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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Muscheln. Monomyarien. Hammermuscheln.
12 Klafter tief ist, hat man ein langes Tau an eine Rolle gewunden, welche von einer Querstange
am Maste über den Bord hinaushängt, und an das Tau ist ein Stein von 200 bis 300 Pfund
Gewicht befestigt. Man läßt den Stein neben dem Boote herab, und der Taucher, einen Korb
bei sich tragend, der ebenfalls mit einem Tau im Boote befestigt ist, gibt, auf dem Steine
stehend, ein Zeichen, ihn herabzulassen, und sinkt dadurch rasch auf den Grund; dann wird der
Stein wieder heraufgezogen, während der Taucher im Wasser mit der rechten Hand so viele
Perlenmuscheln als möglich in seinen Korb legt und mit der linken an Felsen oder Seegewächsen
sich anklammert. Läßt er diese los, so schießt er an die Oberfläche empor, und ein Gehilfe zieht
ihn sogleich in das Boot, während ein anderer den Korb mit den Muscheln heraufbefördert.
Alsdann wird der zweite Taucher ins Wasser gelassen, und so geht es abwechselnd fort bis 4 Uhr
Nachmittags, denn nun kehren alle Boote mit ihren Ladungen nach Aripo zurück. Jst die Fischerei
den Tag über beendigt, so erhält der Taucher, welcher am längsten unter Wasser geblieben war,
eine Belohnung. Die gewöhnliche Zeit dieses Aufenthaltes währt 53 bis 57 Sekunden; einmal
hielt ein solcher 1 Minute 58 Sekunden unter Wasser aus; als er wieder heraufkam, war er so
erschöpft, daß er lange Zeit zu seiner Erholung brauchte. Alle dortigen Taucher sind Malayen
und von Kindheit an zu ihrem Handwerk erzogen. Der Lärmen ist bei diesem Geschäfte so groß,
daß er die gefürchteten Haifische verscheucht, und viele Fischereien werden ohne irgend einen Angriff
zu Ende geführt; gleichwohl verlangen die Taucher, daß Haifischbeschwörer während des Fischens
am Strande für sie beten und theilen gerne mit ihnen den Gewinn. Selbst die katholischen
Taucher aus der portugiesischen Zeit her gehen nicht an ihr Geschäft, ohne Gebetformeln und
Sprüche aus der heiligen Schrift an ihrem Arme zu befestigen".

"Haben nun die Boote ihre gehörige Ladung Muscheln an Bord, so entsteht ein Wettrennen
unter ihnen nach dem Ufer. Dort sind die dienstthuenden Truppen aufgestellt, damit Niemand
sich Muscheln aneigne, ehe sie meistbietend verkauft, oder in das Magazin der Regierung abgeliefert
sind. Letzteres ist ein mit hohen Mauern umgebener viereckiger Raum, dessen Boden schräg und
von vielen kleinen Rinnen durchschnitten ist; durch diese läuft fortwährend Wasser aus einem
Behälter, in welchen die unverkauften Muscheln gelegt werden, damit sie bei eintretender Fäulniß
sich von selbst öffnen. Sind die Perlenmuscheln aus Land gebracht, so werden sie in kleine Haufen
getheilt und versteigert. Dieses ist eine sehr belustigende Art von Lotterie, indem man leicht ein
paar Pfund Sterling für einen großen Haufen Muscheln bezahlt, ohne eine einzige Perle darin
zu finden, während mancher arme Soldat, welcher einen oder zwei Groschen für ein halbes
Dutzend ausgibt, möglicher Weise eine Perle darin entdeckt, so werthvoll, daß er damit nicht
nur seinen Abschied erkaufen, sondern auch den Rest seines Lebens sorgenfrei zubringen kann.
