Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.und beteten recht eifrig, legten sich dann auf ihr Moosla¬ Gegen Morgen hörte Gockel noch halb im Schlafe et¬ "Keine Puppe, es ist nur, Eine schöne Kunstfigur." Gockel meinte, Frau Hinkel habe das gesagt, und ver¬ Gockel wußte auf diese Rede gar nicht, wo ihm der Kopf und beteten recht eifrig, legten ſich dann auf ihr Moosla¬ Gegen Morgen hoͤrte Gockel noch halb im Schlafe et¬ „Keine Puppe, es iſt nur, Eine ſchoͤne Kunſtfigur.“ Gockel meinte, Frau Hinkel habe das geſagt, und ver¬ Gockel wußte auf dieſe Rede gar nicht, wo ihm der Kopf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0181" n="137"/> und beteten recht eifrig, legten ſich dann auf ihr Moosla¬<lb/> ger und ſchliefen einen gar ſuͤßen Schlaf und traͤumten von<lb/> Gackeleia.</p><lb/> <p>Gegen Morgen hoͤrte Gockel noch halb im Schlafe et¬<lb/> was um ſich her raſſeln, es war noch ſehr dunkel in dem<lb/> Stalle; aber er ſah etwas an der Erde hinlaufen und ver¬<lb/> ſchwinden, er ſtieß Frau Hinkel und ſagte: „Mir war ge¬<lb/> rade, als wenn die fatale Puppe der Gackeleia voruͤber ge¬<lb/> laufen waͤre.“ Da ſprach eine Stimme:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Keine Puppe, es iſt nur,</l><lb/> <l>Eine ſchoͤne Kunſtfigur.“</l><lb/> </lg> <p>Gockel meinte, Frau Hinkel habe das geſagt, und ver¬<lb/> wies ihr, daß auch ſie ſo eigenſinnig wie Gackeleia ſpreche.<lb/> Frau Hinkel hatte ſchlaftrunken die Worte gehoͤrt und be¬<lb/> hauptete, er habe es ſelbſt geſagt. Sie wollten eben zu<lb/> zanken anfangen, als ſie leiſe an der Thuͤre pochen hoͤrten.<lb/> Sie fuhren ordentlich vor Schrecken zuſammen, wer das<lb/> wohl ſeyn koͤnne, der in dem wuͤſten zerſtoͤrten Schloſſe ſo<lb/> leiſe anpoche. Da es aber zum drittenmale pochte, fragte<lb/> Gockel laut: „Wer iſt draus?“ und es antwortete eine maͤnn¬<lb/> liche Stimme: „Ich bitte allerunterthaͤnigſt um Verzeihung,<lb/> Herr Graf, daß ich ſo fruͤh ſtoͤre, aber die Eſeltreiber laſ¬<lb/> ſen mir keine Ruhe; ſie ſagen, daß ich ihnen drei Zentner<lb/> Kaͤſe aus der graͤflichen Kaͤſefabrik auf ihre Thiere packen<lb/> ſoll, nun wollte ich doch den Befehl des Heren Grafen ſelbſt<lb/> abholen.“</p><lb/> <p>Gockel wußte auf dieſe Rede gar nicht, wo ihm der Kopf<lb/> ſtand; „drei Zentner Kaͤſe“, ſagte er, „aus der graͤflichen<lb/> Kaͤſefabrik, haſt du gehoͤrt Hinkel?“ „Ja“, ſagte Frau Hinkel,<lb/> „was kann das ſeyn? ich weiß nicht, ob ich traͤume oder wa¬<lb/> che.“ Da der Mann aber immer von neuem pochte und um<lb/> die Erlaubniß bat, die Kaͤſe abzuliefern, ſchrie Gockel hef¬<lb/> tig: „biſt du, der da pochet, toll oder ein Spoͤtter, der<lb/> einen armen Greis zum Narren haben will? ſo nehme dich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [137/0181]
und beteten recht eifrig, legten ſich dann auf ihr Moosla¬
ger und ſchliefen einen gar ſuͤßen Schlaf und traͤumten von
Gackeleia.
Gegen Morgen hoͤrte Gockel noch halb im Schlafe et¬
was um ſich her raſſeln, es war noch ſehr dunkel in dem
Stalle; aber er ſah etwas an der Erde hinlaufen und ver¬
ſchwinden, er ſtieß Frau Hinkel und ſagte: „Mir war ge¬
rade, als wenn die fatale Puppe der Gackeleia voruͤber ge¬
laufen waͤre.“ Da ſprach eine Stimme:
„Keine Puppe, es iſt nur,
Eine ſchoͤne Kunſtfigur.“
Gockel meinte, Frau Hinkel habe das geſagt, und ver¬
wies ihr, daß auch ſie ſo eigenſinnig wie Gackeleia ſpreche.
Frau Hinkel hatte ſchlaftrunken die Worte gehoͤrt und be¬
hauptete, er habe es ſelbſt geſagt. Sie wollten eben zu
zanken anfangen, als ſie leiſe an der Thuͤre pochen hoͤrten.
Sie fuhren ordentlich vor Schrecken zuſammen, wer das
wohl ſeyn koͤnne, der in dem wuͤſten zerſtoͤrten Schloſſe ſo
leiſe anpoche. Da es aber zum drittenmale pochte, fragte
Gockel laut: „Wer iſt draus?“ und es antwortete eine maͤnn¬
liche Stimme: „Ich bitte allerunterthaͤnigſt um Verzeihung,
Herr Graf, daß ich ſo fruͤh ſtoͤre, aber die Eſeltreiber laſ¬
ſen mir keine Ruhe; ſie ſagen, daß ich ihnen drei Zentner
Kaͤſe aus der graͤflichen Kaͤſefabrik auf ihre Thiere packen
ſoll, nun wollte ich doch den Befehl des Heren Grafen ſelbſt
abholen.“
Gockel wußte auf dieſe Rede gar nicht, wo ihm der Kopf
ſtand; „drei Zentner Kaͤſe“, ſagte er, „aus der graͤflichen
Kaͤſefabrik, haſt du gehoͤrt Hinkel?“ „Ja“, ſagte Frau Hinkel,
„was kann das ſeyn? ich weiß nicht, ob ich traͤume oder wa¬
che.“ Da der Mann aber immer von neuem pochte und um
die Erlaubniß bat, die Kaͤſe abzuliefern, ſchrie Gockel hef¬
tig: „biſt du, der da pochet, toll oder ein Spoͤtter, der
einen armen Greis zum Narren haben will? ſo nehme dich
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