Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bremscheid, Matthias von. Der christliche Mann in seinem Glauben und Leben. Mainz, 1901.

Bild:
<< vorherige Seite
1.

Christliche Männer, ihr seid Menschen;
durch die Unmäßigkeit im Trinken aber
entehrt ihr euere menschliche Würde
. Es
ist wahr, der Mensch ist gefallen; er steht nicht mehr
auf der Höhe, auf welcher er einst gestanden. Seine
Erkenntniß ist verdunkelt und leicht dem Irrthum zu-
gänglich, sein Wille zum Bösen geneigt von frühester
Jugend an. Und doch ist er auch jetzt noch der König
der sichtbaren Schöpfung, die erhabenste Kreatur auf
unserer Erde. Sein Verstand kann eindringen in die
Tiefen der Wissenschaft, kann die Bahnen der Himmels-
körper berechnen, der Natur ihre Geheimnisse, ihre ver-
borgenen Gesetze ablauschen, kann sich große Kenntnisse
und Fertigkeiten aneignen und mit diesen dann
Staunenswerthes zu Stande bringen. Er gibt dem
Blitze seine Bahn an, beherrscht das ungestüme Meer
und benützt die Dampfkraft, um mit größter Schnellig-
keit durch die Länder hinzufahren. Wie sein Verstand,
so ist auch sein freier Wille noch immer eine herrliche
Gabe, mit der er Großes und Tüchtiges wirken kann.
Wenn auch die meisten Menschen nicht die Fähigkeit und
Gelegenheit besitzen, Thaten zu verrichten, die allgemeine
Bewunderung hervorrufen, so ist es doch auch etwas
sehr Großes und Schönes, wenn der gewöhnliche Mann
jeden Tag mit frischer Kraft und Unverdrossenheit an
die Erfüllung seiner Berufsarbeiten geht, wenn er un-
gekannt und unbeachtet auf seinem bescheidenen Posten

1.

