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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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salzt uns alles Leben, füllt unsere Augen mit gesalzenen
Thränen und fegt unsre Beutel aus dem Salz!" -- Da
betete ich dann auch so recht von Herzen, Gott möge mir
wieder zu dem Ringe helfen, weil die drei Morgenländer
doch keinen Menschen damit glücklich machten. -- Da es
aber in der Kirche so hübsch stille und kühl war, überfiel mich
ein leiser Schlummer, und ich hatte schier so lange geschlafen,
daß mich der Küster in die Kirche eingesperrt hätte; aber
Sissi kam gerade zur rechten Zeit und flüsterte mir in die
Ohren: "geschwind Gackeleia, geh mit mir aus der Kirche;
hörst du? der Küster rasselt schon mit den Schlüsseln; geh
mit mir, du sollst selbst sehen, wie wir den Ring erwischen,
wir haben die beste Hoffnung." Fröhlich nahm ich nun die
kleine Maus in mein Körbchen und gieng mit ihr nach dem
Schlosse der Petschierstecher. Als wir an die Gartenmauer
kamen, sprang Sissi an die Erde und zeigte mir den Weg.
Die Sonne war im Begriff unterzugehen. Ich gelangte hin¬
ter ein artiges Lusthaus, Krystalline genannt, wo ich auf
den Kübel eines Orangenbaumes stieg und durch eine Spalte
im Fensterladen Alles sehen und hören konnte, was im Gar¬
tenhaus vorgieng.

Die drei Salzgrafen saßen jung und glänzend mit wohl¬
akkomodirten Perücken in verschiedenen alamodischen kuriosen
Uniformen um einen Tisch, in dessen Mitte der köstliche Ring
Salomonis lag und stritten miteinander, wer den Ring am
Finger tragen und wünschen sollte; sie nannten sich Commer¬
zienrath, Hoffaktor, Hoflieferant untereinander und Jeder
wollte nicht mehr so heißen, jeder wollte den Salzgrafenti¬
tel haben; der Eine schrie: "einer muß der Erste seyn,"
die Andern schrien: "das geht nicht, wir sind Drillinge,
wir sind eine große Merkwürdigkeit, keiner geht vor dem
andern;" da schrie der Eine wieder: "ich habe die Maus
gefangen und unter die Puppe geheftet, wodurch wir der
Gackeleia den Ring abgelockt, ich muß ihn haben, wem ich

ſalzt uns alles Leben, fuͤllt unſere Augen mit geſalzenen
Thraͤnen und fegt unſre Beutel aus dem Salz!“ — Da
betete ich dann auch ſo recht von Herzen, Gott moͤge mir
wieder zu dem Ringe helfen, weil die drei Morgenlaͤnder
doch keinen Menſchen damit gluͤcklich machten. — Da es
aber in der Kirche ſo huͤbſch ſtille und kuͤhl war, uͤberfiel mich
ein leiſer Schlummer, und ich hatte ſchier ſo lange geſchlafen,
daß mich der Kuͤſter in die Kirche eingeſperrt haͤtte; aber
Siſſi kam gerade zur rechten Zeit und fluͤſterte mir in die
Ohren: „geſchwind Gackeleia, geh mit mir aus der Kirche;
hoͤrſt du? der Kuͤſter raſſelt ſchon mit den Schluͤſſeln; geh
mit mir, du ſollſt ſelbſt ſehen, wie wir den Ring erwiſchen,
wir haben die beſte Hoffnung.“ Froͤhlich nahm ich nun die
kleine Maus in mein Koͤrbchen und gieng mit ihr nach dem
Schloſſe der Petſchierſtecher. Als wir an die Gartenmauer
kamen, ſprang Siſſi an die Erde und zeigte mir den Weg.
Die Sonne war im Begriff unterzugehen. Ich gelangte hin¬
ter ein artiges Luſthaus, Kryſtalline genannt, wo ich auf
den Kuͤbel eines Orangenbaumes ſtieg und durch eine Spalte
im Fenſterladen Alles ſehen und hoͤren konnte, was im Gar¬
tenhaus vorgieng.

