rauf eingegraben ist. Vadutz mit seinen Felsenschlößern ist ein Frauenlehn und gehört allen erstgebornen Gräfinnen von Hennegau, die mit diesen Spangen auch alle Rechte einer Lehnshuldinn von Vadutz empfangen. Es ist eine alte ge¬ heimnißvolle Sage mit diesen Steinen verbunden; es heißt, die wahren, heiligen Gnaden-Kleinode, habe schon Rebecka auf ihren Schultern getragen, sie seyen wunderthätig, die Ahnfrau habe sie mit ins Grab genommen, um ihre Nach¬ kommen vor Gefahren zu hüten, und jene, welche diese trü¬ gen, seyen gewöhnliche Edelsteine; das mag wohl auch so seyn, denn Mutter Hinkel trug diese Kleinode auch, seit sie Gräfin von Vadutz ward, aber ich habe sie dadurch nie Wunder wirken sehen. Jedoch sind die Kleinode, wodurch die Gräfin Amey ihre Tochter zur Gräfin von Vadutz weihte und welche nun bis auf deine Schultern gekommen sind, an die ächten Edelsteine angerührt worden und mögen so einen Strahl ihres Segens empfangen haben. Die ächten heiligen Lehns-Kleinode aber sehen wir hier auf den Spangen der lieben Ahnfrau, und in dem großen Buche, welches hier neben ihr im Sarge liegt, steht von dem Geheimniß dieser Steine, wir wollen es heute nach der Hochzeitsmahlzeit lesen, jetzt aber sollt ihr mit der Nachricht Vorlieb nehmen, wie diese Klei¬ nodien und das Ländchen Vadutz an die Gräfinnen von Hen¬ negau gekommen sind. -- Der Vater der lieben Ahnfrau trug diese Kleinode selbst, er war ein Erb-Graf von Vadutz, vermählte sich aber mit einer Gräfin von Hennegau, zog mit den Kleinoden nach Hennegau und nahm dessen Namen an. Er sehnte sich lange nach einem Töchterlein; als nun seine Gemahlin die liebe Amey gebohren, war es gerade Neujahrstag, der Graf von Hennegau war in der Schlo߬ kapelle und im Augenblick als man sang:
"Uns ist geboren ein Kindelein, Sein Reich lehnt auf den Schultern sein."
kam ein Edelknab gelaufen, er solle geschwind zu der Frau
rauf eingegraben iſt. Vadutz mit ſeinen Felſenſchloͤßern iſt ein Frauenlehn und gehoͤrt allen erſtgebornen Graͤfinnen von Hennegau, die mit dieſen Spangen auch alle Rechte einer Lehnshuldinn von Vadutz empfangen. Es iſt eine alte ge¬ heimnißvolle Sage mit dieſen Steinen verbunden; es heißt, die wahren, heiligen Gnaden-Kleinode, habe ſchon Rebecka auf ihren Schultern getragen, ſie ſeyen wunderthaͤtig, die Ahnfrau habe ſie mit ins Grab genommen, um ihre Nach¬ kommen vor Gefahren zu huͤten, und jene, welche dieſe truͤ¬ gen, ſeyen gewoͤhnliche Edelſteine; das mag wohl auch ſo ſeyn, denn Mutter Hinkel trug dieſe Kleinode auch, ſeit ſie Graͤfin von Vadutz ward, aber ich habe ſie dadurch nie Wunder wirken ſehen. Jedoch ſind die Kleinode, wodurch die Graͤfin Amey ihre Tochter zur Graͤfin von Vadutz weihte und welche nun bis auf deine Schultern gekommen ſind, an die aͤchten Edelſteine angeruͤhrt worden und moͤgen ſo einen Strahl ihres Segens empfangen haben. Die aͤchten heiligen Lehns-Kleinode aber ſehen wir hier auf den Spangen der lieben Ahnfrau, und in dem großen Buche, welches hier neben ihr im Sarge liegt, ſteht von dem Geheimniß dieſer Steine, wir wollen es heute nach der Hochzeitsmahlzeit leſen, jetzt aber ſollt ihr mit der Nachricht Vorlieb nehmen, wie dieſe Klei¬ nodien und das Laͤndchen Vadutz an die Graͤfinnen von Hen¬ negau gekommen ſind. — Der Vater der lieben Ahnfrau trug dieſe Kleinode ſelbſt, er war ein Erb-Graf von Vadutz, vermaͤhlte ſich aber mit einer Graͤfin von Hennegau, zog mit den Kleinoden nach Hennegau und nahm deſſen Namen an. Er ſehnte ſich lange nach einem Toͤchterlein; als nun ſeine Gemahlin die liebe Amey gebohren, war es gerade Neujahrstag, der Graf von Hennegau war in der Schlo߬ kapelle und im Augenblick als man ſang:
„Uns iſt geboren ein Kindelein, Sein Reich lehnt auf den Schultern ſein.“
kam ein Edelknab gelaufen, er ſolle geſchwind zu der Frau
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rauf eingegraben iſt. Vadutz mit ſeinen Felſenſchloͤßern iſt
ein Frauenlehn und gehoͤrt allen erſtgebornen Graͤfinnen von
Hennegau, die mit dieſen Spangen auch alle Rechte einer
Lehnshuldinn von Vadutz empfangen. Es iſt eine alte ge¬
heimnißvolle Sage mit dieſen Steinen verbunden; es heißt,
die wahren, heiligen Gnaden-Kleinode, habe ſchon Rebecka
auf ihren Schultern getragen, ſie ſeyen wunderthaͤtig, die
Ahnfrau habe ſie mit ins Grab genommen, um ihre Nach¬
kommen vor Gefahren zu huͤten, und jene, welche dieſe truͤ¬
gen, ſeyen gewoͤhnliche Edelſteine; das mag wohl auch ſo
ſeyn, denn Mutter Hinkel trug dieſe Kleinode auch, ſeit ſie
Graͤfin von Vadutz ward, aber ich habe ſie dadurch nie
Wunder wirken ſehen. Jedoch ſind die Kleinode, wodurch
die Graͤfin Amey ihre Tochter zur Graͤfin von Vadutz weihte
und welche nun bis auf deine Schultern gekommen ſind, an
die aͤchten Edelſteine angeruͤhrt worden und moͤgen ſo einen
Strahl ihres Segens empfangen haben. Die aͤchten heiligen
Lehns-Kleinode aber ſehen wir hier auf den Spangen der
lieben Ahnfrau, und in dem großen Buche, welches hier neben
ihr im Sarge liegt, ſteht von dem Geheimniß dieſer Steine,
wir wollen es heute nach der Hochzeitsmahlzeit leſen, jetzt aber
ſollt ihr mit der Nachricht Vorlieb nehmen, wie dieſe Klei¬
nodien und das Laͤndchen Vadutz an die Graͤfinnen von Hen¬
negau gekommen ſind. — Der Vater der lieben Ahnfrau trug
dieſe Kleinode ſelbſt, er war ein Erb-Graf von Vadutz,
vermaͤhlte ſich aber mit einer Graͤfin von Hennegau, zog
mit den Kleinoden nach Hennegau und nahm deſſen Namen
an. Er ſehnte ſich lange nach einem Toͤchterlein; als nun
ſeine Gemahlin die liebe Amey gebohren, war es gerade
Neujahrstag, der Graf von Hennegau war in der Schlo߬
kapelle und im Augenblick als man ſang:
„Uns iſt geboren ein Kindelein,
Sein Reich lehnt auf den Schultern ſein.“
kam ein Edelknab gelaufen, er ſolle geſchwind zu der Frau
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/255>, abgerufen am 23.11.2024.
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