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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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Erdstellen zwischen den Mauern Gartenbeete an, ordnete und
verband alle Winkelchen mit Zäunen und aus umherliegenden
Steinen zusammengestellten Treppen. Er sammelte alle Gar¬
tengewächse, die im verwilderten Schloßgärtchen noch übrig
geblieben waren, und pflanzte sie sie fein ordentlich in die
neu angelegten Beete.

Von den mitgebrachten Broden war das letzte schon seit
einigen Tagen angeschnitten, und Frau Hinkel hatte die zwei
Dutzend Federvögelchen fertig. Gockel nahm sie und sprach:
"Diese Thierchen sollen uns Brod schaffen, bis wir leben¬
dige Hühnchen zu verkaufen haben" und somit empfahl er
ihnen fleißig zu seyn und gieng fort durch den wilden Wald
nach der Landstraße zu. Kaum war er eine Stunde Wegs
gegangen, als er einen Postillon ganz erbärmlich blasen hörte.
Er gieng auf den Schall zu, und sah einen Mann in gel¬
bem Rock mit schwarzen Aufschlägen im Gebüsch herum krie¬
chen. Als sie sich erblickten, sagte dieser: "Gott sey Dank,
daß da Jemand kömmt, mir aus der Noth zu helfen." --
"Von Herzen gern, wenn's möglich ist," erwiederte Gockel,
"was giebt es, wo fehlt es?" -- "Seht," fuhr der Mann fort,
"ich bin der Conducteur vom heiligen römischen Reichs-Post¬
wagen und fahre jetzt nach Nürnberg; da ich durch Gelnhau¬
sen kam, war ein Lärm in der Stadt, daß der Hühnermi¬
nister, Alles zurücklassend, mit Frau und Kind verschwunden
sey. Das ärgerte den König Eifrasius, er ließ mich zu sich
rufen und sagte: "Herr Conducteur, will er mir gegen ein
gutes Trinkgeld einen Gefallen thun?" -- "Nicht mehr als
Schuldigkeit, ihre Majestät," sagte ich. -- Da sagte der Kö¬
nig: "Mein Hühnerminister, ein alter eigensinniger deutscher
Degenknopf, ist in Gnaden entlassen auf und davon gegan¬
gen, und hat nicht einmal seinen Gehalt fürs letzte Viertel¬
jahr mitgenommen; ich will ihm nichts schuldig bleiben; wie
ich vermuthe, ist er in sein wüstes Stammschloß im Ha¬
nauer Wald gezogen. Nehme er ihm sein letztes Quartal

Erdſtellen zwiſchen den Mauern Gartenbeete an, ordnete und
verband alle Winkelchen mit Zaͤunen und aus umherliegenden
Steinen zuſammengeſtellten Treppen. Er ſammelte alle Gar¬
tengewaͤchſe, die im verwilderten Schloßgaͤrtchen noch uͤbrig
geblieben waren, und pflanzte ſie ſie fein ordentlich in die
neu angelegten Beete.

