kann nur Zeitliches, Natürliches, Künstliches, Weltliches, aber nichts Ewiges und Geistliches geben.
Als sie Alles mit Freuden betrachtet hatten, wurden sie durch den Anblick des Hahns auf dem Grabmal des Urgo¬ ckels recht lebhaft an den guten Alektryo erinnert. Sie dach¬ ten an das Halsgericht, das Gockel hier gehalten. Frau Hinkel und Gackeleia schlugen die Augen nieder; da spielte auf einmal der Organist eine sehr rührende Arie: "Wie sie so sanft ruhn." Es war ein gar feierlicher Moment. --
"Ach der edle Alektryo!" seufzte Gockel, "ich kanns nicht aushalten," schluchzte Frau Hinkel, "ach wäre er nur wieder da!" -- "Ei," dachte Gackeleia, "dazu kann ich helfen" und drehte ganz still an ihrem Ring:
"Salomo du weiser König, Dem die Geister unterthänig, Mache meine Eltern froh Durch den Hahn Alektryo; Ringlein! Ringlein! dreh' dich um, Mach geschwind, ich bitt' dich drum."
Da hob sich ein Wölkchen auf der Stelle aus dem Bo¬ den, wo die Gebeine Alektryo's verbrannt worden waren, und wirbelte und ballte sich zusammen und ward wie ein Hahn und der Uralektryo auf dem Grabmal rührte sich, streckte den Hals, schlug mit den Flügeln und krähte durch¬ dringend, und es fuhr wie ein Feuerstrahl aus seiner Kehle sichelförmig zu der kleinen Wolke nieder, die im Augenblick der alte kräftige Alektryo ward, auf Gockels Schulter flog, mit den Flügeln schlug und mit ritterlichem Krähen dem steinernen Hahn antwortete, worauf draußen in dem Hüh¬ nerhof alle Hahnen antworteten; es gieng wie ein Zurufen der Schildwachen von Hahn zu Hahn das Krähen umher.
Aller Freude über Alektryo war sehr groß, er selbst aber war tiefsinnig und nachdenklich, er meditirte. Da nun von allen Seiten die Hühner und Hahnen in die Kapelle hinein
kann nur Zeitliches, Natuͤrliches, Kuͤnſtliches, Weltliches, aber nichts Ewiges und Geiſtliches geben.
Als ſie Alles mit Freuden betrachtet hatten, wurden ſie durch den Anblick des Hahns auf dem Grabmal des Urgo¬ ckels recht lebhaft an den guten Alektryo erinnert. Sie dach¬ ten an das Halsgericht, das Gockel hier gehalten. Frau Hinkel und Gackeleia ſchlugen die Augen nieder; da ſpielte auf einmal der Organiſt eine ſehr ruͤhrende Arie: „Wie ſie ſo ſanft ruhn.“ Es war ein gar feierlicher Moment. —
„Ach der edle Alektryo!“ ſeufzte Gockel, „ich kanns nicht aushalten,“ ſchluchzte Frau Hinkel, „ach waͤre er nur wieder da!“ — „Ei,“ dachte Gackeleia, „dazu kann ich helfen“ und drehte ganz ſtill an ihrem Ring:
„Salomo du weiſer Koͤnig, Dem die Geiſter unterthaͤnig, Mache meine Eltern froh Durch den Hahn Alektryo; Ringlein! Ringlein! dreh' dich um, Mach geſchwind, ich bitt' dich drum.“
Da hob ſich ein Woͤlkchen auf der Stelle aus dem Bo¬ den, wo die Gebeine Alektryo's verbrannt worden waren, und wirbelte und ballte ſich zuſammen und ward wie ein Hahn und der Uralektryo auf dem Grabmal ruͤhrte ſich, ſtreckte den Hals, ſchlug mit den Fluͤgeln und kraͤhte durch¬ dringend, und es fuhr wie ein Feuerſtrahl aus ſeiner Kehle ſichelfoͤrmig zu der kleinen Wolke nieder, die im Augenblick der alte kraͤftige Alektryo ward, auf Gockels Schulter flog, mit den Fluͤgeln ſchlug und mit ritterlichem Kraͤhen dem ſteinernen Hahn antwortete, worauf draußen in dem Huͤh¬ nerhof alle Hahnen antworteten; es gieng wie ein Zurufen der Schildwachen von Hahn zu Hahn das Kraͤhen umher.
