Auf diese Bekanntmachung hatten schon mehrere Bür¬ ger ihre Nachtlichter aus Fenster gestellt, da kam ein an¬ derer Befehl:
"Der Patriotismus soll sich noch fassen Und alles Obige unterlassen; Nach einem ärztlichen Consulte Sind zu vermeiden alle Tumulte. Ein Genesungsfest in leisester Stille Ist Eifrasii allerweisester Wille.
Die guten Bürger waren so müd und schläfrig, daß sie ihren Patriotismus diesmal beruhigen ließen, und ganz Gelnhausen in das tiefe Schnarchen der Eierburger ein¬ stimmte. -- Auf dem Markt am folgenden Tag stieg der Eierpreis um 3 und 7/87 Procent.
Der arme Gockel, die arme Frau Hinkel, die arme Ga¬ ckeleia zogen wieder wie ehedem durch den wilden Wald nach dem alten Schloß; aber sie waren viel trauriger und rede¬ ten kein Wort, ja Frau Hinkel hatte gar die Schürze über den Kopf gehängt, weil sie sich schämte, so häßlich gewor¬ den zu seyn. Als sie auf einer Höhe angekommen waren, wo man Gelnhausen noch einmal sehen konnte, drehte sich Gockel um, und sprach: "unseliger Ort, wo ich um den köstlichen Ring Salomonis betrogen ward; abscheulicher, un¬ dankbarer Eifrasius, wie schändlich hast du mich in meinem Unglück verstoßen, und hast nicht daran gedacht, mir die hundert Stück neue Gockeld'ors wieder zu geben, die du in glücklicher Zeit von mir geborgt." Frau Hinkel aber rief aus: "o Königin Eilegia! wie manches indianische Vogel¬ nest sammt den Eiern habe ich dir zum Geschenk gemacht, wie viele Eierspeisen habe ich dich bereiten gelehrt, wie viel hundert Ostereier habe ich dir mit schönen Blumen und Blät¬ tern bunt gesotten, die schönsten Muster zu Hauben und Gar¬ nituren a l'öff de Puffpuff habe ich dir mitgetheilt, und nun,
Auf dieſe Bekanntmachung hatten ſchon mehrere Buͤr¬ ger ihre Nachtlichter aus Fenſter geſtellt, da kam ein an¬ derer Befehl:
„Der Patriotismus ſoll ſich noch faſſen Und alles Obige unterlaſſen; Nach einem aͤrztlichen Conſulte Sind zu vermeiden alle Tumulte. Ein Geneſungsfeſt in leiſeſter Stille Iſt Eifraſii allerweiſeſter Wille.
Die guten Buͤrger waren ſo muͤd und ſchlaͤfrig, daß ſie ihren Patriotismus diesmal beruhigen ließen, und ganz Gelnhauſen in das tiefe Schnarchen der Eierburger ein¬ ſtimmte. — Auf dem Markt am folgenden Tag ſtieg der Eierpreis um 3 und 7/87 Procent.
Der arme Gockel, die arme Frau Hinkel, die arme Ga¬ ckeleia zogen wieder wie ehedem durch den wilden Wald nach dem alten Schloß; aber ſie waren viel trauriger und rede¬ ten kein Wort, ja Frau Hinkel hatte gar die Schuͤrze uͤber den Kopf gehaͤngt, weil ſie ſich ſchaͤmte, ſo haͤßlich gewor¬ den zu ſeyn. Als ſie auf einer Hoͤhe angekommen waren, wo man Gelnhauſen noch einmal ſehen konnte, drehte ſich Gockel um, und ſprach: „unſeliger Ort, wo ich um den koͤſtlichen Ring Salomonis betrogen ward; abſcheulicher, un¬ dankbarer Eifraſius, wie ſchaͤndlich haſt du mich in meinem Ungluͤck verſtoßen, und haſt nicht daran gedacht, mir die hundert Stuͤck neue Gockeld'ors wieder zu geben, die du in gluͤcklicher Zeit von mir geborgt.“ Frau Hinkel aber rief aus: „o Koͤnigin Eilegia! wie manches indianiſche Vogel¬ neſt ſammt den Eiern habe ich dir zum Geſchenk gemacht, wie viele Eierſpeiſen habe ich dich bereiten gelehrt, wie viel hundert Oſtereier habe ich dir mit ſchoͤnen Blumen und Blaͤt¬ tern bunt geſotten, die ſchoͤnſten Muſter zu Hauben und Gar¬ nituren a l'oͤff de Puffpuff habe ich dir mitgetheilt, und nun,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0170"n="128"/><p>Auf dieſe Bekanntmachung hatten ſchon mehrere Buͤr¬<lb/>
ger ihre Nachtlichter aus Fenſter geſtellt, da kam ein an¬<lb/>