Die drei Salzgrafen ſaßen jung und glaͤnzend mit wohl¬
akkomodirten Peruͤcken in verſchiedenen alamodiſchen kurioſen
Uniformen um einen Tiſch, in deſſen Mitte der koͤſtliche Ring
Salomonis lag und ſtritten miteinander, wer den Ring am
Finger tragen und wuͤnſchen ſollte; ſie nannten ſich Commer¬
zienrath, Hoffaktor, Hoflieferant untereinander und Jeder
wollte nicht mehr ſo heißen, jeder wollte den Salzgrafenti¬
tel haben; der Eine ſchrie: „einer muß der Erſte ſeyn,“
die Andern ſchrien: „das geht nicht, wir ſind Drillinge,
wir ſind eine große Merkwuͤrdigkeit, keiner geht vor dem
andern;“ da ſchrie der Eine wieder: „ich habe die Maus
gefangen und unter die Puppe geheftet, wodurch wir der
Gackeleia den Ring abgelockt, ich muß ihn haben, wem ich

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[174/0222] ſalzt uns alles Leben, fuͤllt unſere Augen mit geſalzenen Thraͤnen und fegt unſre Beutel aus dem Salz!“ — Da betete ich dann auch ſo recht von Herzen, Gott moͤge mir wieder zu dem Ringe helfen, weil die drei Morgenlaͤnder doch keinen Menſchen damit gluͤcklich machten. — Da es aber in der Kirche ſo huͤbſch ſtille und kuͤhl war, uͤberfiel mich ein leiſer Schlummer, und ich hatte ſchier ſo lange geſchlafen, daß mich der Kuͤſter in die Kirche eingeſperrt haͤtte; aber Siſſi kam gerade zur rechten Zeit und fluͤſterte mir in die Ohren: „geſchwind Gackeleia, geh mit mir aus der Kirche; hoͤrſt du? der Kuͤſter raſſelt ſchon mit den Schluͤſſeln; geh mit mir, du ſollſt ſelbſt ſehen, wie wir den Ring erwiſchen, wir haben die beſte Hoffnung.“ Froͤhlich nahm ich nun die kleine Maus in mein Koͤrbchen und gieng mit ihr nach dem Schloſſe der Petſchierſtecher. Als wir an die Gartenmauer kamen, ſprang Siſſi an die Erde und zeigte mir den Weg. Die Sonne war im Begriff unterzugehen. Ich gelangte hin¬ ter ein artiges Luſthaus, Kryſtalline genannt, wo ich auf den Kuͤbel eines Orangenbaumes ſtieg und durch eine Spalte im Fenſterladen Alles ſehen und hoͤren konnte, was im Gar¬ tenhaus vorgieng. Die drei Salzgrafen ſaßen jung und glaͤnzend mit wohl¬ akkomodirten Peruͤcken in verſchiedenen alamodiſchen kurioſen Uniformen um einen Tiſch, in deſſen Mitte der koͤſtliche Ring Salomonis lag und ſtritten miteinander, wer den Ring am Finger tragen und wuͤnſchen ſollte; ſie nannten ſich Commer¬ zienrath, Hoffaktor, Hoflieferant untereinander und Jeder wollte nicht mehr ſo heißen, jeder wollte den Salzgrafenti¬ tel haben; der Eine ſchrie: „einer muß der Erſte ſeyn,“ die Andern ſchrien: „das geht nicht, wir ſind Drillinge, wir ſind eine große Merkwuͤrdigkeit, keiner geht vor dem andern;“ da ſchrie der Eine wieder: „ich habe die Maus gefangen und unter die Puppe geheftet, wodurch wir der Gackeleia den Ring abgelockt, ich muß ihn haben, wem ich

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/222>, abgerufen am 24.11.2024.