Aller Freude uͤber Alektryo war ſehr groß, er ſelbſt aber war tiefſinnig und nachdenklich, er meditirte. Da nun von allen Seiten die Huͤhner und Hahnen in die Kapelle hinein
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0233"n="183"/>
kann nur Zeitliches, Natuͤrliches, Kuͤnſtliches, Weltliches,<lb/>
aber nichts Ewiges und Geiſtliches geben.</p><lb/><p>Als ſie Alles mit Freuden betrachtet hatten, wurden ſie<lb/>
durch den Anblick des Hahns auf dem Grabmal des Urgo¬<lb/>
ckels recht lebhaft an den guten Alektryo erinnert. Sie dach¬<lb/>
ten an das Halsgericht, das Gockel hier gehalten. Frau<lb/>
Hinkel und Gackeleia ſchlugen die Augen nieder; da ſpielte<lb/>
auf einmal der Organiſt eine ſehr ruͤhrende Arie: „Wie ſie<lb/>ſo ſanft ruhn.“ Es war ein gar feierlicher Moment. —</p><lb/><p>„Ach der edle Alektryo!“ſeufzte Gockel, „ich kanns<lb/>
nicht aushalten,“ſchluchzte Frau Hinkel, „ach waͤre er nur<lb/>
wieder da!“—„Ei,“ dachte Gackeleia, „dazu kann ich<lb/>
helfen“ und drehte ganz ſtill an ihrem Ring:</p><lb/><lgtype="poem"><l>„Salomo du weiſer Koͤnig,</l><lb/><l>Dem die Geiſter unterthaͤnig,</l><lb/><l>Mache meine Eltern froh</l><lb/><l>Durch den Hahn Alektryo;</l><lb/><l>Ringlein! Ringlein! dreh' dich um,</l><lb/><l>Mach geſchwind, ich bitt' dich drum.“</l><lb/></lg><p>Da hob ſich ein Woͤlkchen auf der Stelle aus dem Bo¬<lb/>
den, wo die Gebeine Alektryo's verbrannt worden waren,<lb/>
und wirbelte und ballte ſich zuſammen und ward wie ein<lb/>
Hahn und der Uralektryo auf dem Grabmal ruͤhrte ſich,<lb/>ſtreckte den Hals, ſchlug mit den Fluͤgeln und kraͤhte durch¬<lb/>
dringend, und es fuhr wie ein Feuerſtrahl aus ſeiner Kehle<lb/>ſichelfoͤrmig zu der kleinen Wolke nieder, die im Augenblick<lb/>
der alte kraͤftige Alektryo ward, auf Gockels Schulter flog,<lb/>
mit den Fluͤgeln ſchlug und mit ritterlichem Kraͤhen dem<lb/>ſteinernen Hahn antwortete, worauf draußen in dem Huͤh¬<lb/>
nerhof alle Hahnen antworteten; es gieng wie ein Zurufen<lb/>
der Schildwachen von Hahn zu Hahn das Kraͤhen umher.</p><lb/><p>Aller Freude uͤber Alektryo war ſehr groß, er ſelbſt aber<lb/>
war tiefſinnig und nachdenklich, er meditirte. Da nun von<lb/>
allen Seiten die Huͤhner und Hahnen in die Kapelle hinein<lb/></p></div></body></text></TEI>
[183/0233]
kann nur Zeitliches, Natuͤrliches, Kuͤnſtliches, Weltliches,
aber nichts Ewiges und Geiſtliches geben.
Als ſie Alles mit Freuden betrachtet hatten, wurden ſie
durch den Anblick des Hahns auf dem Grabmal des Urgo¬
ckels recht lebhaft an den guten Alektryo erinnert. Sie dach¬
ten an das Halsgericht, das Gockel hier gehalten. Frau
Hinkel und Gackeleia ſchlugen die Augen nieder; da ſpielte
auf einmal der Organiſt eine ſehr ruͤhrende Arie: „Wie ſie
ſo ſanft ruhn.“ Es war ein gar feierlicher Moment. —
„Ach der edle Alektryo!“ ſeufzte Gockel, „ich kanns
nicht aushalten,“ ſchluchzte Frau Hinkel, „ach waͤre er nur
wieder da!“ — „Ei,“ dachte Gackeleia, „dazu kann ich
helfen“ und drehte ganz ſtill an ihrem Ring:
„Salomo du weiſer Koͤnig,
Dem die Geiſter unterthaͤnig,
Mache meine Eltern froh
Durch den Hahn Alektryo;
Ringlein! Ringlein! dreh' dich um,
Mach geſchwind, ich bitt' dich drum.“
Da hob ſich ein Woͤlkchen auf der Stelle aus dem Bo¬
den, wo die Gebeine Alektryo's verbrannt worden waren,
und wirbelte und ballte ſich zuſammen und ward wie ein
Hahn und der Uralektryo auf dem Grabmal ruͤhrte ſich,
ſtreckte den Hals, ſchlug mit den Fluͤgeln und kraͤhte durch¬
dringend, und es fuhr wie ein Feuerſtrahl aus ſeiner Kehle
ſichelfoͤrmig zu der kleinen Wolke nieder, die im Augenblick
der alte kraͤftige Alektryo ward, auf Gockels Schulter flog,
mit den Fluͤgeln ſchlug und mit ritterlichem Kraͤhen dem
ſteinernen Hahn antwortete, worauf draußen in dem Huͤh¬
nerhof alle Hahnen antworteten; es gieng wie ein Zurufen
der Schildwachen von Hahn zu Hahn das Kraͤhen umher.
Aller Freude uͤber Alektryo war ſehr groß, er ſelbſt aber
war tiefſinnig und nachdenklich, er meditirte. Da nun von
allen Seiten die Huͤhner und Hahnen in die Kapelle hinein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/233>, abgerufen am 21.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.