Jn früheren Zeiten ließ die Regierung die Perlenmuscheln nicht versteigern, sondern in das Magazin
bringen und dort durch besonders angestellte Leute öffnen; allein diese waren so schlau, daß sie
trotz der genauesten Aussicht Perlen verschluckten. Gegenwärtig werden die nicht verkauften Muscheln
in die erwähnten Wasserbehälter gelegt, und haben sich ihre Schalen durch Fäulniß geöffnet, so
fallen die Perlen heraus, das Wasser spült sie in die Rinnen, in welchen sie durch feine Gaze-
wände aufgehalten und in großer Menge gesammelt werden. Jst die Zeit der Perlenfischerei zur
Hälfte verstrichen, so beginnt die eigentliche Plage. Die durch die glühenden Sonnenstrahlen
schnell in Fäulniß übergehenden Muscheln verbreiten im Magazin einen nicht zu beschreibenden
pestilenzialischen Gestank, und dazu gesellen sich Fieber, Brechruhr und Dyssenterie, die steten
Begleiter von Miasmen, Unreinlichkeit und Hitze. Der Wind verbreitet einen abscheulichen
Geruch auf meilenweite Entfernungen, und die Luft ist in der Kaserne, welche absichtlich zwei Meilen
weit vom Magazin entfernt liegt, besonders zur Nachtzeit kaum zu ertragen. Wollen sich keine
Perlenmuscheln mehr finden, und ist man der beschwerlichen Fischerei müde, dann wird Aripo
von seinen Bewohnern nach und nach verlassen und die Ufer werden wieder still und öde; nur
die Truppen müssen so lange ausharren, bis die letzte Muschel im Magazin verfault ist. So endet

Muſcheln. Monomyarien. Hammermuſcheln.
12 Klafter tief iſt, hat man ein langes Tau an eine Rolle gewunden, welche von einer Querſtange
am Maſte über den Bord hinaushängt, und an das Tau iſt ein Stein von 200 bis 300 Pfund
Gewicht befeſtigt. Man läßt den Stein neben dem Boote herab, und der Taucher, einen Korb
bei ſich tragend, der ebenfalls mit einem Tau im Boote befeſtigt iſt, gibt, auf dem Steine
ſtehend, ein Zeichen, ihn herabzulaſſen, und ſinkt dadurch raſch auf den Grund; dann wird der
Stein wieder heraufgezogen, während der Taucher im Waſſer mit der rechten Hand ſo viele
Perlenmuſcheln als möglich in ſeinen Korb legt und mit der linken an Felſen oder Seegewächſen
ſich anklammert. Läßt er dieſe los, ſo ſchießt er an die Oberfläche empor, und ein Gehilfe zieht
ihn ſogleich in das Boot, während ein anderer den Korb mit den Muſcheln heraufbefördert.
Alsdann wird der zweite Taucher ins Waſſer gelaſſen, und ſo geht es abwechſelnd fort bis 4 Uhr
Nachmittags, denn nun kehren alle Boote mit ihren Ladungen nach Aripo zurück. Jſt die Fiſcherei
den Tag über beendigt, ſo erhält der Taucher, welcher am längſten unter Waſſer geblieben war,
eine Belohnung. Die gewöhnliche Zeit dieſes Aufenthaltes währt 53 bis 57 Sekunden; einmal
hielt ein ſolcher 1 Minute 58 Sekunden unter Waſſer aus; als er wieder heraufkam, war er ſo
erſchöpft, daß er lange Zeit zu ſeiner Erholung brauchte. Alle dortigen Taucher ſind Malayen
und von Kindheit an zu ihrem Handwerk erzogen. Der Lärmen iſt bei dieſem Geſchäfte ſo groß,
daß er die gefürchteten Haifiſche verſcheucht, und viele Fiſchereien werden ohne irgend einen Angriff
zu Ende geführt; gleichwohl verlangen die Taucher, daß Haifiſchbeſchwörer während des Fiſchens
am Strande für ſie beten und theilen gerne mit ihnen den Gewinn. Selbſt die katholiſchen
Taucher aus der portugieſiſchen Zeit her gehen nicht an ihr Geſchäft, ohne Gebetformeln und
Sprüche aus der heiligen Schrift an ihrem Arme zu befeſtigen“.

