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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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ansehen durfte. Gehe nur ein bischen weg, gleich wird
mein Vater in einer nahen Laube sein Mittagsschläfchen hal¬
ten, da will ich den Ring schon auf ein Weilchen kriegen.
Aber, daß du mir gleich wieder da bist, wenn ich den Ring
bringe."

"Ganz gewiß", sagte der Alte, "ich will Ihnen die Kleider
der Kunstfigur als ein Pfand gleich hier lassen, Sie können
sie alle hübsch glatt streichen und in ihr Körbchen legen, sie
sind an dem Schirm ein bischen aus der Facon gekommen."
Da gab er ihr die Kleider und Kleinigkeiten, die er von
dem Schirme ablöste, und verließ dann mit der Kunstfigur
die kleine Gackeleia, die ihm immer nachrief: "aber daß du
nur auch ganz gewiß kömmst, der Ring soll dich recht an¬
lachen!" "Ja, ja ganz gewiß", rief der Alte und verschwand
hinter den Hecken. Gackeleia aber setzte sich in ihre Laube,
musterte und ordnete alle Kleider der Puppe, und dachte
schon, wie die kleine Gärtnerin bei ihr zwischen den Blumen¬
beeten herumlaufen würde, und konnte sich zum Voraus vor
Freude gar nicht fassen.

Aber schnell bewahrte sie die Kleider in ihrem Korb, da
sie den Vater Gockel auf seinem Stuhle in der Laube schnar¬
chen hörte. Sie schlich hin, setzte sich zu seinen Füßen,
hatte seine Hand in der ihrigen und sah in den grünen Stein
des Ringes. Als sie nun den Stein berührte und vor sich
sagte: "ach wenn ich den Ring nur leise von seinem Finger
herunter hätte!" da that der Ring seine Wirkung. Gockel
schlief fest und schnarchte, und der Ring fiel in das Händ¬
chen der Gackeleia, welche geschwind wie der Wind nach ih¬
rem Gärtchen lief, wo der alte Mann vor Begierde nach dem
Ring sein mageres Gesicht mit dem Barte schon wie ein
alter Ziegenbock über das Gitter herüber streckte. Gackeleia
hielt ihm den Ring entgegen und sprach: "die Kunstfigur her!
die Kunstfigur her! sieh hier ist der Ring; aber ich gebe ihn
nicht, bis du mir erkläret hast, wie man die Figur aufzieht

anſehen durfte. Gehe nur ein bischen weg, gleich wird
mein Vater in einer nahen Laube ſein Mittagsſchlaͤfchen hal¬
ten, da will ich den Ring ſchon auf ein Weilchen kriegen.
Aber, daß du mir gleich wieder da biſt, wenn ich den Ring
bringe.“

„Ganz gewiß“, ſagte der Alte, „ich will Ihnen die Kleider
der Kunſtfigur als ein Pfand gleich hier laſſen, Sie koͤnnen
ſie alle huͤbſch glatt ſtreichen und in ihr Koͤrbchen legen, ſie
ſind an dem Schirm ein bischen aus der Façon gekommen.“
Da gab er ihr die Kleider und Kleinigkeiten, die er von
dem Schirme abloͤſte, und verließ dann mit der Kunſtfigur
die kleine Gackeleia, die ihm immer nachrief: „aber daß du
nur auch ganz gewiß koͤmmſt, der Ring ſoll dich recht an¬
lachen!“ „Ja, ja ganz gewiß“, rief der Alte und verſchwand
hinter den Hecken. Gackeleia aber ſetzte ſich in ihre Laube,
muſterte und ordnete alle Kleider der Puppe, und dachte
ſchon, wie die kleine Gaͤrtnerin bei ihr zwiſchen den Blumen¬
beeten herumlaufen wuͤrde, und konnte ſich zum Voraus vor
Freude gar nicht faſſen.

