Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.Frau Mutter Eilegia, das Zeitliche gesegnet hätten und mit Tod Indessen spielte und sang der Organist die schöne Arie: "Zum Verlöbniß hier sich melden Die Hochachtbar Wohlbestellten, Majestät Kronovus, König Von Gelnhausen, oberthänig, Mit der zarten Raugräfinn Gackeleia, unterthänig, Grafen Gockels Gau-Erbinn, Wend't Niemand was dawider ein, So sollen sie verlobet seyn!" Kein Piepswörtchen von einer Einwendung ließ sich hören, "Ich Urgockelio sag: Nein!" Alles schaute das Bild des Urgockels an, Kronovus aberzog grimmig seinen Degen und schrie gegen den Grabstein: "Wer wagt's und spricht ein Wort darein?" Urgockel aber schlug mit der Ruthe auf das steinerne Abc¬buch, daß es rasselte und sprach, die Augen wie ein erzürnter Schulmeister rollend: "Gleich steck' mir ein den Flederwisch,
Sonst ich dich bei dem Fell erwisch' Und lasse dir die Kunstfigur Von Birkenreis recht tüchtig schmecken; Kennst du sie nicht? die Braut frag' nur, Sie wird dir, wie sie schmeckt, entdecken!" Frau Mutter Eilegia, das Zeitliche geſegnet haͤtten und mit Tod Indeſſen ſpielte und ſang der Organiſt die ſchoͤne Arie: „Zum Verloͤbniß hier ſich melden Die Hochachtbar Wohlbeſtellten, Majeſtaͤt Kronovus, Koͤnig Von Gelnhauſen, oberthaͤnig, Mit der zarten Raugraͤfinn Gackeleia, unterthaͤnig, Grafen Gockels Gau-Erbinn, Wend't Niemand was dawider ein, So ſollen ſie verlobet ſeyn!“ Kein Piepswoͤrtchen von einer Einwendung ließ ſich hoͤren, „Ich Urgockelio ſag: Nein!“ Alles ſchaute das Bild des Urgockels an, Kronovus aberzog grimmig ſeinen Degen und ſchrie gegen den Grabſtein: „Wer wagt's und ſpricht ein Wort darein?“ Urgockel aber ſchlug mit der Ruthe auf das ſteinerne Abc¬buch, daß es raſſelte und ſprach, die Augen wie ein erzuͤrnter Schulmeiſter rollend: „Gleich ſteck' mir ein den Flederwiſch,
Sonſt ich dich bei dem Fell erwiſch' Und laſſe dir die Kunſtfigur Von Birkenreis recht tuͤchtig ſchmecken; Kennſt du ſie nicht? die Braut frag' nur, Sie wird dir, wie ſie ſchmeckt, entdecken!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0235" n="185"/> Frau Mutter Eilegia, das Zeitliche geſegnet haͤtten und mit Tod<lb/> abgegaugen ſeyen, erklaͤre er ihnen, daß, ſo ſie ihm die<lb/> Hand ihrer Tochter Gackeleia geben wollten, er ſie zu ſeiner<lb/> Koͤnigin von Gelnhauſen zu machen Willens ſey. Da alle<lb/> Theile zufrieden waren, fuͤhrten die Eltern das junge Paar<lb/> zu dem blumengeſchmuͤckten Altar.</p><lb/> <p>Indeſſen ſpielte und ſang der Organiſt die ſchoͤne Arie:<lb/> „Schoͤnſtes Hirſchlein uͤber die Maßen, hoͤrſt du nicht den<lb/> Jaͤger blaſen?“ Alektryo aber ſchrie dreimal hinter einander<lb/> von der Kanzel:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Zum Verloͤbniß hier ſich melden</l><lb/> <l>Die Hochachtbar Wohlbeſtellten,</l><lb/> <l>Majeſtaͤt Kronovus, Koͤnig</l><lb/> <l>Von Gelnhauſen, oberthaͤnig,</l><lb/> <l>Mit der zarten Raugraͤfinn</l><lb/> <l>Gackeleia, unterthaͤnig,</l><lb/> <l>Grafen Gockels Gau-Erbinn,</l><lb/> <l>Wend't Niemand was dawider ein,</l><lb/> <l>So ſollen ſie verlobet ſeyn!