nach einer anderen Richtung auf und davon. Ueber die Erwachsenen wird die Vermuthung aus- gesprochen, daß auch sie sich auf ähnliche Weise belustigen mögen, aber ungesehen spielen und in der Tiefe ihre Kreuz- und Quersprünge ausführen.
Wie wenig daran zu denken, daß solche Bewegungen auf Grund des Sehvermögens statt- finden, lehrt auch das Vorhandensein der Augen bei der den Kammmuscheln ganz nahe verwandten Sippe Spondylus,Klappmuschel. Diese nämlich wächst mit der tieferen Schale fest. Charak- terisirt wird sie auch durch die laugen Stacheln auf den Rippen. Da diese Anhängsel zum Ansammeln von Algen und Schlamm Veranlassung geben, so sind diese Muscheln gewöhnlich bis zur Unkenntlichkeit mit einem schmutzigen Ueberzuge bedeckt, unter welchem erst nach langem Neinigen das wahre schöne Gesicht zum Vorschein kommt. Die im Mittelmeer häufige, aber ziemlich tief sitzende Lazarusklappe,Spondylus gaederopus, hat eine purpurfarbige Oberschale.
Nächst der See-Perlenmuschel hat kein anderes Muschelthier eine solche national-ökonomische Bedeutung, setzt so viele Hände in Bewegung und bringt solche Summen in Umlauf, als die Auster,Ostrea. Es giebt Austern in allen Meeren, alle folgenden näheren Mittheilungen werden sich aber nur auf die gemeine Auster,Ostrea edulis, der europäischen Küsten beziehen. Wer je der Auster seine Aufmerksamkeit geschenkt wird mehrere bezeichnende Eigenschaften des Gehäuses bemerkt haben. Die Schalen sind unregelmäßig und ungleich, indem, wie bei Pecten und Spondylus die eine dicker und mehr vertieft ist und die andere wie ein bloßer Deckel dazu erscheint. Zu so vielen anderen äußerlich schön geglätteten Schalen bilden sie durch ihre unregel- mäßig blättrige Struktur und schilferige Oberfläche einen rechten Gegensatz; auch ist ihr Jnneres sehr unregelmäßig, indem sich mit Wasser gefüllte Räume finden und überhaupt die ganze Schalen- substanz poröser, durchdringbarer ist, als bei den meisten Muscheln. Hiermit hängt wohl die Eigenschaft der Auster zusammen, mit ihrer dickeren Schale leicht an den verschiedensten Gegen- ständen anzuwachsen, indem dieses Anwachsen nicht vom Rande, sondern von der Fläche aus geschieht und nur so erklärt werden kann, daß die Schale vermittelst einer sie durchdringenden und mit dem Kalk sich innig mischenden, vom Thiere ausgeschiedenen Substanz an die Unterlage angeleimt und angekittet wird. Jn dem Maße, als die Muschel wächst, schwitzt im Umkreise des angekitteten Schalenstückes neue Klebmaterie aus. Auch die Schloßgegend hat mehrer bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten. Die anfangs gleichen Wirbel werden mit dem zunehmenden Alter sehr ungleich, indem derjenige der oberen Schale in der Entwicklung zurückbleibt. Zähne sind gar nicht vorhanden und das Ligament ist, wie bei manchen anderen Muscheln ein inneres; es liegt nach innen vom Rande in zwei Gruben der Schalen, von denen gleichfalls nur die untere erheblich wächst. Das Klaffen ist dadurch möglich, daß die Spitze des Deckels über den Unterrand der gegenüberliegenden Grube als seiner Drehlinie hinweg in jene hineingezogen wird.
Das Oeffnen der Auster, um sie zur Tafel zu bringen, geschieht bekanntlich mittelst eines zwischen die Schalen eingebrachten Spatels, den man längs der inneren glatten Deckelfläche bis zum Schließmuskel (e) vorschiebt, um diesen abzulösen. Sobald er durchschnitten, klafft das Gehäus, und es macht keine besondere Schwierigkeit, das Ligament abzureißen.
