ein Gewicht von 100 Zentnern, wie das auf manchen Himmelskörpern der Fall wäre, zu Boden zieht, daß wir nicht zerquetscht werden von einem hundertfachen Druck der Atmosphäre? Woher kommt der merkwürdige Kreis- lauf des Wassers, welches als Regen die Pflanzenwelt tränkt, einsickert, als Quelle uns und den Thieren, ge- reinigt und mit zuträglichen Mineralien versetzt, aus dem Felsen hervorsprudelt, in den Bächen und Flüssen den Fischen ihren Aufenthaltsort bietet, dem Meere zu- strömt, durch die Sonnenstrahlen verdunstet, Wolken bildet und als Regen wieder herabfällt? Woher kommt es, daß das Wasser, eine vereinzelt dastehende Aus- nahme - nicht dichter wird bei größerer Abkühlung, vielmehr seine größte Dichtigkeit, mithin sein größtes Gewicht 4 Grad über Null hat? Folgt es der allge- meinen Regel, so würde das Eis nicht auf dem Wasser schwimmen, sondern untersinken; die Meere gefrören zu Eisklötzen, und bald könnte vor Kälte kein Mensch mehr auf Erden leben. Wie kommt es endlich, daß die leb- losen Mineralien in so scharf mathematischen Krystallen sich zusammen gruppiren?
"Wenn Sie das Alles für Zufall erklären, dann sage ich Ihnen mit demselben und noch mit größerem Recht: Goethe's Faust ist nichts als Fliegendreck; Goethe hat nie die Idee zu demselben gefaßt; vielmehr hatte er zufällig mehrere Bogen weißen Papiers in seinem Zimmer liegen, und in seiner Abwesenheit waren die Fliegen so glücklich, durch ihre schwarzen Zeichnungen gerade die Buchstaben, Verse und Scenen des Faust
ein Gewicht von 100 Zentnern, wie das auf manchen Himmelskörpern der Fall wäre, zu Boden zieht, daß wir nicht zerquetscht werden von einem hundertfachen Druck der Atmosphäre? Woher kommt der merkwürdige Kreis- lauf des Wassers, welches als Regen die Pflanzenwelt tränkt, einsickert, als Quelle uns und den Thieren, ge- reinigt und mit zuträglichen Mineralien versetzt, aus dem Felsen hervorsprudelt, in den Bächen und Flüssen den Fischen ihren Aufenthaltsort bietet, dem Meere zu- strömt, durch die Sonnenstrahlen verdunstet, Wolken bildet und als Regen wieder herabfällt? Woher kommt es, daß das Wasser, eine vereinzelt dastehende Aus- nahme – nicht dichter wird bei größerer Abkühlung, vielmehr seine größte Dichtigkeit, mithin sein größtes Gewicht 4 Grad über Null hat? Folgt es der allge- meinen Regel, so würde das Eis nicht auf dem Wasser schwimmen, sondern untersinken; die Meere gefrören zu Eisklötzen, und bald könnte vor Kälte kein Mensch mehr auf Erden leben. Wie kommt es endlich, daß die leb- losen Mineralien in so scharf mathematischen Krystallen sich zusammen gruppiren?
„Wenn Sie das Alles für Zufall erklären, dann sage ich Ihnen mit demselben und noch mit größerem Recht: Goethe's Faust ist nichts als Fliegendreck; Goethe hat nie die Idee zu demselben gefaßt; vielmehr hatte er zufällig mehrere Bogen weißen Papiers in seinem Zimmer liegen, und in seiner Abwesenheit waren die Fliegen so glücklich, durch ihre schwarzen Zeichnungen gerade die Buchstaben, Verse und Scenen des Faust
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ein Gewicht von 100 Zentnern, wie das auf manchen
Himmelskörpern der Fall wäre, zu Boden zieht, daß wir
nicht zerquetscht werden von einem hundertfachen Druck
der Atmosphäre? Woher kommt der merkwürdige Kreis-
lauf des Wassers, welches als Regen die Pflanzenwelt
tränkt, einsickert, als Quelle uns und den Thieren, ge-
reinigt und mit zuträglichen Mineralien versetzt, aus
dem Felsen hervorsprudelt, in den Bächen und Flüssen
den Fischen ihren Aufenthaltsort bietet, dem Meere zu-
strömt, durch die Sonnenstrahlen verdunstet, Wolken
bildet und als Regen wieder herabfällt? Woher kommt
es, daß das Wasser, eine vereinzelt dastehende Aus-
nahme – nicht dichter wird bei größerer Abkühlung,
vielmehr seine größte Dichtigkeit, mithin sein größtes
Gewicht 4 Grad über Null hat? Folgt es der allge-
meinen Regel, so würde das Eis nicht auf dem Wasser
schwimmen, sondern untersinken; die Meere gefrören zu
Eisklötzen, und bald könnte vor Kälte kein Mensch mehr
auf Erden leben. Wie kommt es endlich, daß die leb-
losen Mineralien in so scharf mathematischen Krystallen
sich zusammen gruppiren?
„Wenn Sie das Alles für Zufall erklären, dann
sage ich Ihnen mit demselben und noch mit größerem
Recht: Goethe's Faust ist nichts als Fliegendreck; Goethe
hat nie die Idee zu demselben gefaßt; vielmehr hatte
er zufällig mehrere Bogen weißen Papiers in seinem
Zimmer liegen, und in seiner Abwesenheit waren die
Fliegen so glücklich, durch ihre schwarzen Zeichnungen
gerade die Buchstaben, Verse und Scenen des Faust
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Bremscheid, Matthias von. Der christliche Mann in seinem Glauben und Leben. Mainz, 1901, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bremscheid_mann_1901/46>, abgerufen am 21.11.2024.
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