Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

an kein Durchkommen zu gedenken, und Gockel sprach zu
Frau Hinkel, indem er seine Erbhühnertrage absetzte, und
das Grafenschwert von ihr losband und herauszog: "setze
deinen Korb ab, schürze deinen Rock nieder, streiche dein
Haar zurecht, dort an dem alten Springbrünnchen wasche
dich, bade dir die Füße, ruhe ein bischen aus, damit wir
mit Respekt einziehen. Thue der Gackeleia eben so." -- Ich
will indessen mit meinem Grafenschwert hier das wilde Ge¬
nist lehren, daß man seinem Herrn den Weg nicht verrennt."

Nun setzten sich Frau Hinkel und Gackeleia an das
Brünnchen, wuschen und musterten sich, und Gackeleia patschte
mit ihren erhitzten Füßchen in dem kalten Wasser herum.
Gockel aber erhob sein Grafenschwert, und hieb kreuz und
quer mit großer Kraft einen Weg durch die wildverwirrten
Hecken, Büsche und Bäume. Er nannte jedes Gesträuch,
das er zusammenhieb, mit Namen, und weil er schnell ar¬
beitete, so verkürzte er die Worte -- er schrie: "Potz Sta¬
chel-, Kreusel-, Preißel-, Kloster-, Hollunder-, Wach¬
holder-, Berberitzen-, Johannis-, Brom-, Himbeeren! ich
will euch lehren, mir mein Haus zu sperren!-- Potz Quen¬
tel, Lavendel, Bux, Taxus, Mispel, Quitten und Hassel! --
Potz Thymian, Majoran, Baldrian, Rosmarin, Hisop und
Salbei!" und mit jedem Worte ein Schwertschlag, der ihm
den Weg öffnete und mit Zweigen, Blättern und Blumen
bestreute. Als er so bis in die Nähe des Schloßthores ge¬
kommen, kehrte er zu den Seinigen an das Brünnchen zurück.

Gockel hatte sich ganz müde gearbeitet, auch er wusch
und erquickte sich an dem Wasser. Frau Hinkel hatte sich
recht frisch und sauber gemacht. Sie hatte Gackeleia einen
schönen Blumenkranz aufgesetzt und ihr das Hühnernest mit
harten Brosamen, welche sie am Brunnen erweicht, gefüllt,
diese sollte sie beim Einzug in das Schloß den Vögeln aus¬
streuen. Das war so, als wenn bei der Kaiserkrönung zu
Frankfurt Gold ausgeworfen wird.

an kein Durchkommen zu gedenken, und Gockel ſprach zu
Frau Hinkel, indem er ſeine Erbhuͤhnertrage abſetzte, und
das Grafenſchwert von ihr losband und herauszog: „ſetze
deinen Korb ab, ſchuͤrze deinen Rock nieder, ſtreiche dein
Haar zurecht, dort an dem alten Springbruͤnnchen waſche
dich, bade dir die Fuͤße, ruhe ein bischen aus, damit wir
mit Reſpekt einziehen. Thue der Gackeleia eben ſo.“ — Ich
will indeſſen mit meinem Grafenſchwert hier das wilde Ge¬
niſt lehren, daß man ſeinem Herrn den Weg nicht verrennt.“

Nun ſetzten ſich Frau Hinkel und Gackeleia an das
Bruͤnnchen, wuſchen und muſterten ſich, und Gackeleia patſchte
mit ihren erhitzten Fuͤßchen in dem kalten Waſſer herum.
Gockel aber erhob ſein Grafenſchwert, und hieb kreuz und
quer mit großer Kraft einen Weg durch die wildverwirrten
Hecken, Buͤſche und Baͤume. Er nannte jedes Geſtraͤuch,
das er zuſammenhieb, mit Namen, und weil er ſchnell ar¬
beitete, ſo verkuͤrzte er die Worte — er ſchrie: „Potz Sta¬
chel-, Kreuſel-, Preißel-, Kloſter-, Hollunder-, Wach¬
holder-, Berberitzen-, Johannis-, Brom-, Himbeeren! ich
will euch lehren, mir mein Haus zu ſperren!— Potz Quen¬
tel, Lavendel, Bux, Taxus, Mispel, Quitten und Haſſel! —
Potz Thymian, Majoran, Baldrian, Rosmarin, Hiſop und
Salbei!“ und mit jedem Worte ein Schwertſchlag, der ihm
den Weg oͤffnete und mit Zweigen, Blaͤttern und Blumen
beſtreute. Als er ſo bis in die Naͤhe des Schloßthores ge¬
kommen, kehrte er zu den Seinigen an das Bruͤnnchen zuruͤck.