Wir haben nun das Austerthier in seiner selbstgefertigten Schüssel liegen und wissen, wenn wir nicht schon an zweimuskeligen Muscheln gut orientirt sind, anfangs uns nur sehr schwer zurecht zu finden. Jndessen, da der Mantel (b) ganz gespalten ist und nur am Rücken (d) die beiden Blätter in einander übergehen, so ist damit für die Erkenntniß von unten und oben, vorn und hinten ein Anfang gemacht, und wir entdecken beim Zurückschlagen des vorderen Zipfels (a) den tief verborgenen Mund. Der empfindliche und zusammenziehbare Mantel wird gewöhnlich so weit zurückgezogen, daß unter ihm die Kiemenblätter (c) hervortreten. Eine wesentliche Abweichung der Auster von den anderen Muscheln besteht in der gänzlichen Verkümmerung des
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Kammmuſchel. Klappmuſchel. Auſter.
nach einer anderen Richtung auf und davon. Ueber die Erwachſenen wird die Vermuthung aus- geſprochen, daß auch ſie ſich auf ähnliche Weiſe beluſtigen mögen, aber ungeſehen ſpielen und in der Tiefe ihre Kreuz- und Querſprünge ausführen.
Wie wenig daran zu denken, daß ſolche Bewegungen auf Grund des Sehvermögens ſtatt- finden, lehrt auch das Vorhandenſein der Augen bei der den Kammmuſcheln ganz nahe verwandten Sippe Spondylus,Klappmuſchel. Dieſe nämlich wächſt mit der tieferen Schale feſt. Charak- teriſirt wird ſie auch durch die laugen Stacheln auf den Rippen. Da dieſe Anhängſel zum Anſammeln von Algen und Schlamm Veranlaſſung geben, ſo ſind dieſe Muſcheln gewöhnlich bis zur Unkenntlichkeit mit einem ſchmutzigen Ueberzuge bedeckt, unter welchem erſt nach langem Neinigen das wahre ſchöne Geſicht zum Vorſchein kommt. Die im Mittelmeer häufige, aber ziemlich tief ſitzende Lazarusklappe,Spondylus gaederopus, hat eine purpurfarbige Oberſchale.
Nächſt der See-Perlenmuſchel hat kein anderes Muſchelthier eine ſolche national-ökonomiſche Bedeutung, ſetzt ſo viele Hände in Bewegung und bringt ſolche Summen in Umlauf, als die Auſter,Ostrea. Es giebt Auſtern in allen Meeren, alle folgenden näheren Mittheilungen werden ſich aber nur auf die gemeine Auſter,Ostrea edulis, der europäiſchen Küſten beziehen. Wer je der Auſter ſeine Aufmerkſamkeit geſchenkt wird mehrere bezeichnende Eigenſchaften des Gehäuſes bemerkt haben. Die Schalen ſind unregelmäßig und ungleich, indem, wie bei Pecten und Spondylus die eine dicker und mehr vertieft iſt und die andere wie ein bloßer Deckel dazu erſcheint. Zu ſo vielen anderen äußerlich ſchön geglätteten Schalen bilden ſie durch ihre unregel- mäßig blättrige Struktur und ſchilferige Oberfläche einen rechten Gegenſatz; auch iſt ihr Jnneres ſehr unregelmäßig, indem ſich mit Waſſer gefüllte Räume finden und überhaupt die ganze Schalen- ſubſtanz poröſer, durchdringbarer iſt, als bei den meiſten Muſcheln. Hiermit hängt wohl die Eigenſchaft der Auſter zuſammen, mit ihrer dickeren Schale leicht an den verſchiedenſten Gegen- ſtänden anzuwachſen, indem dieſes Anwachſen nicht vom Rande, ſondern von der Fläche aus geſchieht und nur ſo erklärt werden kann, daß die Schale vermittelſt einer ſie durchdringenden und mit dem Kalk ſich innig miſchenden, vom Thiere ausgeſchiedenen Subſtanz an die Unterlage angeleimt und angekittet wird. Jn dem Maße, als die Muſchel wächſt, ſchwitzt im Umkreiſe des angekitteten Schalenſtückes neue Klebmaterie aus. Auch die Schloßgegend hat mehrer bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten. Die anfangs gleichen Wirbel werden mit dem zunehmenden Alter ſehr ungleich, indem derjenige der oberen Schale in der Entwicklung zurückbleibt. Zähne ſind gar nicht vorhanden und das Ligament iſt, wie bei manchen anderen Muſcheln ein inneres; es liegt nach innen vom Rande in zwei Gruben der Schalen, von denen gleichfalls nur die untere erheblich wächſt. Das Klaffen iſt dadurch möglich, daß die Spitze des Deckels über den Unterrand der gegenüberliegenden Grube als ſeiner Drehlinie hinweg in jene hineingezogen wird.
