Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

etwas von der Bedeutung dieser Edelsteine wußte, ahndete
ich eine wunderbare Macht in deinen Schultern, und wie oft
hast du mich fragen müssen, warum ich in meinen Betrüb¬
nißen mein Haupt immer auf deine rechte Schulter lehne,
da ich mich doch an deinem Herzen ausweinen könne? --
aber ich lehnte mein Haupt wieder hin und sagte: O Amey,
ich weiß es nicht -- aber wenn mein Herz schwer ist, lege
ich meine Last auf deine Schulter, denn in ihr ist deine
Macht; -- sie kann mehr tragen als dein Herz! -- sieh
Amey, es war die Kraft jener Kleinode, die ich fühlte;
und ich bitte dich, bedenke den Wunsch der Lilienfräulein,
stifte ihnen ein Kloster Lilienthal, du hast durch sie deinen
größten Schatz, der versunken war, wieder gehoben; -- o
thue mir auch diese Liebe noch zu dem Vielen, was ich dir
verdanke." -- "Du mir?" sprach ich, "mir, welche in dei¬
nem Frieden, deiner Milde und Schonung immer allen Trost
gefunden hat." -- "Amey," erwiederte sie, "alle der Friede
ist von dir, ist von Gottes Gnade, Gottes Kraft, welche
in dem Edelsteine wohnet." -- Da umarmten wir uns und
ich versprach ihr, wegen dem Kloster Lilienthal mit frommen
Männern zu Rathe zu gehn, so etwas müße reichlich über¬
legt seyn, und es müße doch auch erst das Johannisfest vor¬
über und meine große Wäsche wieder in den Schränken seyn;
in welchem beidem sie mir vollkommen Recht gab. -- Kaum
hatte sie mich mit ihrem Kindlein verlassen, so kam Jakob
von Guise, den ich darum gebeten hatte, nach der Prozession
zu mir. Ich erzählte diesem in geistlichen und weltlichen
Dingen hochbewanderten Mann, der eine Chronik des Lan¬
des Hennegau bis zur Erschaffung der Welt hinauf zu schrei¬
ben begonnen, Alles, was ich diese Nacht durch Klareta von
dem Ursprung und der Kraft der Achselbänder erfahren und
wie die Heilung Klaretas diese Kraft bestätiget habe. Auch
dankte ich ihm, daß er heute Morgen in der Kapelle den
Segen der Kleinode erneuert, und fragte ihn, wie ich mich

etwas von der Bedeutung dieſer Edelſteine wußte, ahndete
ich eine wunderbare Macht in deinen Schultern, und wie oft
haſt du mich fragen muͤſſen, warum ich in meinen Betruͤb¬
nißen mein Haupt immer auf deine rechte Schulter lehne,
da ich mich doch an deinem Herzen ausweinen koͤnne? —
aber ich lehnte mein Haupt wieder hin und ſagte: O Amey,
ich weiß es nicht — aber wenn mein Herz ſchwer iſt, lege
ich meine Laſt auf deine Schulter, denn in ihr iſt deine
Macht; — ſie kann mehr tragen als dein Herz! — ſieh
Amey, es war die Kraft jener Kleinode, die ich fuͤhlte;
und ich bitte dich, bedenke den Wunſch der Lilienfraͤulein,
ſtifte ihnen ein Kloſter Lilienthal, du haſt durch ſie deinen
groͤßten Schatz, der verſunken war, wieder gehoben; — o
thue mir auch dieſe Liebe noch zu dem Vielen, was ich dir
verdanke.“ — „Du mir?“ ſprach ich, „mir, welche in dei¬
nem Frieden, deiner Milde und Schonung immer allen Troſt
gefunden hat.“ — „Amey,“ erwiederte ſie, „alle der Friede
