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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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Kindes von Hennegau, und nahm zugleich das große Buch
aus dem Sarg und gab es dem Vater. -- Gockel blätterte
ein wenig darin und sagte: "es ist kurios geschrieben von
beiden Seiten nach der Mitte zu. Von einer Seite enthält
es die Rechnungen der Grafschaft Vadutz, von der andern
ein Tagebuch. -- Potz tausend! was stehen da für Lehen
und Zinsen darin, aber -- aber irren ist menschlich, das
Kind hat sich auch da einmal verrechnet. Hier auf diesem
Blatt bei der Almosen-Rechnung hatte sie subtrahiren sol¬
len, 1 von 100 bleibt 99, aber sie hat statt dessen gesagt, 1
von 100 kann ich nicht, 1 von 10 bleibt 9 und 9 von 9 geht
auf, -- das kann ja unmöglich eintreffen, aber aufgegangen
ist's doch, wie Saat im Garten der Armen. -- In der Ortho¬
graphie war sie auch nicht ganz fest, hier in der täglichen Haus¬
haltungsrechnung steht immer, eine Maß Michl, ein Schop¬
pen Michl, immer Michl statt Milch; aber halt, da kommt
Etwas, das muß jetzt verlesen werden, lies Gackeleia!" --
und er gab ihr das Buch und sie las:

Gräflich Hennegauische Hühner- und
Menschensatzungen.

Zu der Sache ewiger Gedächniß. Wir von Gottes Gna¬
den Gräfin Amey, Urhinkel von Hennegau, allererste Lehnshul¬
din des Ländchens Vadutz, armes Kind von Hennegau und des
Ordens der freudigen frommen Kinder Stifterin, erklären in
hoher Pünktlichkeit, Komma cum Pünktlichkeit und Duo¬
pünklichkeit. -- Als wir, der abgründlichen Untiefe übertrie¬
bener Beschaulichkeit zu begegnen, unsern Orden errichteten,
haben wir unsern Namensverwandten und ersten Ordensge¬
spielinnen bei verschiedenen Veranlassungen, welche in den
Tagebüchern des Jahres 1318 aufgeschrieben sind, mancher¬
lei Gnaden und Rechte für sich und ihre weiblichen Nachkom¬
men verliehen, wogegen dem Brautzug und Leichenzug jeder
Gräfin von Hennegau eine Nachkommin dieser Gespielinnen

Kindes von Hennegau, und nahm zugleich das große Buch
aus dem Sarg und gab es dem Vater. — Gockel blaͤtterte
ein wenig darin und ſagte: „es iſt kurios geſchrieben von
beiden Seiten nach der Mitte zu. Von einer Seite enthaͤlt
es die Rechnungen der Grafſchaft Vadutz, von der andern
ein Tagebuch. — Potz tauſend! was ſtehen da fuͤr Lehen
und Zinſen darin, aber — aber irren iſt menſchlich, das
Kind hat ſich auch da einmal verrechnet. Hier auf dieſem
Blatt bei der Almoſen-Rechnung hatte ſie ſubtrahiren ſol¬
len, 1 von 100 bleibt 99, aber ſie hat ſtatt deſſen geſagt, 1
von 100 kann ich nicht, 1 von 10 bleibt 9 und 9 von 9 geht
auf, — das kann ja unmoͤglich eintreffen, aber aufgegangen
iſt's doch, wie Saat im Garten der Armen. — In der Ortho¬
graphie war ſie auch nicht ganz feſt, hier in der taͤglichen Haus¬
haltungsrechnung ſteht immer, eine Maß Michl, ein Schop¬
pen Michl, immer Michl ſtatt Milch; aber halt, da kommt
Etwas, das muß jetzt verleſen werden, lies Gackeleia!“ —
und er gab ihr das Buch und ſie las:

Graͤflich Hennegauiſche Huͤhner- und
Menſchenſatzungen.

Zu der Sache ewiger Gedaͤchniß. Wir von Gottes Gna¬
den Graͤfin Amey, Urhinkel von Hennegau, allererſte Lehnshul¬
din des Laͤndchens Vadutz, armes Kind von Hennegau und des
Ordens der freudigen frommen Kinder Stifterin, erklaͤren in
hoher Puͤnktlichkeit, Komma cum Puͤnktlichkeit und Duo¬
puͤnklichkeit. — Als wir, der abgruͤndlichen Untiefe uͤbertrie¬
bener Beſchaulichkeit zu begegnen, unſern Orden errichteten,
haben wir unſern Namensverwandten und erſten Ordensge¬
ſpielinnen bei verſchiedenen Veranlaſſungen, welche in den
Tagebuͤchern des Jahres 1318 aufgeſchrieben ſind, mancher¬
lei Gnaden und Rechte fuͤr ſich und ihre weiblichen Nachkom¬
men verliehen, wogegen dem Brautzug und Leichenzug jeder
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[207/0259] Kindes von Hennegau, und nahm zugleich das große Buch aus dem Sarg und gab es dem Vater. — Gockel blaͤtterte ein wenig darin und ſagte: „es iſt kurios geſchrieben von beiden Seiten nach der Mitte zu. Von einer Seite enthaͤlt es die Rechnungen der Grafſchaft Vadutz, von der andern ein Tagebuch. — Potz tauſend! was ſtehen da fuͤr Lehen und Zinſen darin, aber — aber irren iſt menſchlich, das Kind hat ſich auch da einmal verrechnet. Hier auf dieſem Blatt bei der Almoſen-Rechnung hatte ſie ſubtrahiren ſol¬ len, 1 von 100 bleibt 99, aber ſie hat ſtatt deſſen geſagt, 1 von 100 kann ich nicht, 1 von 10 bleibt 9 und 9 von 9 geht auf, — das kann ja unmoͤglich eintreffen, aber aufgegangen iſt's doch, wie Saat im Garten der Armen. — In der Ortho¬ graphie war ſie auch nicht ganz feſt, hier in der taͤglichen Haus¬ haltungsrechnung ſteht immer, eine Maß Michl, ein Schop¬ pen Michl, immer Michl ſtatt Milch; aber halt, da kommt Etwas, das muß jetzt verleſen werden, lies Gackeleia!“ — und er gab ihr das Buch und ſie las: Graͤflich Hennegauiſche Huͤhner- und Menſchenſatzungen. Zu der Sache ewiger Gedaͤchniß. Wir von Gottes Gna¬ den Graͤfin Amey, Urhinkel von Hennegau, allererſte Lehnshul¬ din des Laͤndchens Vadutz, armes Kind von Hennegau und des Ordens der freudigen frommen Kinder Stifterin, erklaͤren in hoher Puͤnktlichkeit, Komma cum Puͤnktlichkeit und Duo¬ puͤnklichkeit. — Als wir, der abgruͤndlichen Untiefe uͤbertrie¬ bener Beſchaulichkeit zu begegnen, unſern Orden errichteten, haben wir unſern Namensverwandten und erſten Ordensge¬ ſpielinnen bei verſchiedenen Veranlaſſungen, welche in den Tagebuͤchern des Jahres 1318 aufgeſchrieben ſind, mancher¬ lei Gnaden und Rechte fuͤr ſich und ihre weiblichen Nachkom¬ men verliehen, wogegen dem Brautzug und Leichenzug jeder Graͤfin von Hennegau eine Nachkommin dieſer Geſpielinnen

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/259>, abgerufen am 23.11.2024.