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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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gleich einem Herold mit lautem Trompetenstoß. Wunderbar
ist der Hahn; schreitet er durch ein Thor, wo ein Reiter
hindurch könnte, bücket er doch das Haupt, seinen Kamm
nicht anzustoßen, denn er fühlt seine innere Hoheit. Wie
liebet der Hahn seine Familie! Dem legenden Huhn singt
er liebliche Arien: "bei Hühnern, welche Liebe fühlen, fehlt
auch ein gutes Herze nicht, die süßen Triebe mit zu fühlen,
ist auch der Hahnen erste Pflicht;" -- stirbt ihm die brütende
Freundin, so vollendet er die Brut und führet die Hühnlein,
doch ohne zu krähen, um allein Mütterliches zu thun. --
O welch erhabenes Geschöpf ist der Hahn! Phidias setzte
sein Bild auf den Helm der Minerva, Idomeneus auf
sein Schild. Er war der Sonne, dem Mars, dem Mercur,
dem Aesculap geweiht. O wie geistreich ist der Hahn! Wer
kann es den morgenländischen Kabbalisten verdenken, daß
sie sich Alektryo's bemächtigen wollten, da sie an die Seelen¬
wanderung glaubten und der Hahn des Mycillus sich seinem
Herrn selbst als die Seele des Pythagoras vorstellte, die
inkognito krähte. Ja wie mehr als ein Hahn ist ein Hahn,
da sogar ein gerupfter Hahn noch den Menschen des Plato
vorstellen konnte"! u. s. w.

Noch unaussprechlich vieles Erbauliche, Moralische, Hi¬
storische, Allegorische, Medizinische, Mystische, selbst Poli¬
tische brachte Gockel in dieser schönen Leichenrede an, welche
auch oft von dem lauten Schluchzen und Weinen Gockels,
der Frau Hinkel und der kleinen Gackeleia unterbrochen ward.
Selbst alle Vögelein gaben ihre Rührung mit leisem Piepen
zu verstehen; weil aber der größte Theil der Rede aus Co¬
leri Haushaltungsbuch und aus Gesneri Vogelbuch u. s. w.
herrührte, zogen sich die zuhörenden Vögel, denen es viel zu
lang dauerte, nach und nach in der Stille zurück, -- und
da er nun gar noch allerlei Abergläubisches von der Alek¬
tryomantie, einer Art zauberischer Wahrsagerei vermittelst
der Hahnen, und von dem Hahnenei, woraus die Basilisken

gleich einem Herold mit lautem Trompetenſtoß. Wunderbar
iſt der Hahn; ſchreitet er durch ein Thor, wo ein Reiter
hindurch koͤnnte, buͤcket er doch das Haupt, ſeinen Kamm
nicht anzuſtoßen, denn er fuͤhlt ſeine innere Hoheit. Wie
liebet der Hahn ſeine Familie! Dem legenden Huhn ſingt
er liebliche Arien: „bei Huͤhnern, welche Liebe fuͤhlen, fehlt
auch ein gutes Herze nicht, die ſuͤßen Triebe mit zu fuͤhlen,
iſt auch der Hahnen erſte Pflicht;“ — ſtirbt ihm die bruͤtende
Freundin, ſo vollendet er die Brut und fuͤhret die Huͤhnlein,
doch ohne zu kraͤhen, um allein Muͤtterliches zu thun. —
O welch erhabenes Geſchoͤpf iſt der Hahn! Phidias ſetzte
ſein Bild auf den Helm der Minerva, Idomeneus auf
ſein Schild. Er war der Sonne, dem Mars, dem Mercur,
dem Aesculap geweiht. O wie geiſtreich iſt der Hahn! Wer
kann es den morgenlaͤndiſchen Kabbaliſten verdenken, daß
ſie ſich Alektryo's bemaͤchtigen wollten, da ſie an die Seelen¬
wanderung glaubten und der Hahn des Mycillus ſich ſeinem
Herrn ſelbſt als die Seele des Pythagoras vorſtellte, die
inkognito kraͤhte. Ja wie mehr als ein Hahn iſt ein Hahn,
da ſogar ein gerupfter Hahn noch den Menſchen des Plato
vorſtellen konnte“! u. ſ. w.