iſt von dir, iſt von Gottes Gnade, Gottes Kraft, welche
in dem Edelſteine wohnet.“ — Da umarmten wir uns und
ich verſprach ihr, wegen dem Kloſter Lilienthal mit frommen
Maͤnnern zu Rathe zu gehn, ſo etwas muͤße reichlich uͤber¬
legt ſeyn, und es muͤße doch auch erſt das Johannisfeſt vor¬
uͤber und meine große Waͤſche wieder in den Schraͤnken ſeyn;
in welchem beidem ſie mir vollkommen Recht gab. — Kaum
hatte ſie mich mit ihrem Kindlein verlaſſen, ſo kam Jakob
von Guiſe, den ich darum gebeten hatte, nach der Prozeſſion
zu mir. Ich erzaͤhlte dieſem in geiſtlichen und weltlichen
Dingen hochbewanderten Mann, der eine Chronik des Lan¬
des Hennegau bis zur Erſchaffung der Welt hinauf zu ſchrei¬
ben begonnen, Alles, was ich dieſe Nacht durch Klareta von
dem Urſprung und der Kraft der Achſelbaͤnder erfahren und
wie die Heilung Klaretas dieſe Kraft beſtaͤtiget habe. Auch
dankte ich ihm, daß er heute Morgen in der Kapelle den
Segen der Kleinode erneuert, und fragte ihn, wie ich mich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0354" n="300"/>
etwas von der Bedeutung die&#x017F;er Edel&#x017F;teine wußte, ahndete<lb/>
ich eine wunderbare Macht in deinen Schultern, und wie oft<lb/>
ha&#x017F;t du mich fragen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, warum ich in meinen Betru&#x0364;<lb/>
nißen mein Haupt immer auf deine rechte Schulter lehne,<lb/>
da ich mich doch an deinem Herzen ausweinen ko&#x0364;nne? &#x2014;<lb/>
aber ich lehnte mein Haupt wieder hin und &#x017F;agte: O Amey,<lb/>
ich weiß es nicht &#x2014; aber wenn mein Herz &#x017F;chwer i&#x017F;t, lege<lb/>
ich meine La&#x017F;t auf deine Schulter, denn in ihr i&#x017F;t deine<lb/>
Macht; &#x2014; &#x017F;ie kann mehr tragen als dein Herz! &#x2014; &#x017F;ieh<lb/>
Amey, es war die Kraft jener Kleinode, die ich fu&#x0364;hlte;<lb/>
und ich bitte dich, bedenke den Wun&#x017F;ch der Lilienfra&#x0364;ulein,<lb/>
&#x017F;tifte ihnen ein Klo&#x017F;ter Lilienthal, du ha&#x017F;t durch &#x017F;ie deinen<lb/>
gro&#x0364;ßten Schatz, der ver&#x017F;unken war, wieder gehoben; &#x2014; o<lb/>
thue mir auch die&#x017F;e Liebe noch zu dem Vielen, was ich dir<lb/>
verdanke.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Du mir?&#x201C; &#x017F;prach ich, &#x201E;mir, welche in dei¬<lb/>
nem Frieden, deiner Milde und Schonung immer allen Tro&#x017F;t<lb/>
gefunden hat.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Amey,&#x201C; erwiederte &#x017F;ie, &#x201E;alle der Friede<lb/>
i&#x017F;t von dir, i&#x017F;t von Gottes Gnade, Gottes Kraft, welche<lb/>
in dem Edel&#x017F;teine wohnet.&#x201C; &#x2014; Da umarmten wir uns und<lb/>
ich ver&#x017F;prach ihr, wegen dem Klo&#x017F;ter Lilienthal mit frommen<lb/>
Ma&#x0364;nnern zu Rathe zu gehn, &#x017F;o etwas mu&#x0364;ße reichlich u&#x0364;ber¬<lb/>
legt &#x017F;eyn, und es mu&#x0364;ße doch auch er&#x017F;t das Johannisfe&#x017F;t vor¬<lb/>
u&#x0364;ber und meine große Wa&#x0364;&#x017F;che wieder in den Schra&#x0364;nken &#x017F;eyn;<lb/>
