Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.legte Gockel sie über das Knie und gab ihr tüchtig die Ru¬ "Keine Ruthe, es ist nur Eine Birken-Kunstfigur, Und du kriegst sie nach der Schnur, O du Nichtsnutz von Natur!" Und Gackeleia schrie: "Mutter halt', o Jemine! Halt' sie auf, sie thut sich weh." Und Gockel schlug immer zu und schrie: "Fitze, fitze, Domine Thut die ganze Woche weh!" Er hätte auch noch länger zugeschlagen, aber Frau Hin¬ Gockel hatte indessen Frau Hinkel durch einen Umweg legte Gockel ſie uͤber das Knie und gab ihr tuͤchtig die Ru¬ „Keine Ruthe, es iſt nur Eine Birken-Kunſtfigur, Und du kriegſt ſie nach der Schnur, O du Nichtsnutz von Natur!“ Und Gackeleia ſchrie: „Mutter halt', o Jemine! Halt' ſie auf, ſie thut ſich weh.“ Und Gockel ſchlug immer zu und ſchrie: „Fitze, fitze, Domine Thut die ganze Woche weh!“ Er haͤtte auch noch laͤnger zugeſchlagen, aber Frau Hin¬ Gockel hatte indeſſen Frau Hinkel durch einen Umweg <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0176" n="134"/> legte Gockel ſie uͤber das Knie und gab ihr tuͤchtig die Ru¬<lb/> the mit den Worten:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Keine Ruthe, es iſt nur</l><lb/> <l>Eine Birken-Kunſtfigur,</l><lb/> <l>Und du kriegſt ſie nach der Schnur,</l><lb/> <l>O du Nichtsnutz von Natur!“</l><lb/> </lg> <p>Und Gackeleia ſchrie:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Mutter halt', o Jemine!</l><lb/> <l>Halt' ſie auf, ſie thut ſich weh.“</l><lb/> </lg> <p>Und Gockel ſchlug immer zu und ſchrie:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Fitze, fitze, Domine</l><lb/> <l>Thut die ganze Woche weh!“</l><lb/> </lg> <p>Er haͤtte auch noch laͤnger zugeſchlagen, aber Frau Hin¬<lb/> kel ſchrie ſo erbaͤrmlich, ſie koͤnne nicht wieder herauf, daß<lb/> Gockel das Kind los ließ und hinabgieng, ihr zu helfen.<lb/> Kaum aber war Gackeleia los, ſo ruͤttelte und ſchuͤttelte ſie<lb/> ſich uͤber die fatale Kunſtfigur, die ſie empfunden hatte,<lb/> und lief ihrer fluͤchtig gewordenen ſchoͤnen Kunſtfigur nach,<lb/> die ſie eben unten im Thale uͤber den Steg eines Baches<lb/> laufen ſah; die Puppe lief, als ob ſie vier Beine haͤtte,<lb/> uͤber den Steg und links um und in den Wald hinein und<lb/> Gackeleia immer hinter ihr drein.</p><lb/> <p>Gockel hatte indeſſen Frau Hinkel durch einen Umweg<lb/> wieder auf die Hoͤhe hinauf gebracht, und ſie klagten ſich un¬<lb/> terwegs einander, wie der Schelm, der ſie durch Gackeleia's<lb/> Spielſucht um den koͤſtlichen Ring Salomonis gebracht, ge¬<lb/> wiß einer von den alten Petſchierſtechern ſey, die ihn einſt<lb/> um den Hahn Alektryo hatten betruͤgen wollen. Als ſie un¬<lb/> ter ſolchen Reden auf den Fels zuruͤckkamen und die Gacke¬<lb/> leia nicht mehr ſahen, riefen ſie nach allen Seiten nach dem<lb/> Kinde, aber nirgends hoͤrten und ſahen ſie etwas von ihr.<lb/> Da ward ihr Kummer um allen ihren Verluſt in eine<lb/> große Sorge um ihr Kind verwandelt, ſie liefen hin und her<lb/> und ſchrieen durch den Wald: „Gackeleia, Gackeleia!“ und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [134/0176]
legte Gockel ſie uͤber das Knie und gab ihr tuͤchtig die Ru¬
the mit den Worten:
„Keine Ruthe, es iſt nur
Eine Birken-Kunſtfigur,
Und du kriegſt ſie nach der Schnur,
O du Nichtsnutz von Natur!“
Und Gackeleia ſchrie:
„Mutter halt', o Jemine!
Halt' ſie auf, ſie thut ſich weh.“
Und Gockel ſchlug immer zu und ſchrie:
„Fitze, fitze, Domine
Thut die ganze Woche weh!“
Er haͤtte auch noch laͤnger zugeſchlagen, aber Frau Hin¬
kel ſchrie ſo erbaͤrmlich, ſie koͤnne nicht wieder herauf, daß
Gockel das Kind los ließ und hinabgieng, ihr zu helfen.
Kaum aber war Gackeleia los, ſo ruͤttelte und ſchuͤttelte ſie
ſich uͤber die fatale Kunſtfigur, die ſie empfunden hatte,
und lief ihrer fluͤchtig gewordenen ſchoͤnen Kunſtfigur nach,
die ſie eben unten im Thale uͤber den Steg eines Baches
laufen ſah; die Puppe lief, als ob ſie vier Beine haͤtte,
uͤber den Steg und links um und in den Wald hinein und
Gackeleia immer hinter ihr drein.
Gockel hatte indeſſen Frau Hinkel durch einen Umweg
wieder auf die Hoͤhe hinauf gebracht, und ſie klagten ſich un¬
terwegs einander, wie der Schelm, der ſie durch Gackeleia's
Spielſucht um den koͤſtlichen Ring Salomonis gebracht, ge¬
wiß einer von den alten Petſchierſtechern ſey, die ihn einſt
um den Hahn Alektryo hatten betruͤgen wollen. Als ſie un¬
ter ſolchen Reden auf den Fels zuruͤckkamen und die Gacke¬
leia nicht mehr ſahen, riefen ſie nach allen Seiten nach dem
Kinde, aber nirgends hoͤrten und ſahen ſie etwas von ihr.
Da ward ihr Kummer um allen ihren Verluſt in eine
große Sorge um ihr Kind verwandelt, ſie liefen hin und her
und ſchrieen durch den Wald: „Gackeleia, Gackeleia!“ und
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