Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

seine Gesellen endlich so sauber angeführt. "Gott sey Dank,"
sagte er, "nun kann unser eins doch einmal ruhig ausschla¬
fen, ohne die Gefahr, daß der andre ihm den Tod wünscht."
Nach diesen Worten schaute er sich lachend im Spiegel an
und hängte seinen Federhut auf die Spitze einer wunderba¬
ren Kaktuspflanze, die an der Wand blühte. Der Ankaufs¬
preis stand auf dem Topf. Die Perücken und Hüte der zwei
andern lagen noch an der Erde, wie auch ihre Stühle. Nun
lehnte er sich breit in seinen Prachtstuhl, stellte die Füße
auf einen Schemel und sprach: "reich zum zahlen, klug
zum prahlen, schön zum malen -- was fehlt mir noch, ich
will berühmt werden -- da fällt mir was ein -- ich will
den Namen Pictus, Salzgraf von Orbis annehmen, und
will einen neuen Orbis Pictus herausgeben, da sollen alle
unbefriedigten Wünsche der Welt nach dem ABC darin abge¬
malt werden, und ich will sie mir alle mit dem Ring befrie¬
digen von A bis Z -- aber Alles, Alles mit Geschmack und
Kunstgefühl -- poetisch, sympathetisch, magnetisch" -- und
nun fieng er an, bald tüchtig zu schnarchen.

Nun ist es Zeit, dachten Pfiffi und Sissi und schlupften
beide durch ein Loch in das Gartenhaus. Ich wendete kein
Auge von dem Schlafenden und dem Ring an seinem Finger;
ach, er hatte eine Faust gemacht, und der Ring schien sehr
schwer zu bekommen; aber Sissi nahte sich seinem Ohr und
sang mit der süßesten Stimme nichts als das Verslein:

"Louisd'ore und Dukaten
Aechte Perlen, Diamant,
Ritterorden, Ihro Gnaden,
Hohe Bildung, Ordensband,
Witz und Wesen, scharf und zart,
Gänsefett und Backenbart."

Kaum hatte der Schlafende diesen Vers gehört, als er
die Hand so öffnete, als wolle er nach all den schönen Sa¬
chen greifen. Nun biß ihn Prinz Pfiffi in den Ringfinger;

ſeine Geſellen endlich ſo ſauber angefuͤhrt. „Gott ſey Dank,“
ſagte er, „nun kann unſer eins doch einmal ruhig ausſchla¬
fen, ohne die Gefahr, daß der andre ihm den Tod wuͤnſcht.“
Nach dieſen Worten ſchaute er ſich lachend im Spiegel an
und haͤngte ſeinen Federhut auf die Spitze einer wunderba¬
ren Kaktuspflanze, die an der Wand bluͤhte. Der Ankaufs¬
preis ſtand auf dem Topf. Die Peruͤcken und Huͤte der zwei
andern lagen noch an der Erde, wie auch ihre Stuͤhle. Nun
lehnte er ſich breit in ſeinen Prachtſtuhl, ſtellte die Fuͤße
auf einen Schemel und ſprach: „reich zum zahlen, klug
zum prahlen, ſchoͤn zum malen — was fehlt mir noch, ich
will beruͤhmt werden — da faͤllt mir was ein — ich will
den Namen Pictus, Salzgraf von Orbis annehmen, und
will einen neuen Orbis Pictus herausgeben, da ſollen alle
unbefriedigten Wuͤnſche der Welt nach dem ABC darin abge¬
malt werden, und ich will ſie mir alle mit dem Ring befrie¬
digen von A bis Z — aber Alles, Alles mit Geſchmack und
Kunſtgefuͤhl — poetiſch, ſympathetiſch, magnetiſch“ — und
nun fieng er an, bald tuͤchtig zu ſchnarchen.

Nun iſt es Zeit, dachten Pfiffi und Siſſi und ſchlupften
beide durch ein Loch in das Gartenhaus. Ich wendete kein
Auge von dem Schlafenden und dem Ring an ſeinem Finger;
ach, er hatte eine Fauſt gemacht, und der Ring ſchien ſehr
ſchwer zu bekommen; aber Siſſi nahte ſich ſeinem Ohr und
ſang mit der ſuͤßeſten Stimme nichts als das Verslein:

„Louisd'ore und Dukaten
Aechte Perlen, Diamant,
Ritterorden, Ihro Gnaden,
Hohe Bildung, Ordensband,
Witz und Weſen, ſcharf und zart,
Gaͤnſefett und Backenbart.“

