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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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wenn das Echo wieder rief: Eia, Eia! glaubten sie, das
Kind antworte, und so verirrten sie sich immer tiefer in der
Wildniß, bis sie endlich beide, ach aber ohne Gackeleia, sich
bei ihrem Stammschlosse wieder fanden. Die Vögel wachten
alle auf und flogen wie alte Bekannte um sie her und grü߬
ten sie, aber Gockel und Hinkel riefen immer in alle Bü¬
sche hinein:

"Gackeleia, komm doch nur,
S'ist ja eine Kunstfigur,
Komm' es soll dir nichts geschehn,
Wenn wir dich nur wieder sehn."

Aber keine Antwort von keiner Seite. Da saßen die
zwei armen Eltern auf der Schwelle des alten Hühnerstalles
nieder und weinten die ganze Nacht bitterlich, und alle Vö¬
gelein weinten mit. Am Morgen aber schnitt sich Gockel
einen tüchtigen Knotenstock und gab auch der Frau Hinkel
einen und sagte: "Liebe Frau! wir sind arme Leute gewor¬
den; aber es gebührt einem Raugrafen Gockel von Hanau
und einer Raugräfin Hinkel von Hennegau nicht, im Un¬
glücke zu verzweifeln; laß uns auf Gott vertrauen und un¬
ser Fräulein Tochter Gackeleia durch die weite Welt suchen,
und sollten wir unterwegs Hungers sterben. Geh' du links, und
ich geh' rechts. Alle Monate kommen wir hier wieder zusam¬
men und sagen uns einander, was wir entdeckt haben,
dabei können wir zugleich dem Dieb unsers Ringes nachfor¬
schen." Frau Hinkel war das zufrieden, sie umarmten sich
beide unter bitteren Thränen und wanderten dann auf getrenn¬
ten Wegen, Herr Gockel rechts, Frau Hinkel links. Und wenn
sie in die Dörfer oder Städte kamen, sangen sie vor allen
Thüren:

"Habt ihr nicht ein Kind gesehn?
Ein klein Mägdlein wunderschön,
Blaue Augen, rothe Backen,
Zähnchen weiß zum Nüsseknacken,
Einen rothen Kirschenmund,
Frisch und froh und dick und rund,

wenn das Echo wieder rief: Eia, Eia! glaubten ſie, das
Kind antworte, und ſo verirrten ſie ſich immer tiefer in der
Wildniß, bis ſie endlich beide, ach aber ohne Gackeleia, ſich
bei ihrem Stammſchloſſe wieder fanden. Die Voͤgel wachten
alle auf und flogen wie alte Bekannte um ſie her und gruͤ߬
ten ſie, aber Gockel und Hinkel riefen immer in alle Buͤ¬
ſche hinein:

„Gackeleia, komm doch nur,
S'iſt ja eine Kunſtfigur,
Komm' es ſoll dir nichts geſchehn,
Wenn wir dich nur wieder ſehn.“

Aber keine Antwort von keiner Seite. Da ſaßen die
zwei armen Eltern auf der Schwelle des alten Huͤhnerſtalles
nieder und weinten die ganze Nacht bitterlich, und alle Voͤ¬
gelein weinten mit. Am Morgen aber ſchnitt ſich Gockel
einen tuͤchtigen Knotenſtock und gab auch der Frau Hinkel
einen und ſagte: „Liebe Frau! wir ſind arme Leute gewor¬
den; aber es gebuͤhrt einem Raugrafen Gockel von Hanau
und einer Raugraͤfin Hinkel von Hennegau nicht, im Un¬
gluͤcke zu verzweifeln; laß uns auf Gott vertrauen und un¬
ſer Fraͤulein Tochter Gackeleia durch die weite Welt ſuchen,
und ſollten wir unterwegs Hungers ſterben. Geh' du links, und
ich geh' rechts. Alle Monate kommen wir hier wieder zuſam¬
men und ſagen uns einander, was wir entdeckt haben,
dabei koͤnnen wir zugleich dem Dieb unſers Ringes nachfor¬
ſchen.“ Frau Hinkel war das zufrieden, ſie umarmten ſich
beide unter bitteren Thraͤnen und wanderten dann auf getrenn¬
ten Wegen, Herr Gockel rechts, Frau Hinkel links. Und wenn
ſie in die Doͤrfer oder Staͤdte kamen, ſangen ſie vor allen
Thuͤren:

„Habt ihr nicht ein Kind geſehn?
Ein klein Maͤgdlein wunderſchoͤn,
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[135/0179] wenn das Echo wieder rief: Eia, Eia! glaubten ſie, das Kind antworte, und ſo verirrten ſie ſich immer tiefer in der Wildniß, bis ſie endlich beide, ach aber ohne Gackeleia, ſich bei ihrem Stammſchloſſe wieder fanden. Die Voͤgel wachten alle auf und flogen wie alte Bekannte um ſie her und gruͤ߬ ten ſie, aber Gockel und Hinkel riefen immer in alle Buͤ¬ ſche hinein: „Gackeleia, komm doch nur, S'iſt ja eine Kunſtfigur, Komm' es ſoll dir nichts geſchehn, Wenn wir dich nur wieder ſehn.“ Aber keine Antwort von keiner Seite. Da ſaßen die zwei armen Eltern auf der Schwelle des alten Huͤhnerſtalles nieder und weinten die ganze Nacht bitterlich, und alle Voͤ¬ gelein weinten mit. Am Morgen aber ſchnitt ſich Gockel einen tuͤchtigen Knotenſtock und gab auch der Frau Hinkel einen und ſagte: „Liebe Frau! wir ſind arme Leute gewor¬ den; aber es gebuͤhrt einem Raugrafen Gockel von Hanau und einer Raugraͤfin Hinkel von Hennegau nicht, im Un¬ gluͤcke zu verzweifeln; laß uns auf Gott vertrauen und un¬ ſer Fraͤulein Tochter Gackeleia durch die weite Welt ſuchen, und ſollten wir unterwegs Hungers ſterben. Geh' du links, und ich geh' rechts. Alle Monate kommen wir hier wieder zuſam¬ men und ſagen uns einander, was wir entdeckt haben, dabei koͤnnen wir zugleich dem Dieb unſers Ringes nachfor¬ ſchen.“ Frau Hinkel war das zufrieden, ſie umarmten ſich beide unter bitteren Thraͤnen und wanderten dann auf getrenn¬ ten Wegen, Herr Gockel rechts, Frau Hinkel links. Und wenn ſie in die Doͤrfer oder Staͤdte kamen, ſangen ſie vor allen Thuͤren: „Habt ihr nicht ein Kind geſehn? Ein klein Maͤgdlein wunderſchoͤn, Blaue Augen, rothe Backen, Zaͤhnchen weiß zum Nuͤſſeknacken, Einen rothen Kirſchenmund, Friſch und froh und dick und rund,

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/179>, abgerufen am 27.11.2024.