„Haben nun die Boote ihre gehörige Ladung Muſcheln an Bord, ſo entſteht ein Wettrennen
unter ihnen nach dem Ufer. Dort ſind die dienſtthuenden Truppen aufgeſtellt, damit Niemand
ſich Muſcheln aneigne, ehe ſie meiſtbietend verkauft, oder in das Magazin der Regierung abgeliefert
ſind. Letzteres iſt ein mit hohen Mauern umgebener viereckiger Raum, deſſen Boden ſchräg und
von vielen kleinen Rinnen durchſchnitten iſt; durch dieſe läuft fortwährend Waſſer aus einem
Behälter, in welchen die unverkauften Muſcheln gelegt werden, damit ſie bei eintretender Fäulniß
ſich von ſelbſt öffnen. Sind die Perlenmuſcheln aus Land gebracht, ſo werden ſie in kleine Haufen
getheilt und verſteigert. Dieſes iſt eine ſehr beluſtigende Art von Lotterie, indem man leicht ein
paar Pfund Sterling für einen großen Haufen Muſcheln bezahlt, ohne eine einzige Perle darin
zu finden, während mancher arme Soldat, welcher einen oder zwei Groſchen für ein halbes
Dutzend ausgibt, möglicher Weiſe eine Perle darin entdeckt, ſo werthvoll, daß er damit nicht
nur ſeinen Abſchied erkaufen, ſondern auch den Reſt ſeines Lebens ſorgenfrei zubringen kann.
Jn früheren Zeiten ließ die Regierung die Perlenmuſcheln nicht verſteigern, ſondern in das Magazin
bringen und dort durch beſonders angeſtellte Leute öffnen; allein dieſe waren ſo ſchlau, daß ſie
trotz der genaueſten Auſſicht Perlen verſchluckten. Gegenwärtig werden die nicht verkauften Muſcheln
in die erwähnten Waſſerbehälter gelegt, und haben ſich ihre Schalen durch Fäulniß geöffnet, ſo
fallen die Perlen heraus, das Waſſer ſpült ſie in die Rinnen, in welchen ſie durch feine Gaze-
wände aufgehalten und in großer Menge geſammelt werden. Jſt die Zeit der Perlenfiſcherei zur
Hälfte verſtrichen, ſo beginnt die eigentliche Plage. Die durch die glühenden Sonnenſtrahlen
ſchnell in Fäulniß übergehenden Muſcheln verbreiten im Magazin einen nicht zu beſchreibenden
peſtilenzialiſchen Geſtank, und dazu geſellen ſich Fieber, Brechruhr und Dyſſenterie, die ſteten
Begleiter von Miasmen, Unreinlichkeit und Hitze. Der Wind verbreitet einen abſcheulichen
Geruch auf meilenweite Entfernungen, und die Luft iſt in der Kaſerne, welche abſichtlich zwei Meilen
weit vom Magazin entfernt liegt, beſonders zur Nachtzeit kaum zu ertragen. Wollen ſich keine
Perlenmuſcheln mehr finden, und iſt man der beſchwerlichen Fiſcherei müde, dann wird Aripo
von ſeinen Bewohnern nach und nach verlaſſen und die Ufer werden wieder ſtill und öde; nur
die Truppen müſſen ſo lange ausharren, bis die letzte Muſchel im Magazin verfault iſt. So endet

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[942/0990] Muſcheln. Monomyarien. Hammermuſcheln. 12 Klafter tief iſt, hat man ein langes Tau an eine Rolle gewunden, welche von einer Querſtange am Maſte über den Bord hinaushängt, und an das Tau iſt ein Stein von 200 bis 300 Pfund Gewicht befeſtigt. Man läßt den Stein neben dem Boote herab, und der Taucher, einen Korb bei ſich tragend, der ebenfalls mit einem Tau im Boote befeſtigt iſt, gibt, auf dem Steine ſtehend, ein Zeichen, ihn herabzulaſſen, und ſinkt dadurch raſch auf den Grund; dann wird der Stein wieder heraufgezogen, während der Taucher im Waſſer mit der rechten Hand ſo viele Perlenmuſcheln als möglich in ſeinen Korb legt und mit der linken an Felſen oder Seegewächſen ſich anklammert. Läßt er dieſe los, ſo ſchießt er an die Oberfläche empor, und ein Gehilfe zieht ihn ſogleich in das Boot, während ein anderer den Korb mit den Muſcheln heraufbefördert. Alsdann wird der zweite Taucher ins Waſſer gelaſſen, und ſo geht es abwechſelnd fort bis 4 Uhr Nachmittags, denn nun kehren alle Boote mit ihren Ladungen