Das Oeffnen der Auſter, um ſie zur Tafel zu bringen, geſchieht bekanntlich mittelſt eines zwiſchen die Schalen eingebrachten Spatels, den man längs der inneren glatten Deckelfläche bis zum Schließmuskel (e) vorſchiebt, um dieſen abzulöſen. Sobald er durchſchnitten, klafft das Gehäus, und es macht keine beſondere Schwierigkeit, das Ligament abzureißen.
Wir haben nun das Auſterthier in ſeiner ſelbſtgefertigten Schüſſel liegen und wiſſen, wenn wir nicht ſchon an zweimuskeligen Muſcheln gut orientirt ſind, anfangs uns nur ſehr ſchwer zurecht zu finden. Jndeſſen, da der Mantel (b) ganz geſpalten iſt und nur am Rücken (d) die beiden Blätter in einander übergehen, ſo iſt damit für die Erkenntniß von unten und oben, vorn und hinten ein Anfang gemacht, und wir entdecken beim Zurückſchlagen des vorderen Zipfels (a) den tief verborgenen Mund. Der empfindliche und zuſammenziehbare Mantel wird gewöhnlich ſo weit zurückgezogen, daß unter ihm die Kiemenblätter (c) hervortreten. Eine weſentliche Abweichung der Auſter von den anderen Muſcheln beſteht in der gänzlichen Verkümmerung des
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Kammmuſchel. Klappmuſchel. Auſter.
nach einer anderen Richtung auf und davon. Ueber die Erwachſenen wird die Vermuthung aus-
geſprochen, daß auch ſie ſich auf ähnliche Weiſe beluſtigen mögen, aber ungeſehen ſpielen und in
der Tiefe ihre Kreuz- und Querſprünge ausführen.
Wie wenig daran zu denken, daß ſolche Bewegungen auf Grund des Sehvermögens ſtatt-
finden, lehrt auch das Vorhandenſein der Augen bei der den Kammmuſcheln ganz nahe verwandten
Sippe Spondylus, Klappmuſchel. Dieſe nämlich wächſt mit der tieferen Schale feſt. Charak-
teriſirt wird ſie auch durch die laugen Stacheln auf den Rippen. Da dieſe Anhängſel zum
Anſammeln von Algen und Schlamm Veranlaſſung geben, ſo ſind dieſe Muſcheln gewöhnlich bis
zur Unkenntlichkeit mit einem ſchmutzigen Ueberzuge bedeckt, unter welchem erſt nach langem
Neinigen das wahre ſchöne Geſicht zum Vorſchein kommt. Die im Mittelmeer häufige, aber
ziemlich tief ſitzende Lazarusklappe, Spondylus gaederopus, hat eine purpurfarbige Oberſchale.