Gockel hatte ſich ganz muͤde gearbeitet, auch er wuſch
und erquickte ſich an dem Waſſer. Frau Hinkel hatte ſich
recht friſch und ſauber gemacht. Sie hatte Gackeleia einen
ſchoͤnen Blumenkranz aufgeſetzt und ihr das Huͤhnerneſt mit
harten Broſamen, welche ſie am Brunnen erweicht, gefuͤllt,
dieſe ſollte ſie beim Einzug in das Schloß den Voͤgeln aus¬
ſtreuen. Das war ſo, als wenn bei der Kaiſerkroͤnung zu
Frankfurt Gold ausgeworfen wird.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038" n="16"/>
an kein Durchkommen zu gedenken, und Gockel &#x017F;prach zu<lb/>
Frau Hinkel, indem er &#x017F;eine Erbhu&#x0364;hnertrage ab&#x017F;etzte, und<lb/>
das Grafen&#x017F;chwert von ihr losband und herauszog: &#x201E;&#x017F;etze<lb/>
deinen Korb ab, &#x017F;chu&#x0364;rze deinen Rock nieder, &#x017F;treiche dein<lb/>
Haar zurecht, dort an dem alten Springbru&#x0364;nnchen wa&#x017F;che<lb/>
dich, bade dir die Fu&#x0364;ße, ruhe ein bischen aus, damit wir<lb/>
mit Re&#x017F;pekt einziehen. Thue der Gackeleia eben &#x017F;o.&#x201C; &#x2014; Ich<lb/>
will inde&#x017F;&#x017F;en mit meinem Grafen&#x017F;chwert hier das wilde Ge¬<lb/>
ni&#x017F;t lehren, daß man &#x017F;einem Herrn den Weg nicht verrennt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Nun &#x017F;etzten &#x017F;ich Frau Hinkel und Gackeleia an das<lb/>
Bru&#x0364;nnchen, wu&#x017F;chen und mu&#x017F;terten &#x017F;ich, und Gackeleia pat&#x017F;chte<lb/>
mit ihren erhitzten Fu&#x0364;ßchen in dem kalten Wa&#x017F;&#x017F;er herum.<lb/>
Gockel aber erhob &#x017F;ein Grafen&#x017F;chwert, und hieb kreuz und<lb/>
quer mit großer Kraft einen Weg durch die wildverwirrten<lb/>
Hecken, Bu&#x0364;&#x017F;che und Ba&#x0364;ume. Er nannte jedes Ge&#x017F;tra&#x0364;uch,<lb/>
das er zu&#x017F;ammenhieb, mit Namen, und weil er &#x017F;chnell ar¬<lb/>
beitete, &#x017F;o verku&#x0364;rzte er die Worte &#x2014; er &#x017F;chrie: &#x201E;Potz Sta¬<lb/>
chel-, Kreu&#x017F;el-, Preißel-, Klo&#x017F;ter-, Hollunder-, Wach¬<lb/>
holder-, Berberitzen-, Johannis-, Brom-, Himbeeren! ich<lb/>
will euch lehren, mir mein Haus zu &#x017F;perren!&#x2014; Potz Quen¬<lb/>
tel, Lavendel, Bux, Taxus, Mispel, Quitten und Ha&#x017F;&#x017F;el! &#x2014;<lb/>
Potz Thymian, Majoran, Baldrian, Rosmarin, Hi&#x017F;op und<lb/>
Salbei!&#x201C; und mit jedem Worte ein Schwert&#x017F;chlag, der ihm<lb/>
den Weg o&#x0364;ffnete und mit Zweigen, Bla&#x0364;ttern und Blumen<lb/>
be&#x017F;treute. Als er &#x017F;o bis in die Na&#x0364;he des Schloßthores ge¬<lb/>
kommen, kehrte er zu den Seinigen an das Bru&#x0364;nnchen zuru&#x0364;ck.</p><lb/>
        <p>Gockel hatte &#x017F;ich ganz mu&#x0364;de gearbeitet, auch er wu&#x017F;ch<lb/>
