fers vor dem Walde damit, auf daß sie bei dem Gottes¬ dienste möchten gesegnet werden, und sangen ein Danklied we¬ gen der Genesung Klaretas. Da nun meine Mägde kamen, nach mir zu schauen, ließ ich diese auf der Bleiche harren und ging auch zu der Kapelle. Die Schwestern vergossen Thränenströme, sie sprachen wenige Worte, sie küßten alle drei mit Ehrfurcht den Edelstein auf meiner rechten Schul¬ ter und steckten drei große Wachskerzen in Gestalt dreier Li¬ lien vor dem Bilde des Täufers auf. Sie mahnten mich dadurch an das Kloster Lilienthal, aber ich ließ mich nichts merken, denn ehe ich durch das Johannisfeuer gesprungen war und den Johannisengel geküßt, und mein Geräthe wie¬ der in den Schränken hatte, konnte ich das Kloster nicht ru¬ hig bedenken. -- Jakob von Guise hielt uns den Gottesdienst, meine Gespielinnen kamen auch mit den Kinderschaaren her¬ angezogen. Jeder Schaar wurde ein schöner Johannistopf voll Blumen vorgetragen und am Fuße des Altars nieder¬ gesetzt. Es war eine gar liebliche Andacht. Die Mägdlein führten einen gesunden freudigen Knaben, den sie den Jo¬ hannisengel nannten auf einem geschmückten Kinderwägelein in Prozession zur Kapelle. Er war sechs Jahre alt und hieß Immel, weil er wie eine Imme gern über die Blumen hin schwebte und allen lieb war. Er hatte wie ein klein Täu¬ ferlein ein Lammfell über der Schulter und ein Kreuzfähn¬ lein in der Hand und war mit Blumen geschmückt. Ein Lämmchen lief seinem Wagen nach. Die Kinder halfen ihm aus dem Wagen und ließen ihn in ihrer Mitte in einem schönen dichten Blumenkranz niederknieen. Das Lamm lag neben ihm, da saß er drinnen wie der Sommer, der in ei¬ nem Blumennest aus dem Ei geschlüpft ist. Meine Gespie¬ linnen knieten rings um die Kinder, und hinter diesen meh¬ rere der Eltern. Es trat aber plötzlich eine schlanke Frau zu der Kapelle heran und griff in den Weihbrunn und seg¬ nete sich und gieng auf den Johannisengel zu und besprengte
19 *
fers vor dem Walde damit, auf daß ſie bei dem Gottes¬ dienſte moͤchten geſegnet werden, und ſangen ein Danklied we¬ gen der Geneſung Klaretas. Da nun meine Maͤgde kamen, nach mir zu ſchauen, ließ ich dieſe auf der Bleiche harren und ging auch zu der Kapelle. Die Schweſtern vergoſſen Thraͤnenſtroͤme, ſie ſprachen wenige Worte, ſie kuͤßten alle drei mit Ehrfurcht den Edelſtein auf meiner rechten Schul¬ ter und ſteckten drei große Wachskerzen in Geſtalt dreier Li¬ lien vor dem Bilde des Taͤufers auf. Sie mahnten mich dadurch an das Kloſter Lilienthal, aber ich ließ mich nichts merken, denn ehe ich durch das Johannisfeuer geſprungen war und den Johannisengel gekuͤßt, und mein Geraͤthe wie¬ der in den Schraͤnken hatte, konnte ich das Kloſter nicht ru¬ hig bedenken. — Jakob von Guiſe hielt uns den Gottesdienſt, meine Geſpielinnen kamen auch mit den Kinderſchaaren her¬ angezogen. Jeder Schaar wurde ein ſchoͤner Johannistopf voll Blumen vorgetragen und am Fuße des Altars nieder¬ geſetzt. Es war eine gar liebliche Andacht. Die Maͤgdlein fuͤhrten einen geſunden freudigen Knaben, den ſie den Jo¬ hannisengel nannten auf einem geſchmuͤckten Kinderwaͤgelein in Prozeſſion zur Kapelle. Er war ſechs Jahre alt und hieß Immel, weil er wie eine Imme gern uͤber die Blumen hin ſchwebte und allen lieb war. Er hatte wie ein klein Taͤu¬ ferlein ein Lammfell uͤber der Schulter und ein Kreuzfaͤhn¬ lein in der Hand und war mit Blumen geſchmuͤckt. Ein Laͤmmchen lief ſeinem Wagen nach. Die Kinder halfen ihm aus dem Wagen und ließen ihn in ihrer Mitte in einem ſchoͤnen dichten Blumenkranz niederknieen. Das Lamm lag neben ihm, da ſaß er drinnen wie der Sommer, der in ei¬ nem Blumenneſt aus dem Ei geſchluͤpft iſt. Meine Geſpie¬ linnen knieten rings um die Kinder, und hinter dieſen meh¬ rere der Eltern. Es trat aber ploͤtzlich eine ſchlanke Frau zu der Kapelle heran und griff in den Weihbrunn und ſeg¬ nete ſich und gieng auf den Johannisengel zu und beſprengte
19 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0345"n="291"/>
fers vor dem Walde damit, auf daß ſie bei dem Gottes¬<lb/>
dienſte moͤchten geſegnet werden, und ſangen ein Danklied we¬<lb/>
gen der Geneſung Klaretas. Da nun meine Maͤgde kamen,<lb/>