Noch unausſprechlich vieles Erbauliche, Moraliſche, Hi¬
ſtoriſche, Allegoriſche, Mediziniſche, Myſtiſche, ſelbſt Poli¬
tiſche brachte Gockel in dieſer ſchoͤnen Leichenrede an, welche
auch oft von dem lauten Schluchzen und Weinen Gockels,
der Frau Hinkel und der kleinen Gackeleia unterbrochen ward.
Selbſt alle Voͤgelein gaben ihre Ruͤhrung mit leiſem Piepen
zu verſtehen; weil aber der groͤßte Theil der Rede aus Co¬
leri Haushaltungsbuch und aus Gesneri Vogelbuch u. ſ. w.
herruͤhrte, zogen ſich die zuhoͤrenden Voͤgel, denen es viel zu
lang dauerte, nach und nach in der Stille zuruͤck, — und
da er nun gar noch allerlei Aberglaͤubiſches von der Alek¬
tryomantie, einer Art zauberiſcher Wahrſagerei vermittelſt
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[70/0100] gleich einem Herold mit lautem Trompetenſtoß. Wunderbar iſt der Hahn; ſchreitet er durch ein Thor, wo ein Reiter hindurch koͤnnte, buͤcket er doch das Haupt, ſeinen Kamm nicht anzuſtoßen, denn er fuͤhlt ſeine innere Hoheit. Wie liebet der Hahn ſeine Familie! Dem legenden Huhn ſingt er liebliche Arien: „bei Huͤhnern, welche Liebe fuͤhlen, fehlt auch ein gutes Herze nicht, die ſuͤßen Triebe mit zu fuͤhlen, iſt auch der Hahnen erſte Pflicht;“ — ſtirbt ihm die bruͤtende Freundin, ſo vollendet er die Brut und fuͤhret die Huͤhnlein, doch ohne zu kraͤhen, um allein Muͤtterliches zu thun. — O welch erhabenes Geſchoͤpf iſt der Hahn! Phidias ſetzte ſein Bild auf den Helm der Minerva, Idomeneus auf ſein Schild. Er war der Sonne, dem Mars, dem Mercur, dem Aesculap geweiht. O wie geiſtreich iſt der Hahn! Wer kann es den morgenlaͤndiſchen Kabbaliſten verdenken, daß ſie ſich Alektryo's bemaͤchtigen wollten, da ſie an die Seelen¬ wanderung glaubten und der Hahn des Mycillus ſich ſeinem Herrn ſelbſt als die Seele des Pythagoras vorſtellte, die inkognito kraͤhte. Ja wie mehr als ein Hahn iſt ein Hahn, da ſogar ein gerupfter Hahn noch den Menſchen des Plato vorſtellen konnte“! u. ſ. w. Noch unausſprechlich vieles Erbauliche, Moraliſche, Hi¬ ſtoriſche, Allegoriſche, Mediziniſche, Myſtiſche, ſelbſt Poli¬ tiſche brachte Gockel in dieſer ſchoͤnen Leichenrede an, welche auch oft von dem lauten Schluchzen und Weinen Gockels, der Frau Hinkel und der kleinen Gackeleia unterbrochen ward. Selbſt alle Voͤgelein gaben ihre Ruͤhrung mit leiſem Piepen zu verſtehen; weil aber der groͤßte Theil der Rede aus Co¬ leri Haushaltungsbuch und aus Gesneri Vogelbuch u. ſ. w. herruͤhrte, zogen ſich die zuhoͤrenden Voͤgel, denen es viel zu lang dauerte, nach und nach in der Stille zuruͤck, — und da er nun gar noch allerlei Aberglaͤubiſches von der Alek¬ tryomantie, einer Art zauberiſcher Wahrſagerei vermittelſt der Hahnen, und von dem Hahnenei, woraus die Baſilisken

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/100>, abgerufen am 25.11.2024.