und erquickte &#x017F;ich an dem Wa&#x017F;&#x017F;er. Frau Hinkel hatte &#x017F;ich<lb/>
recht fri&#x017F;ch und &#x017F;auber gemacht. Sie hatte Gackeleia einen<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen Blumenkranz aufge&#x017F;etzt und ihr das Hu&#x0364;hnerne&#x017F;t mit<lb/>
harten Bro&#x017F;amen, welche &#x017F;ie am Brunnen erweicht, gefu&#x0364;llt,<lb/>
die&#x017F;e &#x017F;ollte &#x017F;ie beim Einzug in das Schloß den Vo&#x0364;geln aus¬<lb/>
&#x017F;treuen. Das war &#x017F;o, als wenn bei der Kai&#x017F;erkro&#x0364;nung zu<lb/>
Frankfurt Gold ausgeworfen wird.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0038] an kein Durchkommen zu gedenken, und Gockel ſprach zu Frau Hinkel, indem er ſeine Erbhuͤhnertrage abſetzte, und das Grafenſchwert von ihr losband und herauszog: „ſetze deinen Korb ab, ſchuͤrze deinen Rock nieder, ſtreiche dein Haar zurecht, dort an dem alten Springbruͤnnchen waſche dich, bade dir die Fuͤße, ruhe ein bischen aus, damit wir mit Reſpekt einziehen. Thue der Gackeleia eben ſo.“ — Ich will indeſſen mit meinem Grafenſchwert hier das wilde Ge¬ niſt lehren, daß man ſeinem Herrn den Weg nicht verrennt.“ Nun ſetzten ſich Frau Hinkel und Gackeleia an das Bruͤnnchen, wuſchen und muſterten ſich, und Gackeleia patſchte mit ihren erhitzten Fuͤßchen in dem kalten Waſſer herum. Gockel aber erhob ſein Grafenſchwert, und hieb kreuz und quer mit großer Kraft einen Weg durch die wildverwirrten Hecken, Buͤſche und Baͤume. Er nannte jedes Geſtraͤuch, das er zuſammenhieb, mit Namen, und weil er ſchnell ar¬ beitete, ſo verkuͤrzte er die Worte — er ſchrie: „Potz Sta¬ chel-, Kreuſel-, Preißel-, Kloſter-, Hollunder-, Wach¬ holder-, Berberitzen-, Johannis-, Brom-, Himbeeren! ich will euch lehren, mir mein Haus zu ſperren!— Potz Quen¬ tel, Lavendel, Bux, Taxus, Mispel, Quitten und Haſſel! — Potz Thymian, Majoran, Baldrian, Rosmarin, Hiſop und Salbei!“ und mit jedem Worte ein Schwertſchlag, der ihm den Weg oͤffnete und mit Zweigen, Blaͤttern und Blumen beſtreute. Als er ſo bis in die Naͤhe des Schloßthores ge¬ kommen, kehrte er zu den Seinigen an das Bruͤnnchen zuruͤck. Gockel hatte ſich ganz muͤde gearbeitet, auch er wuſch und erquickte ſich an dem Waſſer. Frau Hinkel hatte ſich recht friſch und ſauber gemacht. Sie hatte Gackeleia einen ſchoͤnen Blumenkranz aufgeſetzt und ihr das Huͤhnerneſt mit harten Broſamen, welche ſie am Brunnen erweicht, gefuͤllt, dieſe ſollte ſie beim Einzug in das Schloß den Voͤgeln aus¬ ſtreuen. Das war ſo, als wenn bei der Kaiſerkroͤnung zu Frankfurt Gold ausgeworfen wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/38
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/38>, abgerufen am 27.11.2024.