nach mir zu ſchauen, ließ ich dieſe auf der Bleiche harren<lb/>
und ging auch zu der Kapelle. Die Schweſtern vergoſſen<lb/>
Thraͤnenſtroͤme, ſie ſprachen wenige Worte, ſie kuͤßten alle<lb/>
drei mit Ehrfurcht den Edelſtein auf meiner rechten Schul¬<lb/>
ter und ſteckten drei große Wachskerzen in Geſtalt dreier Li¬<lb/>
lien vor dem Bilde des Taͤufers auf. Sie mahnten mich<lb/>
dadurch an das Kloſter Lilienthal, aber ich ließ mich nichts<lb/>
merken, denn ehe ich durch das Johannisfeuer geſprungen<lb/>
war und den Johannisengel gekuͤßt, und mein Geraͤthe wie¬<lb/>
der in den Schraͤnken hatte, konnte ich das Kloſter nicht ru¬<lb/>
hig bedenken. — Jakob von Guiſe hielt uns den Gottesdienſt,<lb/>
meine Geſpielinnen kamen auch mit den Kinderſchaaren her¬<lb/>
angezogen. Jeder Schaar wurde ein ſchoͤner Johannistopf<lb/>
voll Blumen vorgetragen und am Fuße des Altars nieder¬<lb/>
geſetzt. Es war eine gar liebliche Andacht. Die Maͤgdlein<lb/>
fuͤhrten einen geſunden freudigen Knaben, den ſie den Jo¬<lb/>
hannisengel nannten auf einem geſchmuͤckten Kinderwaͤgelein<lb/>
in Prozeſſion zur Kapelle. Er war ſechs Jahre alt und hieß<lb/>
Immel, weil er wie eine Imme gern uͤber die Blumen hin<lb/>ſchwebte und allen lieb war. Er hatte wie ein klein Taͤu¬<lb/>
ferlein ein Lammfell uͤber der Schulter und ein Kreuzfaͤhn¬<lb/>
lein in der Hand und war mit Blumen geſchmuͤckt. Ein<lb/>
Laͤmmchen lief ſeinem Wagen nach. Die Kinder halfen ihm<lb/>
aus dem Wagen und ließen ihn in ihrer Mitte in einem<lb/>ſchoͤnen dichten Blumenkranz niederknieen. Das Lamm lag<lb/>
neben ihm, da ſaß er drinnen wie der Sommer, der in ei¬<lb/>
nem Blumenneſt aus dem Ei geſchluͤpft iſt. Meine Geſpie¬<lb/>
linnen knieten rings um die Kinder, und hinter dieſen meh¬<lb/>
rere der Eltern. Es trat aber ploͤtzlich eine ſchlanke Frau<lb/>
zu der Kapelle heran und griff in den Weihbrunn und ſeg¬<lb/>
nete ſich und gieng auf den Johannisengel zu und beſprengte<lb/><fwplace="bottom"type="sig">19 *<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[291/0345]
fers vor dem Walde damit, auf daß ſie bei dem Gottes¬
dienſte moͤchten geſegnet werden, und ſangen ein Danklied we¬
gen der Geneſung Klaretas. Da nun meine Maͤgde kamen,
nach mir zu ſchauen, ließ ich dieſe auf der Bleiche harren
und ging auch zu der Kapelle. Die Schweſtern vergoſſen
Thraͤnenſtroͤme, ſie ſprachen wenige Worte, ſie kuͤßten alle
drei mit Ehrfurcht den Edelſtein auf meiner rechten Schul¬
ter und ſteckten drei große Wachskerzen in Geſtalt dreier Li¬
lien vor dem Bilde des Taͤufers auf. Sie mahnten mich
dadurch an das Kloſter Lilienthal, aber ich ließ mich nichts
merken, denn ehe ich durch das Johannisfeuer geſprungen
war und den Johannisengel gekuͤßt, und mein Geraͤthe wie¬
der in den Schraͤnken hatte, konnte ich das Kloſter nicht ru¬
hig bedenken. — Jakob von Guiſe hielt uns den Gottesdienſt,
meine Geſpielinnen kamen auch mit den Kinderſchaaren her¬
angezogen. Jeder Schaar wurde ein ſchoͤner Johannistopf
voll Blumen vorgetragen und am Fuße des Altars nieder¬
geſetzt. Es war eine gar liebliche Andacht. Die Maͤgdlein
fuͤhrten einen geſunden freudigen Knaben, den ſie den Jo¬
hannisengel nannten auf einem geſchmuͤckten Kinderwaͤgelein
in Prozeſſion zur Kapelle. Er war ſechs Jahre alt und hieß
Immel, weil er wie eine Imme gern uͤber die Blumen hin
ſchwebte und allen lieb war. Er hatte wie ein klein Taͤu¬
ferlein ein Lammfell uͤber der Schulter und ein Kreuzfaͤhn¬
lein in der Hand und war mit Blumen geſchmuͤckt. Ein
Laͤmmchen lief ſeinem Wagen nach. Die Kinder halfen ihm
aus dem Wagen und ließen ihn in ihrer Mitte in einem
ſchoͤnen dichten Blumenkranz niederknieen. Das Lamm lag
neben ihm, da ſaß er drinnen wie der Sommer, der in ei¬
nem Blumenneſt aus dem Ei geſchluͤpft iſt. Meine Geſpie¬
linnen knieten rings um die Kinder, und hinter dieſen meh¬
rere der Eltern. Es trat aber ploͤtzlich eine ſchlanke Frau
zu der Kapelle heran und griff in den Weihbrunn und ſeg¬
nete ſich und gieng auf den Johannisengel zu und beſprengte
19 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/345>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.