Von den mitgebrachten Broden war das letzte ſchon ſeit
einigen Tagen angeſchnitten, und Frau Hinkel hatte die zwei
Dutzend Federvoͤgelchen fertig. Gockel nahm ſie und ſprach:
„Dieſe Thierchen ſollen uns Brod ſchaffen, bis wir leben¬
dige Huͤhnchen zu verkaufen haben“ und ſomit empfahl er
ihnen fleißig zu ſeyn und gieng fort durch den wilden Wald
nach der Landſtraße zu. Kaum war er eine Stunde Wegs
gegangen, als er einen Poſtillon ganz erbaͤrmlich blaſen hoͤrte.
Er gieng auf den Schall zu, und ſah einen Mann in gel¬
bem Rock mit ſchwarzen Aufſchlaͤgen im Gebuͤſch herum krie¬
chen. Als ſie ſich erblickten, ſagte dieſer: „Gott ſey Dank,
daß da Jemand koͤmmt, mir aus der Noth zu helfen.“ —
„Von Herzen gern, wenn's moͤglich iſt,“ erwiederte Gockel,
„was giebt es, wo fehlt es?“ — „Seht,“ fuhr der Mann fort,
„ich bin der Conducteur vom heiligen roͤmiſchen Reichs-Poſt¬
wagen und fahre jetzt nach Nuͤrnberg; da ich durch Gelnhau¬
ſen kam, war ein Laͤrm in der Stadt, daß der Huͤhnermi¬
niſter, Alles zuruͤcklaſſend, mit Frau und Kind verſchwunden
ſey. Das aͤrgerte den Koͤnig Eifraſius, er ließ mich zu ſich
rufen und ſagte: „Herr Conducteur, will er mir gegen ein
gutes Trinkgeld einen Gefallen thun?“ — „Nicht mehr als
Schuldigkeit, ihre Majeſtaͤt,“ ſagte ich. — Da ſagte der Koͤ¬
nig: „Mein Huͤhnerminiſter, ein alter eigenſinniger deutſcher
Degenknopf, iſt in Gnaden entlaſſen auf und davon gegan¬
gen, und hat nicht einmal ſeinen Gehalt fuͤrs letzte Viertel¬
jahr mitgenommen; ich will ihm nichts ſchuldig bleiben; wie
ich vermuthe, iſt er in ſein wuͤſtes Stammſchloß im Ha¬
nauer Wald gezogen. Nehme er ihm ſein letztes Quartal

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[30/0056] Erdſtellen zwiſchen den Mauern Gartenbeete an, ordnete und verband alle Winkelchen mit Zaͤunen und aus umherliegenden Steinen zuſammengeſtellten Treppen. Er ſammelte alle Gar¬ tengewaͤchſe, die im verwilderten Schloßgaͤrtchen noch uͤbrig geblieben waren, und pflanzte ſie ſie fein ordentlich in die neu angelegten Beete. Von den mitgebrachten Broden war das letzte ſchon ſeit einigen Tagen angeſchnitten, und Frau Hinkel hatte die zwei Dutzend Federvoͤgelchen fertig. Gockel nahm ſie und ſprach: „Dieſe Thierchen ſollen uns Brod ſchaffen, bis wir leben¬ dige Huͤhnchen zu verkaufen haben“ und ſomit empfahl er ihnen fleißig zu ſeyn und gieng fort durch den wilden Wald nach der Landſtraße zu. Kaum war er eine Stunde Wegs gegangen, als er einen Poſtillon ganz erbaͤrmlich blaſen hoͤrte. Er gieng auf den Schall zu, und ſah einen Mann in gel¬ bem Rock mit ſchwarzen Aufſchlaͤgen im Gebuͤſch herum krie¬ chen. Als ſie ſich erblickten, ſagte dieſer: „Gott ſey Dank, daß da Jemand koͤmmt, mir aus der Noth zu helfen.“ — „Von Herzen gern, wenn's moͤglich iſt,“ erwiederte Gockel, „was giebt es, wo fehlt es?“ — „Seht,“ fuhr der Mann fort, „ich bin der Conducteur vom heiligen roͤmiſchen Reichs-Poſt¬ wagen und fahre jetzt nach Nuͤrnberg; da ich durch Gelnhau¬ ſen kam, war ein Laͤrm in der Stadt, daß der Huͤhnermi¬ niſter, Alles zuruͤcklaſſend, mit Frau und Kind verſchwunden ſey. Das aͤrgerte den Koͤnig Eifraſius, er ließ mich zu ſich rufen und ſagte: „Herr Conducteur, will er mir gegen ein gutes Trinkgeld einen Gefallen thun?“ — „Nicht mehr als Schuldigkeit, ihre Majeſtaͤt,“ ſagte ich. — Da ſagte der Koͤ¬ nig: „Mein Huͤhnerminiſter, ein alter eigenſinniger deutſcher Degenknopf, iſt in Gnaden entlaſſen auf und davon gegan¬ gen, und hat nicht einmal ſeinen Gehalt fuͤrs letzte Viertel¬ jahr mitgenommen; ich will ihm nichts ſchuldig bleiben; wie ich vermuthe, iſt er in ſein wuͤſtes Stammſchloß im Ha¬ nauer Wald gezogen. Nehme er ihm ſein letztes Quartal

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/56>, abgerufen am 27.11.2024.