nach Aripo zurück. Jſt die Fiſcherei den Tag über beendigt, ſo erhält der Taucher, welcher am längſten unter Waſſer geblieben war, eine Belohnung. Die gewöhnliche Zeit dieſes Aufenthaltes währt 53 bis 57 Sekunden; einmal hielt ein ſolcher 1 Minute 58 Sekunden unter Waſſer aus; als er wieder heraufkam, war er ſo erſchöpft, daß er lange Zeit zu ſeiner Erholung brauchte. Alle dortigen Taucher ſind Malayen und von Kindheit an zu ihrem Handwerk erzogen. Der Lärmen iſt bei dieſem Geſchäfte ſo groß, daß er die gefürchteten Haifiſche verſcheucht, und viele Fiſchereien werden ohne irgend einen Angriff zu Ende geführt; gleichwohl verlangen die Taucher, daß Haifiſchbeſchwörer während des Fiſchens am Strande für ſie beten und theilen gerne mit ihnen den Gewinn. Selbſt die katholiſchen Taucher aus der portugieſiſchen Zeit her gehen nicht an ihr Geſchäft, ohne Gebetformeln und Sprüche aus der heiligen Schrift an ihrem Arme zu befeſtigen“. „Haben nun die Boote ihre gehörige Ladung Muſcheln an Bord, ſo entſteht ein Wettrennen unter ihnen nach dem Ufer. Dort ſind die dienſtthuenden Truppen aufgeſtellt, damit Niemand ſich Muſcheln aneigne, ehe ſie meiſtbietend verkauft, oder in das Magazin der Regierung abgeliefert ſind. Letzteres iſt ein mit hohen Mauern umgebener viereckiger Raum, deſſen Boden ſchräg und von vielen kleinen Rinnen durchſchnitten iſt; durch dieſe läuft fortwährend Waſſer aus einem Behälter, in welchen die unverkauften Muſcheln gelegt werden, damit ſie bei eintretender Fäulniß ſich von ſelbſt öffnen. Sind die Perlenmuſcheln aus Land gebracht, ſo werden ſie in kleine Haufen getheilt und verſteigert. Dieſes iſt eine ſehr beluſtigende Art von Lotterie, indem man leicht ein paar Pfund Sterling für einen großen Haufen Muſcheln bezahlt, ohne eine einzige Perle darin zu finden, während mancher arme Soldat, welcher einen oder zwei Groſchen für ein halbes Dutzend ausgibt, möglicher Weiſe eine Perle darin entdeckt, ſo werthvoll, daß er damit nicht nur ſeinen Abſchied erkaufen, ſondern auch den Reſt ſeines Lebens ſorgenfrei zubringen kann. Jn früheren Zeiten ließ die Regierung die Perlenmuſcheln nicht verſteigern, ſondern in das Magazin bringen und dort durch beſonders angeſtellte Leute öffnen; allein dieſe waren ſo ſchlau, daß ſie trotz der genaueſten Auſſicht Perlen verſchluckten. Gegenwärtig werden die nicht verkauften Muſcheln in die erwähnten Waſſerbehälter gelegt, und haben ſich ihre Schalen durch Fäulniß geöffnet, ſo fallen die Perlen heraus, das Waſſer ſpült ſie in die Rinnen, in welchen ſie durch feine Gaze- wände aufgehalten und in großer Menge geſammelt werden. Jſt die Zeit der Perlenfiſcherei zur Hälfte verſtrichen, ſo beginnt die eigentliche Plage. Die durch die glühenden Sonnenſtrahlen ſchnell in Fäulniß übergehenden Muſcheln verbreiten im Magazin einen nicht zu beſchreibenden peſtilenzialiſchen Geſtank, und dazu geſellen ſich Fieber, Brechruhr und Dyſſenterie, die ſteten Begleiter von Miasmen, Unreinlichkeit und Hitze. Der Wind verbreitet einen abſcheulichen Geruch auf meilenweite Entfernungen, und die Luft iſt in der Kaſerne, welche abſichtlich zwei Meilen weit vom Magazin entfernt liegt, beſonders zur Nachtzeit kaum zu ertragen. Wollen ſich keine Perlenmuſcheln mehr finden, und iſt man der beſchwerlichen Fiſcherei müde, dann wird Aripo von ſeinen Bewohnern nach und nach verlaſſen und die Ufer werden wieder ſtill und öde; nur die Truppen müſſen ſo lange ausharren, bis die letzte Muſchel im Magazin verfault iſt. So endet

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 942. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/990>, abgerufen am 23.11.2024.