Christliche Männer, ihr seid Menschen;
durch die Unmäßigkeit im Trinken aber
entehrt ihr euere menschliche Würde
. Es
ist wahr, der Mensch ist gefallen; er steht nicht mehr
auf der Höhe, auf welcher er einst gestanden. Seine
Erkenntniß ist verdunkelt und leicht dem Irrthum zu-
gänglich, sein Wille zum Bösen geneigt von frühester
Jugend an. Und doch ist er auch jetzt noch der König
der sichtbaren Schöpfung, die erhabenste Kreatur auf
unserer Erde. Sein Verstand kann eindringen in die
Tiefen der Wissenschaft, kann die Bahnen der Himmels-
körper berechnen, der Natur ihre Geheimnisse, ihre ver-
borgenen Gesetze ablauschen, kann sich große Kenntnisse
und Fertigkeiten aneignen und mit diesen dann
Staunenswerthes zu Stande bringen. Er gibt dem
Blitze seine Bahn an, beherrscht das ungestüme Meer
und benützt die Dampfkraft, um mit größter Schnellig-
keit durch die Länder hinzufahren. Wie sein Verstand,
so ist auch sein freier Wille noch immer eine herrliche
Gabe, mit der er Großes und Tüchtiges wirken kann.
Wenn auch die meisten Menschen nicht die Fähigkeit und
Gelegenheit besitzen, Thaten zu verrichten, die allgemeine
Bewunderung hervorrufen, so ist es doch auch etwas
sehr Großes und Schönes, wenn der gewöhnliche Mann
jeden Tag mit frischer Kraft und Unverdrossenheit an
die Erfüllung seiner Berufsarbeiten geht, wenn er un-
gekannt und unbeachtet auf seinem bescheidenen Posten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="9">
        <div n="1">
          <pb facs="#f0219" xml:id="B836_001_1901_pb0207_0001" n="207"/>
          <head rendition="#c">1.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Christliche Männer, ihr seid Menschen</hi>;<lb/><hi rendition="#g">durch die Unmäßigkeit im Trinken aber<lb/>
entehrt ihr euere menschliche Würde</hi>. Es<lb/>
ist wahr, der Mensch ist gefallen; er steht nicht mehr<lb/>
auf der Höhe, auf welcher er einst gestanden. Seine<lb/>
Erkenntniß ist verdunkelt und leicht dem Irrthum zu-<lb/>
gänglich, sein Wille zum Bösen geneigt von frühester<lb/>
Jugend an. Und doch ist er auch jetzt noch der König<lb/>
der sichtbaren Schöpfung, die erhabenste Kreatur auf<lb/>
unserer Erde. Sein Verstand kann eindringen in die<lb/>
Tiefen der Wissenschaft, kann die Bahnen der Himmels-<lb/>
körper berechnen, der Natur ihre Geheimnisse, ihre ver-<lb/>
borgenen Gesetze ablauschen, kann sich große Kenntnisse<lb/>
und Fertigkeiten aneignen und mit diesen dann<lb/>
Staunenswerthes zu Stande bringen. Er gibt dem<lb/>
Blitze seine Bahn an, beherrscht das ungestüme Meer<lb/>
und benützt die Dampfkraft, um mit größter Schnellig-<lb/>
keit durch die Länder hinzufahren. Wie sein Verstand,<lb/>
so ist auch sein freier Wille noch immer eine herrliche<lb/>
Gabe, mit der er Großes und Tüchtiges wirken kann.<lb/>
Wenn auch die meisten Menschen nicht die Fähigkeit und<lb/>
Gelegenheit besitzen, Thaten zu verrichten, die allgemeine<lb/>
Bewunderung hervorrufen, so ist es doch auch etwas<lb/>
sehr Großes und Schönes, wenn der gewöhnliche Mann<lb/>
jeden Tag mit frischer Kraft und Unverdrossenheit an<lb/>
die Erfüllung seiner Berufsarbeiten geht, wenn er un-<lb/>
gekannt und unbeachtet auf seinem bescheidenen Posten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0219] 1. Christliche Männer, ihr seid Menschen; durch die Unmäßigkeit im Trinken aber entehrt ihr euere menschliche Würde. Es ist wahr, der Mensch ist gefallen; er steht nicht mehr auf der Höhe, auf welcher er einst gestanden. Seine Erkenntniß ist verdunkelt und leicht dem Irrthum zu- gänglich, sein Wille zum Bösen geneigt von frühester Jugend an. Und doch ist er auch jetzt noch der König der sichtbaren Schöpfung, die erhabenste Kreatur auf unserer Erde. Sein Verstand kann eindringen in die Tiefen der Wissenschaft, kann die Bahnen der Himmels- körper berechnen, der Natur ihre Geheimnisse, ihre ver- borgenen Gesetze ablauschen, kann sich große Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen und mit diesen dann Staunenswerthes zu Stande bringen. Er gibt dem Blitze seine Bahn an, beherrscht das ungestüme Meer und benützt die Dampfkraft, um mit größter Schnellig- keit durch die Länder hinzufahren. Wie sein Verstand, so ist auch sein freier Wille noch immer eine herrliche Gabe, mit der er Großes und Tüchtiges wirken kann. Wenn auch die meisten Menschen nicht die Fähigkeit und Gelegenheit besitzen, Thaten zu verrichten, die allgemeine Bewunderung hervorrufen, so ist es doch auch etwas sehr Großes und Schönes, wenn der gewöhnliche Mann jeden Tag mit frischer Kraft und Unverdrossenheit an die Erfüllung seiner Berufsarbeiten geht, wenn er un- gekannt und unbeachtet auf seinem bescheidenen Posten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt vom Projekt Digitization Lifecycle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

Anmerkungen zur Transkription:

Bei der Zeichenerkennung wurde nach Vorgabe des DLC modernisiert.

In Absprache mit dem MPI wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:

  • Bogensignaturen und Kustoden
  • Kolumnentitel
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizierung von titleParts verzichtet.
  • Bei Textpassagen, die als Abschnittsüberschrift ausgeweisen werden können, wird auf die zusätzliche Auszeichnung des Layouts verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.

Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet.

Weiche und harte Zeilentrennungen werden identisch als 002D übernommen. Der Zeilenumbruch selbst über lb ausgezeichnet.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bremscheid_mann_1901
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bremscheid_mann_1901/219
Zitationshilfe: Bremscheid, Matthias von. Der christliche Mann in seinem Glauben und Leben. Mainz, 1901, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bremscheid_mann_1901/219>, abgerufen am 28.11.2024.