Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.Herzliche Zueignung. sen, so wäre sie vielleicht Gefahr gelaufen, durch meinen Geschmackzu erbleichen, aber in ihrer jetzigen Beschaffenheit stand sie unter den Kanonen des Kriegsschiffes sicher vor mir. -- Jene biegsamen, un¬ zerbrechlichen Zaubergärten von Seidendrathblümchen aber, welche ich höchstens ein wenig zerbog, legte ich um mich her, und saß da¬ zwischen, die drei Pomeranzen, das grüne Vögelchen, das tanzende Wasser von Gozzi lesend, und glaubte mich selbst einen verschäferten Prinzen, der voll Sehnsucht seine Lämmer in den Thälern dieses Paradieses weidete und nach Erlösung seufzte. Ich glaubte mich dann mit diesen Zaubergärten mitten in Vadutz, wo mir das Paradies, wie Lindaraxas Gärtchen mitten in dem Alhambra eingeschlossen lag. -- Da lebte ich eine Mährchenwelt, die über der Wirklichkeit, wie ein Sternhimmel über einer Froschpfütze lag. Man nannte diese ungemein artigen Blumenverzierungen mit vollem Recht agrements, Anmuthigkeiten, Lieblichkeiten. Als man diese Anmuthigkeiten nicht mehr trug, benützte man ihre Ueberbleibsel, kleine Heiligen-Bilder oder Wachskindchen damit zu umgeben, und nannte diese unter einem Glase bewahrt, Paradieschen, welche die Kinder mit großer Lust betrach¬ teten, sich fest einbildend, Adam und Eva seyen einst mit allen Geschöpfen in solcher Herrlichkeit herumspaziert. Weil nun jeder Mensch wohl fühlt, daß er das Paradies verloren hat, und sich da¬ her irgend ein Surrogat erschaffen, sich mit irgend einem Schmuck, einer Krone u. dgl. verkleiden, verschönern möchte, machten sich von je die Töchter der Menschen, naiv genug, solche kleine Gärten aus ver¬ gänglichen Dingen, wozu aller Putz der Frauen und die kleinen Ado¬ nisgärtchen gehören, die bei dem Adonisfeste um Sonnenwende prun¬ kend umher getragen und dann in den Strom geworfen wurden; so auch machen sich gern die Kinder aus dergleichen Ueberresten von Flittern irgend eine glitzernde Zusammenstellung unter einem Stück¬ chen Glas, hinter einem Thürchen von Papier, und zeigen ein¬ ander für eine Stecknadel diese Herrlichkeit. -- Als ich später in Geschäften der Akademie der Menschenkenner eine große Reise mit dem gelehrten Wunderkind Monsieur Heinicke machte, theils um dem verlornen Paradies, theils um allen Raritäten und der Kunst auf die Spur zu kommen, war das Resultat unsers Reiseberichts: "Einige bunte Seideflöckchen mit Goldfädchen, Flittern und andern Agre¬ ments mehr oder weniger fantastisch verwirrt und hinter einem Qua¬ dratzoll weißen Glases auf Papier platt gedrückt, und das Alles Herzliche Zueignung. ſen, ſo waͤre ſie vielleicht Gefahr gelaufen, durch meinen Geſchmackzu erbleichen, aber in ihrer jetzigen Beſchaffenheit ſtand ſie unter den Kanonen des Kriegsſchiffes ſicher vor mir. — Jene biegſamen, un¬ zerbrechlichen Zaubergaͤrten von Seidendrathbluͤmchen aber, welche ich hoͤchſtens ein wenig zerbog, legte ich um mich her, und ſaß da¬ zwiſchen, die drei Pomeranzen, das gruͤne Voͤgelchen, das tanzende Waſſer von Gozzi leſend, und glaubte mich ſelbſt einen verſchaͤferten Prinzen, der voll Sehnſucht ſeine Laͤmmer in den Thaͤlern dieſes Paradieſes weidete und nach Erloͤſung ſeufzte. Ich glaubte mich dann mit dieſen Zaubergaͤrten mitten in Vadutz, wo mir das Paradies, wie Lindaraxas Gaͤrtchen mitten in dem Alhambra eingeſchloſſen lag. — Da lebte ich eine Maͤhrchenwelt, die uͤber der Wirklichkeit, wie ein Sternhimmel uͤber einer Froſchpfuͤtze lag. Man nannte dieſe ungemein artigen Blumenverzierungen mit vollem Recht agréments, Anmuthigkeiten, Lieblichkeiten. Als man dieſe Anmuthigkeiten nicht mehr trug, benuͤtzte man ihre Ueberbleibſel, kleine Heiligen-Bilder oder