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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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bel empfingen. Sie wollte aber nicht in das Schloß hinein,
sondern drehte sich abwechselnd gegen mich und die Ihrigen,
welchen sie von mir zu erzählen schien, so, daß alle die Mäuse
bald ihre Köpfchen gegen mich aufhoben und allerlei pfiffen,
was ich nicht verstand. Da sagte ich zu ihnen: "ihr lieben
Mäuse, gleich will ich mich schlafen legen, damit ich eure
Gespräche verstehen kann," und kaum hatte ich das gesagt,
als sie auch zu Tausenden anströmten und das zarteste Moos
an einem reinen Plätzchen zwischen Blumen zusammen tru¬
gen. Ich sah wohl, das dieß ein Bettchen für mich werden
sollte, und betrachtete unterdessen die schöne Mäuse-Stadt.
Oben auf dem Hügel lag das königliche Schloß, von gros¬
sen holländischen Käsen erbaut, die alle auf das reinlichste
ausgenagt waren. Alle Thüren und Fenster waren zwar
etwas nach altem Geschmack, und nicht ganz gleichförmig
vertheilt; doch hatte die Burg ein sehr ehrwürdiges Ansehen;
sie war pyramidalisch im perspektivischen Stile erbaut, und
ich kann noch nicht begreifen, wie es Mäuse-möglich war,
ein so kühnes Werk zu Stande zu bringen. Rings um das
Schloß her und selbst auf seinen Dächern waren die schön¬
sten Gärten von Schimmel angelegt, den ich nie höher und
feuchter gesehen habe. Thürme von ausgehöhlten Commis¬
broden, mit Kuppeln von Flaschen-Kürbissen schmück¬
ten das mit Bretzeln und dergleichen verzierte Schloß.
Die neuern Häuser der Unterthanen bestanden aus hohlen
Kürbissen und Melonen, die sie früher selbst mit Mühe her¬
angewältzt, in der neuern Zeit aber, bei zunehmender Bil¬
dung und Industrie, an den Stellen gepflanzt und, wenn sie
groß waren, ausgehöhlt hatten. Aeltere adelige und Pa¬
trizier-Geschlechter bewohnten alte Reiterstiefel, Patronta¬
schen, Tornister, Pistolenhulfter, Mantelsäcke, Filzhüte und
Lederhelme und was auf dem Schlachtfelde liegen geblieben
war; jedoch schienen diese Gebäude der Reparatur zu be¬
dürfen. Einen alten Reutersattel sah ich als Thor oder

bel empfingen. Sie wollte aber nicht in das Schloß hinein,
ſondern drehte ſich abwechſelnd gegen mich und die Ihrigen,
welchen ſie von mir zu erzaͤhlen ſchien, ſo, daß alle die Maͤuſe
bald ihre Koͤpfchen gegen mich aufhoben und allerlei pfiffen,
was ich nicht verſtand. Da ſagte ich zu ihnen: „ihr lieben
Maͤuſe, gleich will ich mich ſchlafen legen, damit ich eure
Geſpraͤche verſtehen kann,“ und kaum hatte ich das geſagt,
als ſie auch zu Tauſenden anſtroͤmten und das zarteſte Moos
an einem reinen Plaͤtzchen zwiſchen Blumen zuſammen tru¬
gen. Ich ſah wohl, das dieß ein Bettchen fuͤr mich werden
ſollte, und betrachtete unterdeſſen die ſchoͤne Maͤuſe-Stadt.
Oben auf dem Huͤgel lag das koͤnigliche Schloß, von groſ¬
ſen hollaͤndiſchen Kaͤſen erbaut, die alle auf das reinlichſte
ausgenagt waren. Alle Thuͤren und Fenſter waren zwar
etwas nach altem Geſchmack, und nicht ganz gleichfoͤrmig
vertheilt; doch hatte die Burg ein ſehr ehrwuͤrdiges Anſehen;
ſie war pyramidaliſch im perſpektiviſchen Stile erbaut, und
ich kann noch nicht begreifen, wie es Maͤuſe-moͤglich war,
ein ſo kuͤhnes Werk zu Stande zu bringen. Rings um das
Schloß her und ſelbſt auf ſeinen Daͤchern waren die ſchoͤn¬
ſten Gaͤrten von Schimmel angelegt, den ich nie hoͤher und
feuchter geſehen habe. Thuͤrme von ausgehoͤhlten Commis¬
broden, mit Kuppeln von Flaſchen-Kuͤrbiſſen ſchmuͤck¬
ten das mit Bretzeln und dergleichen verzierte Schloß.
