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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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an ihren Banden, zuletzt werden dir ihre Fesseln ein starker
Schirm, und ihr Halsband ein Ehrenkleid seyn; denn in ihr
ist die Zierde des Lebens, und ihre Bänder sind Bänder des
Heils, du wirst sie wie ein Ehrenkleid anlegen und wie einen
Freudenkranz aufsetzen." Hierauf sprach er den neunzigsten
Psalm und segnete bei den Worten: "er wird dich mit sei¬
nen Schultern überschatten und deine Zuversicht wird unter
seinen Flügeln seyn." -- Sodann sprach er noch: "da du
geboren wurdest, sang man: uns ist geboren ein Kindelein,
sein Reich ist auf den Schultern seyn." -- Da machte er
mir ein Kreuz auf die beiden Schultern, wobei er sprach:
"trage dein Kreuz und folge nach, trage deinen Nächsten, wie
Gott dich trägt, trage Niemand etwas nach, trage nicht
auf beiden Schultern, nimm fremde Bürde nicht auf die
leichte Achsel, zucke die Achsel nicht gegen den Hülfesuchen¬
den, wandle in goldner Mitte und wähle das Rechte am
Scheideweg, deine Linke wisse nie, was deine Recht giebt,
dein Reich sey Gnade auf deinen Schultern u. s. w." --
Dann segnete er auch die drei Schwestern und alle meine
Gespielinnen und die Kinder; da er mit den Weihbrunn ge¬
gen den Johannisengel trat, drang dessen Mutter durch die
Menge heran, kniete hinter dem Knaben nieder, schloß ihn
mit beiden Armen an ihre Brust, streckte ihr Haupt über
seinem Blumenkranz hervor und so empfingen sie den Segen
zusammen wie Thau des Himmels in Kranz und Locken.
Es sah dieses gar rührend aus. Jetzt erhoben wir uns alle
von den Knieen, alle meine Freundinnen küßten das Kleinod
auf meiner rechten Schulter und ich umarmte sie. Als ich
nun auch die Mutter Immels, umarmt hatte, legte sie mir
ungestüm den Johannisengel ans Herz, aber ich gedachte
Wolfbrands, der im linken Arme seiner Mutter durch Lieb¬
kosung verunstaltet worden und nahm den Immel in den
rechten Arm, und er küßte das Kleinod zur Rechten. Ich
setzte ihn nun wieder in sein Wägelein, das die Kinder her¬

an ihren Banden, zuletzt werden dir ihre Feſſeln ein ſtarker
Schirm, und ihr Halsband ein Ehrenkleid ſeyn; denn in ihr
iſt die Zierde des Lebens, und ihre Baͤnder ſind Baͤnder des
Heils, du wirſt ſie wie ein Ehrenkleid anlegen und wie einen
Freudenkranz aufſetzen.“ Hierauf ſprach er den neunzigſten
Pſalm und ſegnete bei den Worten: „er wird dich mit ſei¬
nen Schultern uͤberſchatten und deine Zuverſicht wird unter
ſeinen Fluͤgeln ſeyn.“ — Sodann ſprach er noch: „da du
geboren wurdeſt, ſang man: uns iſt geboren ein Kindelein,
ſein Reich iſt auf den Schultern ſeyn.“ — Da machte er
mir ein Kreuz auf die beiden Schultern, wobei er ſprach:
„trage dein Kreuz und folge nach, trage deinen Naͤchſten, wie
Gott dich traͤgt, trage Niemand etwas nach, trage nicht
auf beiden Schultern, nimm fremde Buͤrde nicht auf die
leichte Achſel, zucke die Achſel nicht gegen den Huͤlfeſuchen¬
den, wandle in goldner Mitte und waͤhle das Rechte am
Scheideweg, deine Linke wiſſe nie, was deine Recht giebt,
dein Reich ſey Gnade auf deinen Schultern u. ſ. w.“ —
Dann ſegnete er auch die drei Schweſtern und alle meine
Geſpielinnen und die Kinder; da er mit den Weihbrunn ge¬
gen den Johannisengel trat, drang deſſen Mutter durch die
Menge heran, kniete hinter dem Knaben nieder, ſchloß ihn
mit beiden Armen an ihre Bruſt, ſtreckte ihr Haupt uͤber
ſeinem Blumenkranz hervor und ſo empfingen ſie den Segen
zuſammen wie Thau des Himmels in Kranz und Locken.
Es ſah dieſes gar ruͤhrend aus. Jetzt erhoben wir uns alle
von den Knieen, alle meine Freundinnen kuͤßten das Kleinod
auf meiner rechten Schulter und ich umarmte ſie. Als ich
nun auch die Mutter Immels, umarmt hatte, legte ſie mir
ungeſtuͤm den Johannisengel ans Herz, aber ich gedachte
Wolfbrands, der im linken Arme ſeiner Mutter durch Lieb¬
koſung verunſtaltet worden und nahm den Immel in den
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[293/0347] an ihren Banden, zuletzt werden dir ihre Feſſeln ein ſtarker Schirm, und ihr Halsband ein Ehrenkleid ſeyn; denn in ihr iſt die Zierde des Lebens, und ihre Baͤnder ſind Baͤnder des Heils, du wirſt ſie wie ein Ehrenkleid anlegen und wie einen Freudenkranz aufſetzen.“ Hierauf ſprach er den neunzigſten Pſalm und ſegnete bei den Worten: „er wird dich mit ſei¬ nen Schultern uͤberſchatten und deine Zuverſicht wird unter ſeinen Fluͤgeln ſeyn.“ — Sodann ſprach er noch: „da du geboren wurdeſt, ſang man: uns iſt geboren ein Kindelein, ſein Reich iſt auf den Schultern ſeyn.“ — Da machte er mir ein Kreuz auf die beiden Schultern, wobei er ſprach: „trage dein Kreuz und folge nach, trage deinen Naͤchſten, wie Gott dich traͤgt, trage Niemand etwas nach, trage nicht auf beiden Schultern, nimm fremde Buͤrde nicht auf die leichte Achſel, zucke die Achſel nicht gegen den Huͤlfeſuchen¬ den, wandle in goldner Mitte und waͤhle das Rechte am Scheideweg, deine Linke wiſſe nie, was deine Recht giebt, dein Reich ſey Gnade auf deinen Schultern u. ſ. w.“ — Dann ſegnete er auch die drei Schweſtern und alle meine Geſpielinnen und die Kinder; da er mit den Weihbrunn ge¬ gen den Johannisengel trat, drang deſſen Mutter durch die Menge heran, kniete hinter dem Knaben nieder, ſchloß ihn mit beiden Armen an ihre Bruſt, ſtreckte ihr Haupt uͤber ſeinem Blumenkranz hervor und ſo empfingen ſie den Segen zuſammen wie Thau des Himmels in Kranz und Locken. Es ſah dieſes gar ruͤhrend aus. Jetzt erhoben wir uns alle von den Knieen, alle meine Freundinnen kuͤßten das Kleinod auf meiner rechten Schulter und ich umarmte ſie. Als ich nun auch die Mutter Immels, umarmt hatte, legte ſie mir ungeſtuͤm den Johannisengel ans Herz, aber ich gedachte Wolfbrands, der im linken Arme ſeiner Mutter durch Lieb¬ koſung verunſtaltet worden und nahm den Immel in den rechten Arm, und er kuͤßte das Kleinod zur Rechten. Ich ſetzte ihn nun wieder in ſein Waͤgelein, das die Kinder her¬

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/347>, abgerufen am 25.11.2024.