derer Befehl:</p><lb/><lgtype="poem"><l>„Der Patriotismus ſoll ſich noch faſſen</l><lb/><l>Und alles Obige unterlaſſen;</l><lb/><l>Nach einem aͤrztlichen Conſulte</l><lb/><l>Sind zu vermeiden alle Tumulte.</l><lb/><l>Ein Geneſungsfeſt in leiſeſter Stille</l><lb/><l>Iſt Eifraſii allerweiſeſter Wille.</l><lb/></lg><p>Die guten Buͤrger waren ſo muͤd und ſchlaͤfrig, daß ſie<lb/>
ihren Patriotismus diesmal beruhigen ließen, und ganz<lb/>
Gelnhauſen in das tiefe Schnarchen der Eierburger ein¬<lb/>ſtimmte. — Auf dem Markt am folgenden Tag ſtieg der<lb/>
Eierpreis um 3 und 7/87 Procent.</p><lb/><p>Der arme Gockel, die arme Frau Hinkel, die arme Ga¬<lb/>
ckeleia zogen wieder wie ehedem durch den wilden Wald nach<lb/>
dem alten Schloß; aber ſie waren viel trauriger und rede¬<lb/>
ten kein Wort, ja Frau Hinkel hatte gar die Schuͤrze uͤber<lb/>
den Kopf gehaͤngt, weil ſie ſich ſchaͤmte, ſo haͤßlich gewor¬<lb/>
den zu ſeyn. Als ſie auf einer Hoͤhe angekommen waren,<lb/>
wo man Gelnhauſen noch einmal ſehen konnte, drehte ſich<lb/>
Gockel um, und ſprach: „unſeliger Ort, wo ich um den<lb/>
koͤſtlichen Ring Salomonis betrogen ward; abſcheulicher, un¬<lb/>
dankbarer Eifraſius, wie ſchaͤndlich haſt du mich in meinem<lb/>
Ungluͤck verſtoßen, und haſt nicht daran gedacht, mir die<lb/>
hundert Stuͤck neue Gockeld'ors wieder zu geben, die du in<lb/>
gluͤcklicher Zeit von mir geborgt.“ Frau Hinkel aber rief<lb/>
aus: „o Koͤnigin Eilegia! wie manches indianiſche Vogel¬<lb/>
neſt ſammt den Eiern habe ich dir zum Geſchenk gemacht,<lb/>
wie viele Eierſpeiſen habe ich dich bereiten gelehrt, wie viel<lb/>
hundert Oſtereier habe ich dir mit ſchoͤnen Blumen und Blaͤt¬<lb/>
tern bunt geſotten, die ſchoͤnſten Muſter zu Hauben und Gar¬<lb/>
nituren a l'oͤff de Puffpuff habe ich dir mitgetheilt, und nun,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[128/0170]
Auf dieſe Bekanntmachung hatten ſchon mehrere Buͤr¬
ger ihre Nachtlichter aus Fenſter geſtellt, da kam ein an¬
derer Befehl:
„Der Patriotismus ſoll ſich noch faſſen
Und alles Obige unterlaſſen;
Nach einem aͤrztlichen Conſulte
Sind zu vermeiden alle Tumulte.
Ein Geneſungsfeſt in leiſeſter Stille
Iſt Eifraſii allerweiſeſter Wille.
Die guten Buͤrger waren ſo muͤd und ſchlaͤfrig, daß ſie
ihren Patriotismus diesmal beruhigen ließen, und ganz
Gelnhauſen in das tiefe Schnarchen der Eierburger ein¬
ſtimmte. — Auf dem Markt am folgenden Tag ſtieg der
Eierpreis um 3 und 7/87 Procent.
Der arme Gockel, die arme Frau Hinkel, die arme Ga¬
ckeleia zogen wieder wie ehedem durch den wilden Wald nach
dem alten Schloß; aber ſie waren viel trauriger und rede¬
ten kein Wort, ja Frau Hinkel hatte gar die Schuͤrze uͤber
den Kopf gehaͤngt, weil ſie ſich ſchaͤmte, ſo haͤßlich gewor¬
den zu ſeyn. Als ſie auf einer Hoͤhe angekommen waren,
wo man Gelnhauſen noch einmal ſehen konnte, drehte ſich
Gockel um, und ſprach: „unſeliger Ort, wo ich um den
koͤſtlichen Ring Salomonis betrogen ward; abſcheulicher, un¬
dankbarer Eifraſius, wie ſchaͤndlich haſt du mich in meinem
Ungluͤck verſtoßen, und haſt nicht daran gedacht, mir die
hundert Stuͤck neue Gockeld'ors wieder zu geben, die du in
gluͤcklicher Zeit von mir geborgt.“ Frau Hinkel aber rief
aus: „o Koͤnigin Eilegia! wie manches indianiſche Vogel¬
neſt ſammt den Eiern habe ich dir zum Geſchenk gemacht,
wie viele Eierſpeiſen habe ich dich bereiten gelehrt, wie viel
hundert Oſtereier habe ich dir mit ſchoͤnen Blumen und Blaͤt¬
tern bunt geſotten, die ſchoͤnſten Muſter zu Hauben und Gar¬
nituren a l'oͤff de Puffpuff habe ich dir mitgetheilt, und nun,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/170>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.