Wachskindchen damit zu umgeben, und nannte dieſe unter einem Glaſe bewahrt, Paradieschen, welche die Kinder mit großer Luſt betrach¬ teten, ſich feſt einbildend, Adam und Eva ſeyen einſt mit allen Geſchoͤpfen in ſolcher Herrlichkeit herumſpaziert. Weil nun jeder Menſch wohl fuͤhlt, daß er das Paradies verloren hat, und ſich da¬ her irgend ein Surrogat erſchaffen, ſich mit irgend einem Schmuck, einer Krone u. dgl. verkleiden, verſchoͤnern moͤchte, machten ſich von je die Toͤchter der Menſchen, naiv genug, ſolche kleine Gaͤrten aus ver¬ gaͤnglichen Dingen, wozu aller Putz der Frauen und die kleinen Ado¬ nisgaͤrtchen gehoͤren, die bei dem Adonisfeſte um Sonnenwende prun¬ kend umher getragen und dann in den Strom geworfen wurden; ſo auch machen ſich gern die Kinder aus dergleichen Ueberreſten von Flittern irgend eine glitzernde Zuſammenſtellung unter einem Stuͤck¬ chen Glas, hinter einem Thuͤrchen von Papier, und zeigen ein¬ ander fuͤr eine Stecknadel dieſe Herrlichkeit. — Als ich ſpaͤter in Geſchaͤften der Akademie der Menſchenkenner eine große Reiſe mit dem gelehrten Wunderkind Monſieur Heinicke machte, theils um dem verlornen Paradies, theils um allen Raritaͤten und der Kunſt auf die Spur zu kommen, war das Reſultat unſers Reiſeberichts: „Einige bunte Seidefloͤckchen mit Goldfaͤdchen, Flittern und andern Agre¬ ments mehr oder weniger fantaſtiſch verwirrt und hinter einem Qua¬ dratzoll weißen Glaſes auf Papier platt gedruͤckt, und das Alles <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015" n="VII"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Herzliche Zueignung.</hi><lb/></fw>ſen, ſo waͤre ſie vielleicht Gefahr gelaufen, durch meinen Geſchmack<lb/> zu erbleichen, aber in ihrer jetzigen Beſchaffenheit ſtand ſie unter den<lb/> Kanonen des Kriegsſchiffes ſicher vor mir. — Jene biegſamen, un¬<lb/> zerbrechlichen Zaubergaͤrten von Seidendrathbluͤmchen aber, welche<lb/> ich hoͤchſtens ein wenig zerbog, legte ich um mich her, und ſaß da¬<lb/> zwiſchen, die drei Pomeranzen, das gruͤne Voͤgelchen, das tanzende<lb/> Waſſer von Gozzi leſend, und glaubte mich ſelbſt einen verſchaͤferten<lb/> Prinzen, der voll Sehnſucht ſeine Laͤmmer in den Thaͤlern dieſes<lb/> Paradieſes weidete und nach Erloͤſung ſeufzte. 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Weil nun jeder<lb/> Menſch wohl fuͤhlt, daß er das Paradies verloren hat, und ſich da¬<lb/> her irgend ein Surrogat erſchaffen, ſich mit irgend einem Schmuck,<lb/> einer Krone u. dgl. verkleiden, verſchoͤnern moͤchte, machten ſich von je<lb/> die Toͤchter der Menſchen, naiv genug, ſolche kleine Gaͤrten aus ver¬<lb/> gaͤnglichen Dingen, wozu aller Putz der Frauen und die kleinen Ado¬<lb/> nisgaͤrtchen gehoͤren, die bei dem Adonisfeſte um Sonnenwende prun¬<lb/> kend umher getragen und dann in den Strom geworfen wurden; ſo<lb/> auch machen ſich gern die Kinder aus dergleichen Ueberreſten von<lb/> Flittern irgend eine glitzernde Zuſammenſtellung unter einem Stuͤck¬<lb/> chen Glas, hinter einem Thuͤrchen von Papier, und zeigen ein¬<lb/> ander fuͤr eine Stecknadel dieſe Herrlichkeit. — Als ich ſpaͤter in<lb/> Geſchaͤften der Akademie der Menſchenkenner eine große Reiſe mit<lb/> dem gelehrten Wunderkind Monſieur Heinicke machte, theils um dem<lb/> verlornen Paradies, theils um allen Raritaͤten und der Kunſt auf<lb/> die Spur zu kommen, war das Reſultat unſers Reiſeberichts: „Einige<lb/> bunte Seidefloͤckchen mit Goldfaͤdchen, Flittern und andern Agre¬<lb/> ments mehr oder weniger fantaſtiſch verwirrt und hinter einem Qua¬<lb/> dratzoll weißen Glaſes auf Papier platt gedruͤckt, und das Alles<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [VII/0015]
Herzliche Zueignung.