Die neuern Haͤuſer der Unterthanen beſtanden aus hohlen
Kuͤrbiſſen und Melonen, die ſie fruͤher ſelbſt mit Muͤhe her¬
angewaͤltzt, in der neuern Zeit aber, bei zunehmender Bil¬
dung und Induſtrie, an den Stellen gepflanzt und, wenn ſie
groß waren, ausgehoͤhlt hatten. Aeltere adelige und Pa¬
trizier-Geſchlechter bewohnten alte Reiterſtiefel, Patronta¬
ſchen, Torniſter, Piſtolenhulfter, Mantelſaͤcke, Filzhuͤte und
Lederhelme und was auf dem Schlachtfelde liegen geblieben
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[150/0196] bel empfingen. Sie wollte aber nicht in das Schloß hinein, ſondern drehte ſich abwechſelnd gegen mich und die Ihrigen, welchen ſie von mir zu erzaͤhlen ſchien, ſo, daß alle die Maͤuſe bald ihre Koͤpfchen gegen mich aufhoben und allerlei pfiffen, was ich nicht verſtand. Da ſagte ich zu ihnen: „ihr lieben Maͤuſe, gleich will ich mich ſchlafen legen, damit ich eure Geſpraͤche verſtehen kann,“ und kaum hatte ich das geſagt, als ſie auch zu Tauſenden anſtroͤmten und das zarteſte Moos an einem reinen Plaͤtzchen zwiſchen Blumen zuſammen tru¬ gen. Ich ſah wohl, das dieß ein Bettchen fuͤr mich werden ſollte, und betrachtete unterdeſſen die ſchoͤne Maͤuſe-Stadt. Oben auf dem Huͤgel lag das koͤnigliche Schloß, von groſ¬ ſen hollaͤndiſchen Kaͤſen erbaut, die alle auf das reinlichſte ausgenagt waren. Alle Thuͤren und Fenſter waren zwar etwas nach altem Geſchmack, und nicht ganz gleichfoͤrmig vertheilt; doch hatte die Burg ein ſehr ehrwuͤrdiges Anſehen; ſie war pyramidaliſch im perſpektiviſchen Stile erbaut, und ich kann noch nicht begreifen, wie es Maͤuſe-moͤglich war, ein ſo kuͤhnes Werk zu Stande zu bringen. Rings um das Schloß her und ſelbſt auf ſeinen Daͤchern waren die ſchoͤn¬ ſten Gaͤrten von Schimmel angelegt, den ich nie hoͤher und feuchter geſehen habe. Thuͤrme von ausgehoͤhlten Commis¬ broden, mit Kuppeln von Flaſchen-Kuͤrbiſſen ſchmuͤck¬ ten das mit Bretzeln und dergleichen verzierte Schloß. Die neuern Haͤuſer der Unterthanen beſtanden aus hohlen Kuͤrbiſſen und Melonen, die ſie fruͤher ſelbſt mit Muͤhe her¬ angewaͤltzt, in der neuern Zeit aber, bei zunehmender Bil¬ dung und Induſtrie, an den Stellen gepflanzt und, wenn ſie groß waren, ausgehoͤhlt hatten. Aeltere adelige und Pa¬ trizier-Geſchlechter bewohnten alte Reiterſtiefel, Patronta¬ ſchen, Torniſter, Piſtolenhulfter, Mantelſaͤcke, Filzhuͤte und Lederhelme und was auf dem Schlachtfelde liegen geblieben war; jedoch ſchienen dieſe Gebaͤude der Reparatur zu be¬ duͤrfen. Einen alten Reuterſattel ſah ich als Thor oder

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/196>, abgerufen am 23.11.2024.