ginnen, da gehören wir uns allein an, da wirst du eine Brut ausbrüten, die unser würdig ist." Gallina trippelte mit ei¬ nem lieblichen Lächeln gacksend den Steg hinab und setzte sich oben auf den Hühnerkorb.
Frau Hinkel nahm den Korb, worauf Gallina saß, auf ihren Kopf. In diesem Korbe hatte sie ein paar Hemden, etwas Flachs-, Hanf- und andere Sämereien, Nadel, Zwirn und Fingerhut und ein Wachsstümpfchen, ein Gebetbuch und einige schöne neue Lieder, gedruckt in diesem Jahr, und den Gräflich Hennegauschen Stammbaum und ihren Taufschein und Copulationsschein und so weiter Schein bewahrt. Dann ergriff sie ihren Rocken und sprach: "ich bin fertig."
Gockel schlüpfte mit den Armen in die Tragriemen seiner Erbhühnertrage und trug sie wie eine gothische Kirche auf dem Rücken, oben drauf saß Alektryo, ne¬ ben dran war sein Grafenschwert befestigt, und im In¬ nern befanden sich sein Stammbaum, Grafenbrief, Tauf¬ schein, Ehekontrakt, ein Buch von Geheimnissen der Hah¬ nen und Hühner und auch ein altes Geschlechts-Register, nach welchem Alektryo vom Hahn des Hiob und Gal¬ lina vom Hahn Petri abstammen sollte; es war aber theils sehr unleserlich mit Hühnerpfoten geschrieben, theils hatten es die Mäuse so durchstudiert, daß viele Löcher darin waren. Solche große Raritäten waren in der Hühnertrage. Gockel nahm nun seine Raugräfliche Standarte, die zugleich ein Hühnersteg war, als Stab in die Hand und sagte: "wohlan ich bin fertig."
Gackeleia hatte das Erbhühnernest auf dem Kopf, und weil sie auf alle Weise noch sonst etwas tragen wollte, steckte sie der Vater in einen Korb, wie man sie über die jungen Hühnchen stellt, und befestigte ihr denselben über die Schul¬ tern mit Bändern, so daß sie wie in einem lustigen Reifrock mitspazierte. In der einen Hand hielt sie ihr ABC-Buch, worauf ein Hahn abgebildet war, und in der andern einen
ginnen, da gehoͤren wir uns allein an, da wirſt du eine Brut ausbruͤten, die unſer wuͤrdig iſt.“ Gallina trippelte mit ei¬ nem lieblichen Laͤcheln gackſend den Steg hinab und ſetzte ſich oben auf den Huͤhnerkorb.
Frau Hinkel nahm den Korb, worauf Gallina ſaß, auf ihren Kopf. In dieſem Korbe hatte ſie ein paar Hemden, etwas Flachs-, Hanf- und andere Saͤmereien, Nadel, Zwirn und Fingerhut und ein Wachsſtuͤmpfchen, ein Gebetbuch und einige ſchoͤne neue Lieder, gedruckt in dieſem Jahr, und den Graͤflich Hennegauſchen Stammbaum und ihren Taufſchein und Copulationsſchein und ſo weiter Schein bewahrt. Dann ergriff ſie ihren Rocken und ſprach: „ich bin fertig.“
Gockel ſchluͤpfte mit den Armen in die Tragriemen ſeiner Erbhuͤhnertrage und trug ſie wie eine gothiſche Kirche auf dem Ruͤcken, oben drauf ſaß Alektryo, ne¬ ben dran war ſein Grafenſchwert befeſtigt, und im In¬ nern befanden ſich ſein Stammbaum, Grafenbrief, Tauf¬ ſchein, Ehekontrakt, ein Buch von Geheimniſſen der Hah¬ nen und Huͤhner und auch ein altes Geſchlechts-Regiſter, nach welchem Alektryo vom Hahn des Hiob und Gal¬ lina vom Hahn Petri abſtammen ſollte; es war aber theils ſehr unleſerlich mit Huͤhnerpfoten geſchrieben, theils hatten es die Maͤuſe ſo durchſtudiert, daß viele Loͤcher darin waren. Solche große Raritaͤten waren in der Huͤhnertrage. Gockel nahm nun ſeine Raugraͤfliche Standarte, die zugleich ein Huͤhnerſteg war, als Stab in die Hand und ſagte: „wohlan ich bin fertig.“
Gackeleia hatte das Erbhuͤhnerneſt auf dem Kopf, und weil ſie auf alle Weiſe noch ſonſt etwas tragen wollte, ſteckte ſie der Vater in einen Korb, wie man ſie uͤber die jungen Huͤhnchen ſtellt, und befeſtigte ihr denſelben uͤber die Schul¬ tern mit Baͤndern, ſo daß ſie wie in einem luſtigen Reifrock mitſpazierte. In der einen Hand hielt ſie ihr ABC-Buch, worauf ein Hahn abgebildet war, und in der andern einen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0031"n="9"/>
ginnen, da gehoͤren wir uns allein an, da wirſt du eine Brut<lb/>
ausbruͤten, die unſer wuͤrdig iſt.“ Gallina trippelte mit ei¬<lb/>
