Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.Und irret auf der Heide, Mein Zeug reicht nicht zum Kleide Dem Feuer-Lämmelein. Dadrüben die Gesellen, Die schleudern tausend Ellen Roth Zeug zur Nacht hinein; Die Fackeln und Schallmeien, Sie brennen, reißen, schreien Mir tief durch Mark und Bein. Weh, Weh thut das Verschwenden, Mit Noth mußt ich vollenden Mein Tuch -- nun ists zu klein. Das Seelchen springet trunken Von Tönen, Farben, Funken, Zur rothen Lust hinein. Wenn Tön' und Farben starben, Kömmt Nacht und bittres Darben, Arm, blos, allein; allein!" Ich fragte: "was für Reden sind dies?" und sie er¬ "Es sind Lichter, Melodeien In der Nacht gar manichfalt, Doch die Fackeln und Schallmeien Ueben größere Gewalt. Feuerrothe Röselein Aus der Erde dringt der Schein, Aus der Erde springt der Wein." Ich blieb an dem Zaun stehen, bis die Hirten mit ihren Und irret auf der Heide, Mein Zeug reicht nicht zum Kleide Dem Feuer-Laͤmmelein. Dadruͤben die Geſellen, Die ſchleudern tauſend Ellen Roth Zeug zur Nacht hinein; Die Fackeln und Schallmeien, Sie brennen, reißen, ſchreien Mir tief durch Mark und Bein. Weh, Weh thut das Verſchwenden, Mit Noth mußt ich vollenden Mein Tuch — nun iſts zu klein. Das Seelchen ſpringet trunken Von Toͤnen, Farben, Funken, Zur rothen Luſt hinein. Wenn Toͤn' und Farben ſtarben, Koͤmmt Nacht und bittres Darben, Arm, blos, allein; allein!“ Ich fragte: „was fuͤr Reden ſind dies?“ und ſie er¬ „Es ſind Lichter, Melodeien In der Nacht gar manichfalt, Doch die Fackeln und Schallmeien Ueben groͤßere Gewalt. Feuerrothe Roͤſelein Aus der Erde dringt der Schein, Aus der Erde ſpringt der Wein.“ Ich blieb an dem Zaun ſtehen, bis die Hirten mit ihren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0328" n="274"/> <l>Und irret auf der Heide,</l><lb/> <l>Mein Zeug reicht nicht zum Kleide</l><lb/> <l>Dem Feuer-Laͤmmelein.</l><lb/> <l>Dadruͤben die Geſellen,</l><lb/> <l>Die ſchleudern tauſend Ellen</l><lb/> <l>Roth Zeug zur Nacht hinein;</l><lb/> <l>Die Fackeln und Schallmeien,</l><lb/> <l>Sie brennen, reißen, ſchreien</l><lb/> <l>Mir tief durch Mark und Bein.</l><lb/> <l>Weh, Weh thut das Verſchwenden,</l><lb/> <l>Mit Noth mußt ich vollenden</l><lb/> <l>Mein Tuch — nun iſts zu klein.</l><lb/> <l>Das Seelchen ſpringet trunken</l><lb/> <l>Von Toͤnen, Farben, Funken,</l><lb/> <l>Zur rothen Luſt hinein.</l><lb/> <l>Wenn Toͤn' und Farben ſtarben,</l><lb/> <l>Koͤmmt Nacht und bittres Darben,</l><lb/> <l>Arm, blos, allein; allein!“</l><lb/> </lg> <p>Ich fragte: „was fuͤr Reden ſind dies?“ und ſie er¬<lb/> wiederte:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Es ſind Lichter, Melodeien</l><lb/> <l>In der Nacht gar manichfalt,</l><lb/> <l>Doch die Fackeln und Schallmeien</l><lb/> <l>Ueben groͤßere Gewalt.</l><lb/> <l>Feuerrothe Roͤſelein</l><lb/> <l>Aus der Erde dringt der Schein,</l><lb/> <l>Aus der Erde ſpringt der Wein.“</l><lb/> </lg> <p>Ich blieb an dem Zaun ſtehen, bis die Hirten mit ihren<lb/> Kienfackeln heim in das Thor zogen, ich wartete bis auch<lb/> der letzte Schimmer verſchwunden war, dann kehrte ich zum<lb/> Feuer. Die Unweiſe war ſehr betruͤbt, ich reichte ihr die<lb/> Hand und ſagte: „ich kann nicht anders, was haſt du aber<lb/> von Tuch geſungen, das zu kurz ſey?“ — Da legte ſie<lb/> mir ein tiefroth ſchimmerndes Tuch uͤber die Schulter und<lb/> ſprach: „es iſt von mir, mehr hab ich nicht, es reicht<lb/> nicht zu!“ ich erwiederte: „die Farbe zieht mich an, groß<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [274/0328]
Und irret auf der Heide,
Mein Zeug reicht nicht zum Kleide
Dem Feuer-Laͤmmelein.
Dadruͤben die Geſellen,
Die ſchleudern tauſend Ellen
Roth Zeug zur Nacht hinein;
Die Fackeln und Schallmeien,
Sie brennen, reißen, ſchreien
Mir tief durch Mark und Bein.
Weh, Weh thut das Verſchwenden,
Mit Noth mußt ich vollenden
Mein Tuch — nun iſts zu klein.
Das Seelchen ſpringet trunken
Von Toͤnen, Farben, Funken,
Zur rothen Luſt hinein.
Wenn Toͤn' und Farben ſtarben,
Koͤmmt Nacht und bittres Darben,
Arm, blos, allein; allein!“
Ich fragte: „was fuͤr Reden ſind dies?“ und ſie er¬
wiederte:
„Es ſind Lichter, Melodeien
In der Nacht gar manichfalt,
Doch die Fackeln und Schallmeien
Ueben groͤßere Gewalt.
Feuerrothe Roͤſelein
Aus der Erde dringt der Schein,
Aus der Erde ſpringt der Wein.“
Ich blieb an dem Zaun ſtehen, bis die Hirten mit ihren
Kienfackeln heim in das Thor zogen, ich wartete bis auch
der letzte Schimmer verſchwunden war, dann kehrte ich zum
Feuer. Die Unweiſe war ſehr betruͤbt, ich reichte ihr die
Hand und ſagte: „ich kann nicht anders, was haſt du aber
von Tuch geſungen, das zu kurz ſey?“ — Da legte ſie
mir ein tiefroth ſchimmerndes Tuch uͤber die Schulter und
ſprach: „es iſt von mir, mehr hab ich nicht, es reicht
nicht zu!“ ich erwiederte: „die Farbe zieht mich an, groß
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Zitationshilfe: | Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/328>, abgerufen am 16.02.2025. |