤrte, war ſie<lb/><fwplace="bottom"type="sig">3 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[35/0061]
nicht erwecken moͤge, worauf ſie ſich wieder niederlegte und
wie ein Ratze zu ſchlafen begann.
Das Toͤchterlein Gackeleia aber ſchlief nicht viel, denn
ſie hatte ſich ſchon lange darauf gefreut, wenn der Vater
Gockel einmal laͤnger abweſend ſeyn wuͤrde, ſich ein Vergnuͤ¬
gen zu machen, das ſie gar nicht erwarten konnte. Sie hatte
naͤmlich bei ihrem Herumklettern in einem entfernten Winkel
des alten Schloßes eine Katze mit fuͤnf Jungen gefunden
und weder dem Vater noch der Mutter etwas davon geſagt,
weil dieſe immer ſehr gegen die Katzen ſprachen. Gackeleia
aber konnte ſich nie ſatt mit den artigen Kaͤtzchen ſpielen,
ſie brachte alle ihre Freiſtunden bei denſelben zu und hatte
der alten Katze den Namen Schurrimurri gegeben, die
fuͤnf jungen aber Mack, Benack, Gog, Magog und Dema¬
gog genannt. Heute ſtand ſie nun in aller Fruͤhe leiſe ne¬
ben der ſchlafenden Mutter auf, froh, daß Alektryo ſie nicht
verrathen koͤnne, denn ſie hatte wohl bemerkt, daß die Mut¬
ter ihn in den Sack geſteckt. Als ſie aber an dem Neſte der
bruͤtenden Gallina voruͤbergieng, hatte ſie eine wunderbare
Freude, denn ſieh da, alle die Eier waren kleine Huͤhnchen
geworden, und piepten um die Henne herum und draͤngten
ſich unter ihre ausgebreiteten Fluͤgel und guckten bald da,
bald dort mit ihren niedlichen Koͤpfchen hervor. Gackeleia
wußte ſich vor Freude gar nicht zu faſſen; anfangs wollte
ſie die Mutter gleich wecken, dann aber fiel es ihr ein, ſie
wolle es zuerſt ihren kleinen Kaͤtzchen erzaͤhlen, und meinte,
die wuͤrden ſich eben ſo ſehr, als ſie ſelbſt, uͤber die ſchoͤnen
Huͤhnchen freuen.
Schnell lief ſie nun nach dem Katzenneſt, und als ihr
die alte Katze mit einem hohen Buckel entgegen kam und um
ſie herumzuſchnurren begann, und die kleinen Kaͤtzchen hin¬
ter ihr drein zogen, ſprach Gackeleia: „Ach, Schurrimurri!
Gallina hat dreißig junge Huͤhnchen, und jedes iſt nicht
groͤßer als eine Maus.“ Als die Katze dies hoͤrte, war ſie
3 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/61>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.