in welchem beidem &#x017F;ie mir vollkommen Recht gab. &#x2014; Kaum<lb/>
hatte &#x017F;ie mich mit ihrem Kindlein verla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o kam Jakob<lb/>
von Gui&#x017F;e, den ich darum gebeten hatte, nach der Proze&#x017F;&#x017F;ion<lb/>
zu mir. Ich erza&#x0364;hlte die&#x017F;em in gei&#x017F;tlichen und weltlichen<lb/>
Dingen hochbewanderten Mann, der eine Chronik des Lan¬<lb/>
des Hennegau bis zur Er&#x017F;chaffung der Welt hinauf zu &#x017F;chrei¬<lb/>
ben begonnen, Alles, was ich die&#x017F;e Nacht durch Klareta von<lb/>
dem Ur&#x017F;prung und der Kraft der Ach&#x017F;elba&#x0364;nder erfahren und<lb/>
wie die Heilung Klaretas die&#x017F;e Kraft be&#x017F;ta&#x0364;tiget habe. Auch<lb/>
dankte ich ihm, daß er heute Morgen in der Kapelle den<lb/>
Segen der Kleinode erneuert, und fragte ihn, wie ich mich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0354] etwas von der Bedeutung dieſer Edelſteine wußte, ahndete ich eine wunderbare Macht in deinen Schultern, und wie oft haſt du mich fragen muͤſſen, warum ich in meinen Betruͤb¬ nißen mein Haupt immer auf deine rechte Schulter lehne, da ich mich doch an deinem Herzen ausweinen koͤnne? — aber ich lehnte mein Haupt wieder hin und ſagte: O Amey, ich weiß es nicht — aber wenn mein Herz ſchwer iſt, lege ich meine Laſt auf deine Schulter, denn in ihr iſt deine Macht; — ſie kann mehr tragen als dein Herz! — ſieh Amey, es war die Kraft jener Kleinode, die ich fuͤhlte; und ich bitte dich, bedenke den Wunſch der Lilienfraͤulein, ſtifte ihnen ein Kloſter Lilienthal, du haſt durch ſie deinen groͤßten Schatz, der verſunken war, wieder gehoben; — o thue mir auch dieſe Liebe noch zu dem Vielen, was ich dir verdanke.“ — „Du mir?“ ſprach ich, „mir, welche in dei¬ nem Frieden, deiner Milde und Schonung immer allen Troſt gefunden hat.“ — „Amey,“ erwiederte ſie, „alle der Friede iſt von dir, iſt von Gottes Gnade, Gottes Kraft, welche in dem Edelſteine wohnet.“ — Da umarmten wir uns und ich verſprach ihr, wegen dem Kloſter Lilienthal mit frommen Maͤnnern zu Rathe zu gehn, ſo etwas muͤße reichlich uͤber¬ legt ſeyn, und es muͤße doch auch erſt das Johannisfeſt vor¬ uͤber und meine große Waͤſche wieder in den Schraͤnken ſeyn; in welchem beidem ſie mir vollkommen Recht gab. — Kaum hatte ſie mich mit ihrem Kindlein verlaſſen, ſo kam Jakob von Guiſe, den ich darum gebeten hatte, nach der Prozeſſion zu mir. Ich erzaͤhlte dieſem in geiſtlichen und weltlichen Dingen hochbewanderten Mann, der eine Chronik des Lan¬ des Hennegau bis zur Erſchaffung der Welt hinauf zu ſchrei¬ ben begonnen, Alles, was ich dieſe Nacht durch Klareta von dem Urſprung und der Kraft der Achſelbaͤnder erfahren und wie die Heilung Klaretas dieſe Kraft beſtaͤtiget habe. Auch dankte ich ihm, daß er heute Morgen in der Kapelle den Segen der Kleinode erneuert, und fragte ihn, wie ich mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/354
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/354>, abgerufen am 25.11.2024.