“</l><lb/> </lg> <p>Kein Piepswoͤrtchen von einer Einwendung ließ ſich hoͤren,<lb/> als er aber zum drittenmal fragte: „wer wendet was dawi¬<lb/> der ein?“ erſchallte eine dumpfe Stimme, die alle erſchreckte:<lb/><lg type="poem"><l>„Ich Urgockelio ſag: Nein!“</l></lg><lb/> Alles ſchaute das Bild des Urgockels an, Kronovus aber<lb/> zog grimmig ſeinen Degen und ſchrie gegen den Grabſtein:<lb/><lg type="poem"><l>„Wer wagt's und ſpricht ein Wort darein?“</l></lg><lb/> Urgockel aber ſchlug mit der Ruthe auf das ſteinerne Abc¬<lb/> buch, daß es raſſelte und ſprach, die Augen wie ein erzuͤrnter<lb/> Schulmeiſter rollend:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Gleich ſteck' mir ein den Flederwiſch,</l><lb/> <l>Sonſt ich dich bei dem Fell erwiſch'</l><lb/> <l>Und laſſe dir die Kunſtfigur</l><lb/> <l>Von Birkenreis recht tuͤchtig ſchmecken;</l><lb/> <l>Kennſt du ſie nicht? die Braut frag' nur,</l><lb/> <l>Sie wird dir, wie ſie ſchmeckt, entdecken!“</l><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [185/0235]
Frau Mutter Eilegia, das Zeitliche geſegnet haͤtten und mit Tod
abgegaugen ſeyen, erklaͤre er ihnen, daß, ſo ſie ihm die
Hand ihrer Tochter Gackeleia geben wollten, er ſie zu ſeiner
Koͤnigin von Gelnhauſen zu machen Willens ſey. Da alle
Theile zufrieden waren, fuͤhrten die Eltern das junge Paar
zu dem blumengeſchmuͤckten Altar.
Indeſſen ſpielte und ſang der Organiſt die ſchoͤne Arie:
„Schoͤnſtes Hirſchlein uͤber die Maßen, hoͤrſt du nicht den
Jaͤger blaſen?“ Alektryo aber ſchrie dreimal hinter einander
von der Kanzel:
„Zum Verloͤbniß hier ſich melden
Die Hochachtbar Wohlbeſtellten,
Majeſtaͤt Kronovus, Koͤnig
Von Gelnhauſen, oberthaͤnig,
Mit der zarten Raugraͤfinn
Gackeleia, unterthaͤnig,
Grafen Gockels Gau-Erbinn,
Wend't Niemand was dawider ein,
So ſollen ſie verlobet ſeyn!“
Kein Piepswoͤrtchen von einer Einwendung ließ ſich hoͤren,
als er aber zum drittenmal fragte: „wer wendet was dawi¬
der ein?“ erſchallte eine dumpfe Stimme, die alle erſchreckte:
„Ich Urgockelio ſag: Nein!“
Alles ſchaute das Bild des Urgockels an, Kronovus aber
zog grimmig ſeinen Degen und ſchrie gegen den Grabſtein:
„Wer wagt's und ſpricht ein Wort darein?“
Urgockel aber ſchlug mit der Ruthe auf das ſteinerne Abc¬
buch, daß es raſſelte und ſprach, die Augen wie ein erzuͤrnter
Schulmeiſter rollend:
„Gleich ſteck' mir ein den Flederwiſch,
Sonſt ich dich bei dem Fell erwiſch'
Und laſſe dir die Kunſtfigur
Von Birkenreis recht tuͤchtig ſchmecken;
Kennſt du ſie nicht? die Braut frag' nur,
Sie wird dir, wie ſie ſchmeckt, entdecken!“
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Zitationshilfe: | Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/235>, abgerufen am 21.07.2024. |