Nächſt der See-Perlenmuſchel hat kein anderes Muſchelthier eine ſolche national-ökonomiſche
Bedeutung, ſetzt ſo viele Hände in Bewegung und bringt ſolche Summen in Umlauf, als die
Auſter, Ostrea. Es giebt Auſtern in allen Meeren, alle folgenden näheren Mittheilungen
werden ſich aber nur auf die gemeine Auſter, Ostrea edulis, der europäiſchen Küſten beziehen.
Wer je der Auſter ſeine Aufmerkſamkeit geſchenkt wird mehrere bezeichnende Eigenſchaften des
Gehäuſes bemerkt haben. Die Schalen ſind unregelmäßig und ungleich, indem, wie bei Pecten
und Spondylus die eine dicker und mehr vertieft iſt und die andere wie ein bloßer Deckel dazu
erſcheint. Zu ſo vielen anderen äußerlich ſchön geglätteten Schalen bilden ſie durch ihre unregel-
mäßig blättrige Struktur und ſchilferige Oberfläche einen rechten Gegenſatz; auch iſt ihr Jnneres
ſehr unregelmäßig, indem ſich mit Waſſer gefüllte Räume finden und überhaupt die ganze Schalen-
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Eigenſchaft der Auſter zuſammen, mit ihrer dickeren Schale leicht an den verſchiedenſten Gegen-
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geſchieht und nur ſo erklärt werden kann, daß die Schale vermittelſt einer ſie durchdringenden
und mit dem Kalk ſich innig miſchenden, vom Thiere ausgeſchiedenen Subſtanz an die Unterlage
angeleimt und angekittet wird. Jn dem Maße, als die Muſchel wächſt, ſchwitzt im Umkreiſe
des angekitteten Schalenſtückes neue Klebmaterie aus. Auch die Schloßgegend hat mehrer
bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten. Die anfangs gleichen Wirbel werden mit dem zunehmenden
Alter ſehr ungleich, indem derjenige der oberen Schale in der Entwicklung zurückbleibt. Zähne
ſind gar nicht vorhanden und das Ligament iſt, wie bei manchen anderen Muſcheln ein inneres;
es liegt nach innen vom Rande in zwei Gruben der Schalen, von denen gleichfalls nur die
untere erheblich wächſt. Das Klaffen iſt dadurch möglich, daß die Spitze des Deckels über den
Unterrand der gegenüberliegenden Grube als ſeiner Drehlinie hinweg in jene hineingezogen wird.
Das Oeffnen der Auſter, um ſie zur Tafel zu bringen, geſchieht bekanntlich mittelſt eines
zwiſchen die Schalen eingebrachten Spatels, den man längs der inneren glatten Deckelfläche bis
zum Schließmuskel (e) vorſchiebt, um dieſen abzulöſen. Sobald er durchſchnitten, klafft das
Gehäus, und es macht keine beſondere Schwierigkeit, das Ligament abzureißen.
Wir haben nun das Auſterthier in ſeiner ſelbſtgefertigten Schüſſel liegen und wiſſen, wenn
wir nicht ſchon an zweimuskeligen Muſcheln gut orientirt ſind, anfangs uns nur ſehr ſchwer
zurecht zu finden. Jndeſſen, da der Mantel (b) ganz geſpalten iſt und nur am Rücken (d) die
beiden Blätter in einander übergehen, ſo iſt damit für die Erkenntniß von unten und oben, vorn
und hinten ein Anfang gemacht, und wir entdecken beim Zurückſchlagen des vorderen Zipfels (a)
den tief verborgenen Mund. Der empfindliche und zuſammenziehbare Mantel wird gewöhnlich
ſo weit zurückgezogen, daß unter ihm die Kiemenblätter (c) hervortreten. Eine weſentliche
Abweichung der Auſter von den anderen Muſcheln beſteht in der gänzlichen Verkümmerung des
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 947. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/995>, abgerufen am 23.11.2024.
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