ſen, ſo waͤre ſie vielleicht Gefahr gelaufen, durch meinen Geſchmack
zu erbleichen, aber in ihrer jetzigen Beſchaffenheit ſtand ſie unter den
Kanonen des Kriegsſchiffes ſicher vor mir. — Jene biegſamen, un¬
zerbrechlichen Zaubergaͤrten von Seidendrathbluͤmchen aber, welche
ich hoͤchſtens ein wenig zerbog, legte ich um mich her, und ſaß da¬
zwiſchen, die drei Pomeranzen, das gruͤne Voͤgelchen, das tanzende
Waſſer von Gozzi leſend, und glaubte mich ſelbſt einen verſchaͤferten
Prinzen, der voll Sehnſucht ſeine Laͤmmer in den Thaͤlern dieſes
Paradieſes weidete und nach Erloͤſung ſeufzte. Ich glaubte mich dann
mit dieſen Zaubergaͤrten mitten in Vadutz, wo mir das Paradies,
wie Lindaraxas Gaͤrtchen mitten in dem Alhambra eingeſchloſſen
lag. — Da lebte ich eine Maͤhrchenwelt, die uͤber der Wirklichkeit,
wie ein Sternhimmel uͤber einer Froſchpfuͤtze lag. Man nannte dieſe
ungemein artigen Blumenverzierungen mit vollem Recht agréments,
Anmuthigkeiten, Lieblichkeiten. Als man dieſe Anmuthigkeiten nicht mehr
trug, benuͤtzte man ihre Ueberbleibſel, kleine Heiligen-Bilder oder
Wachskindchen damit zu umgeben, und nannte dieſe unter einem Glaſe
bewahrt, Paradieschen, welche die Kinder mit großer Luſt betrach¬
teten, ſich feſt einbildend, Adam und Eva ſeyen einſt mit allen
Geſchoͤpfen in ſolcher Herrlichkeit herumſpaziert. Weil nun jeder
Menſch wohl fuͤhlt, daß er das Paradies verloren hat, und ſich da¬
her irgend ein Surrogat erſchaffen, ſich mit irgend einem Schmuck,
einer Krone u. dgl. verkleiden, verſchoͤnern moͤchte, machten ſich von je
die Toͤchter der Menſchen, naiv genug, ſolche kleine Gaͤrten aus ver¬
gaͤnglichen Dingen, wozu aller Putz der Frauen und die kleinen Ado¬
nisgaͤrtchen gehoͤren, die bei dem Adonisfeſte um Sonnenwende prun¬
kend umher getragen und dann in den Strom geworfen wurden; ſo
auch machen ſich gern die Kinder aus dergleichen Ueberreſten von
Flittern irgend eine glitzernde Zuſammenſtellung unter einem Stuͤck¬
chen Glas, hinter einem Thuͤrchen von Papier, und zeigen ein¬
ander fuͤr eine Stecknadel dieſe Herrlichkeit. — Als ich ſpaͤter in
Geſchaͤften der Akademie der Menſchenkenner eine große Reiſe mit
dem gelehrten Wunderkind Monſieur Heinicke machte, theils um dem
verlornen Paradies, theils um allen Raritaͤten und der Kunſt auf
die Spur zu kommen, war das Reſultat unſers Reiſeberichts: „Einige
bunte Seidefloͤckchen mit Goldfaͤdchen, Flittern und andern Agre¬
ments mehr oder weniger fantaſtiſch verwirrt und hinter einem Qua¬
dratzoll weißen Glaſes auf Papier platt gedruͤckt, und das Alles
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