Kaum hatte der Schlafende dieſen Vers gehoͤrt, als er
die Hand ſo oͤffnete, als wolle er nach all den ſchoͤnen Sa¬
chen greifen. Nun biß ihn Prinz Pfiffi in den Ringfinger;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0224" n="176"/>
&#x017F;eine Ge&#x017F;ellen endlich &#x017F;o &#x017F;auber angefu&#x0364;hrt. &#x201E;Gott &#x017F;ey Dank,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte er, &#x201E;nun kann un&#x017F;er eins doch einmal ruhig aus&#x017F;chla¬<lb/>
fen, ohne die Gefahr, daß der andre ihm den Tod wu&#x0364;n&#x017F;cht.&#x201C;<lb/>
Nach die&#x017F;en Worten &#x017F;chaute er &#x017F;ich lachend im Spiegel an<lb/>
und ha&#x0364;ngte &#x017F;einen Federhut auf die Spitze einer wunderba¬<lb/>
ren Kaktuspflanze, die an der Wand blu&#x0364;hte. Der Ankaufs¬<lb/>
preis &#x017F;tand auf dem Topf. Die Peru&#x0364;cken und Hu&#x0364;te der zwei<lb/>
andern lagen noch an der Erde, wie auch ihre Stu&#x0364;hle. Nun<lb/>
lehnte er &#x017F;ich breit in &#x017F;einen Pracht&#x017F;tuhl, &#x017F;tellte die Fu&#x0364;ße<lb/>
auf einen Schemel und &#x017F;prach: &#x201E;reich zum zahlen, klug<lb/>
zum prahlen, &#x017F;cho&#x0364;n zum malen &#x2014; was fehlt mir noch, ich<lb/>
will beru&#x0364;hmt werden &#x2014; da fa&#x0364;llt mir was ein &#x2014; ich will<lb/>
den Namen Pictus, Salzgraf von Orbis annehmen, und<lb/>
will einen neuen Orbis Pictus herausgeben, da &#x017F;ollen alle<lb/>
unbefriedigten Wu&#x0364;n&#x017F;che der Welt nach dem ABC darin abge¬<lb/>
malt werden, und ich will &#x017F;ie mir alle mit dem Ring befrie¬<lb/>
digen von A bis Z &#x2014; aber Alles, Alles mit Ge&#x017F;chmack und<lb/>
Kun&#x017F;tgefu&#x0364;hl &#x2014; poeti&#x017F;ch, &#x017F;ympatheti&#x017F;ch, magneti&#x017F;ch&#x201C; &#x2014; und<lb/>
nun fieng er an, bald tu&#x0364;chtig zu &#x017F;chnarchen.</p><lb/>
        <p>Nun i&#x017F;t es Zeit, dachten Pfiffi und Si&#x017F;&#x017F;i und &#x017F;chlupften<lb/>
beide durch ein Loch in das Gartenhaus. Ich wendete kein<lb/>
Auge von dem Schlafenden und dem Ring an &#x017F;einem Finger;<lb/>
ach, er hatte eine Fau&#x017F;t gemacht, und der Ring &#x017F;chien &#x017F;ehr<lb/>
&#x017F;chwer zu bekommen; aber Si&#x017F;&#x017F;i nahte &#x017F;ich &#x017F;einem Ohr und<lb/>
&#x017F;ang mit der &#x017F;u&#x0364;ße&#x017F;ten Stimme nichts als das Verslein:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Louisd'ore und Dukaten</l><lb/>
          <l>Aechte Perlen, Diamant,</l><lb/>
          <l>Ritterorden, Ihro Gnaden,</l><lb/>
          <l>Hohe Bildung, Ordensband,</l><lb/>
          <l>Witz und We&#x017F;en, &#x017F;charf und zart,</l><lb/>
          <l>Ga&#x0364;n&#x017F;efett und Backenbart.&#x201C;</l><lb/>
        </lg>
        <p>Kaum hatte der Schlafende die&#x017F;en Vers geho&#x0364;rt, als er<lb/>
die Hand &#x017F;o o&#x0364;ffnete, als wolle er nach all den &#x017F;cho&#x0364;nen Sa¬<lb/>
chen greifen. Nun biß ihn Prinz Pfiffi in den Ringfinger;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0224] ſeine Geſellen endlich ſo ſauber angefuͤhrt. „Gott ſey Dank,“ ſagte er, „nun kann unſer eins doch einmal ruhig ausſchla¬ fen, ohne die Gefahr, daß der andre ihm den Tod wuͤnſcht.“ Nach dieſen Worten ſchaute er ſich lachend im Spiegel an und haͤngte ſeinen Federhut auf die Spitze einer wunderba¬ ren Kaktuspflanze, die an der Wand bluͤhte. Der Ankaufs¬ preis ſtand auf dem Topf. Die Peruͤcken und Huͤte der zwei andern lagen noch an der Erde, wie auch ihre Stuͤhle. Nun lehnte er ſich breit in ſeinen Prachtſtuhl, ſtellte die Fuͤße auf einen Schemel und ſprach: „reich zum zahlen, klug zum prahlen, ſchoͤn zum malen — was fehlt mir noch, ich will beruͤhmt werden — da faͤllt mir was ein — ich will den Namen Pictus, Salzgraf von Orbis annehmen, und will einen neuen Orbis Pictus herausgeben, da ſollen alle unbefriedigten Wuͤnſche der Welt nach dem ABC darin abge¬ malt werden, und ich will ſie mir alle mit dem Ring befrie¬ digen von A bis Z — aber Alles, Alles mit Geſchmack und Kunſtgefuͤhl — poetiſch, ſympathetiſch, magnetiſch“ — und nun fieng er an, bald tuͤchtig zu ſchnarchen. Nun iſt es Zeit, dachten Pfiffi und Siſſi und ſchlupften beide durch ein Loch in das Gartenhaus. Ich wendete kein Auge von dem Schlafenden und dem Ring an ſeinem Finger; ach, er hatte eine Fauſt gemacht, und der Ring ſchien ſehr ſchwer zu bekommen; aber Siſſi nahte ſich ſeinem Ohr und ſang mit der ſuͤßeſten Stimme nichts als das Verslein: „Louisd'ore und Dukaten Aechte Perlen, Diamant, Ritterorden, Ihro Gnaden, Hohe Bildung, Ordensband, Witz und Weſen, ſcharf und zart, Gaͤnſefett und Backenbart.“ Kaum hatte der Schlafende dieſen Vers gehoͤrt, als er die Hand ſo oͤffnete, als wolle er nach all den ſchoͤnen Sa¬ chen greifen. Nun biß ihn Prinz Pfiffi in den Ringfinger;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/224
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/224>, abgerufen am 22.11.2024.