nem lieblichen Laͤcheln gackſend den Steg hinab und ſetzte<lb/>ſich oben auf den Huͤhnerkorb.</p><lb/><p>Frau Hinkel nahm den Korb, worauf Gallina ſaß, auf<lb/>
ihren Kopf. In dieſem Korbe hatte ſie ein paar Hemden,<lb/>
etwas Flachs-, Hanf- und andere Saͤmereien, Nadel, Zwirn<lb/>
und Fingerhut und ein Wachsſtuͤmpfchen, ein Gebetbuch und<lb/>
einige ſchoͤne neue Lieder, gedruckt in dieſem Jahr, und den<lb/>
Graͤflich Hennegauſchen Stammbaum und ihren Taufſchein<lb/>
und Copulationsſchein und ſo weiter Schein bewahrt. Dann<lb/>
ergriff ſie ihren Rocken und ſprach: „ich bin fertig.“</p><lb/><p>Gockel ſchluͤpfte mit den Armen in die Tragriemen<lb/>ſeiner Erbhuͤhnertrage und trug ſie wie eine gothiſche<lb/>
Kirche auf dem Ruͤcken, oben drauf ſaß Alektryo, ne¬<lb/>
ben dran war ſein Grafenſchwert befeſtigt, und im In¬<lb/>
nern befanden ſich ſein Stammbaum, Grafenbrief, Tauf¬<lb/>ſchein, Ehekontrakt, ein Buch von Geheimniſſen der Hah¬<lb/>
nen und Huͤhner und auch ein altes Geſchlechts-Regiſter,<lb/>
nach welchem Alektryo vom Hahn des Hiob und Gal¬<lb/>
lina vom Hahn Petri abſtammen ſollte; es war aber<lb/>
theils ſehr unleſerlich mit Huͤhnerpfoten geſchrieben, theils<lb/>
hatten es die Maͤuſe ſo durchſtudiert, daß viele Loͤcher darin<lb/>
waren. Solche große Raritaͤten waren in der Huͤhnertrage.<lb/>
Gockel nahm nun ſeine Raugraͤfliche Standarte, die zugleich<lb/>
ein Huͤhnerſteg war, als Stab in die Hand und ſagte:<lb/>„wohlan ich bin fertig.“</p><lb/><p>Gackeleia hatte das Erbhuͤhnerneſt auf dem Kopf, und<lb/>
weil ſie auf alle Weiſe noch ſonſt etwas tragen wollte, ſteckte<lb/>ſie der Vater in einen Korb, wie man ſie uͤber die jungen<lb/>
Huͤhnchen ſtellt, und befeſtigte ihr denſelben uͤber die Schul¬<lb/>
tern mit Baͤndern, ſo daß ſie wie in einem luſtigen Reifrock<lb/>
mitſpazierte. In der einen Hand hielt ſie ihr ABC-Buch,<lb/>
worauf ein Hahn abgebildet war, und in der andern einen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[9/0031]
ginnen, da gehoͤren wir uns allein an, da wirſt du eine Brut
ausbruͤten, die unſer wuͤrdig iſt.“ Gallina trippelte mit ei¬
nem lieblichen Laͤcheln gackſend den Steg hinab und ſetzte
ſich oben auf den Huͤhnerkorb.
Frau Hinkel nahm den Korb, worauf Gallina ſaß, auf
ihren Kopf. In dieſem Korbe hatte ſie ein paar Hemden,
etwas Flachs-, Hanf- und andere Saͤmereien, Nadel, Zwirn
und Fingerhut und ein Wachsſtuͤmpfchen, ein Gebetbuch und
einige ſchoͤne neue Lieder, gedruckt in dieſem Jahr, und den
Graͤflich Hennegauſchen Stammbaum und ihren Taufſchein
und Copulationsſchein und ſo weiter Schein bewahrt. Dann
ergriff ſie ihren Rocken und ſprach: „ich bin fertig.“
Gockel ſchluͤpfte mit den Armen in die Tragriemen
ſeiner Erbhuͤhnertrage und trug ſie wie eine gothiſche
Kirche auf dem Ruͤcken, oben drauf ſaß Alektryo, ne¬
ben dran war ſein Grafenſchwert befeſtigt, und im In¬
nern befanden ſich ſein Stammbaum, Grafenbrief, Tauf¬
ſchein, Ehekontrakt, ein Buch von Geheimniſſen der Hah¬
nen und Huͤhner und auch ein altes Geſchlechts-Regiſter,
nach welchem Alektryo vom Hahn des Hiob und Gal¬
lina vom Hahn Petri abſtammen ſollte; es war aber
theils ſehr unleſerlich mit Huͤhnerpfoten geſchrieben, theils
hatten es die Maͤuſe ſo durchſtudiert, daß viele Loͤcher darin
waren. Solche große Raritaͤten waren in der Huͤhnertrage.
Gockel nahm nun ſeine Raugraͤfliche Standarte, die zugleich
ein Huͤhnerſteg war, als Stab in die Hand und ſagte:
„wohlan ich bin fertig.“
Gackeleia hatte das Erbhuͤhnerneſt auf dem Kopf, und
weil ſie auf alle Weiſe noch ſonſt etwas tragen wollte, ſteckte
ſie der Vater in einen Korb, wie man ſie uͤber die jungen
Huͤhnchen ſtellt, und befeſtigte ihr denſelben uͤber die Schul¬
tern mit Baͤndern, ſo daß ſie wie in einem luſtigen Reifrock
mitſpazierte. In der einen Hand hielt ſie ihr ABC-Buch,
worauf ein Hahn abgebildet war, und in der andern einen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/31>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.