Aber ſchnell bewahrte ſie die Kleider in ihrem Korb, da
ſie den Vater Gockel auf ſeinem Stuhle in der Laube ſchnar¬
chen hoͤrte. Sie ſchlich hin, ſetzte ſich zu ſeinen Fuͤßen,
hatte ſeine Hand in der ihrigen und ſah in den gruͤnen Stein
des Ringes. Als ſie nun den Stein beruͤhrte und vor ſich
ſagte: „ach wenn ich den Ring nur leiſe von ſeinem Finger
herunter haͤtte!“ da that der Ring ſeine Wirkung. Gockel
ſchlief feſt und ſchnarchte, und der Ring fiel in das Haͤnd¬
chen der Gackeleia, welche geſchwind wie der Wind nach ih¬
rem Gaͤrtchen lief, wo der alte Mann vor Begierde nach dem
Ring ſein mageres Geſicht mit dem Barte ſchon wie ein
alter Ziegenbock uͤber das Gitter heruͤber ſtreckte. Gackeleia
hielt ihm den Ring entgegen und ſprach: „die Kunſtfigur her!
die Kunſtfigur her! ſieh hier iſt der Ring; aber ich gebe ihn
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[116/0154] anſehen durfte. Gehe nur ein bischen weg, gleich wird mein Vater in einer nahen Laube ſein Mittagsſchlaͤfchen hal¬ ten, da will ich den Ring ſchon auf ein Weilchen kriegen. Aber, daß du mir gleich wieder da biſt, wenn ich den Ring bringe.“ „Ganz gewiß“, ſagte der Alte, „ich will Ihnen die Kleider der Kunſtfigur als ein Pfand gleich hier laſſen, Sie koͤnnen ſie alle huͤbſch glatt ſtreichen und in ihr Koͤrbchen legen, ſie ſind an dem Schirm ein bischen aus der Façon gekommen.“ Da gab er ihr die Kleider und Kleinigkeiten, die er von dem Schirme abloͤſte, und verließ dann mit der Kunſtfigur die kleine Gackeleia, die ihm immer nachrief: „aber daß du nur auch ganz gewiß koͤmmſt, der Ring ſoll dich recht an¬ lachen!“ „Ja, ja ganz gewiß“, rief der Alte und verſchwand hinter den Hecken. Gackeleia aber ſetzte ſich in ihre Laube, muſterte und ordnete alle Kleider der Puppe, und dachte ſchon, wie die kleine Gaͤrtnerin bei ihr zwiſchen den Blumen¬ beeten herumlaufen wuͤrde, und konnte ſich zum Voraus vor Freude gar nicht faſſen. Aber ſchnell bewahrte ſie die Kleider in ihrem Korb, da ſie den Vater Gockel auf ſeinem Stuhle in der Laube ſchnar¬ chen hoͤrte. Sie ſchlich hin, ſetzte ſich zu ſeinen Fuͤßen, hatte ſeine Hand in der ihrigen und ſah in den gruͤnen Stein des Ringes. Als ſie nun den Stein beruͤhrte und vor ſich ſagte: „ach wenn ich den Ring nur leiſe von ſeinem Finger herunter haͤtte!“ da that der Ring ſeine Wirkung. Gockel ſchlief feſt und ſchnarchte, und der Ring fiel in das Haͤnd¬ chen der Gackeleia, welche geſchwind wie der Wind nach ih¬ rem Gaͤrtchen lief, wo der alte Mann vor Begierde nach dem Ring ſein mageres Geſicht mit dem Barte ſchon wie ein alter Ziegenbock uͤber das Gitter heruͤber ſtreckte. Gackeleia hielt ihm den Ring entgegen und ſprach: „die Kunſtfigur her! die Kunſtfigur her! ſieh hier iſt der Ring; aber ich gebe ihn nicht, bis du mir erklaͤret haſt, wie man die Figur aufzieht

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/154>, abgerufen am 27.11.2024.