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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Muscheln. Dimyarier. Röhrenmuschel.

Um die Entwicklung der Bohrwürmer zu studiren bediente sich Quatrefages eines Mittels,
das seit einigen Jahrzehnten zu vielen schönen zusammenhängenden Entdeckungsreihen im Gebiete
der niederen Thierwelt geführt hat und in großartigster Weise bei den Fischen angewendet wird:
der künstlichen Befruchtung. Was ihm diese selbst erzogenen nicht zeigten, konnte er durch
Beobachtung der in den Kiemen sich aufhaltenden ergänzen. Für uns genügt es, hervorzuheben,
daß auch nach diesen Entwicklungszuständen Teredo eine ächte und unverkennbare Muschel ist.
Jn dem spätesten Zustande, welcher beobachtet werden konnte und den unsere Abbildung (S. 926)
gibt, besitzt das Hirsekorn-große Thierchen eine zweiklappige fast kugelige Schale von brauner
Farbe, aus welcher zwischen den Mantelfalten hervor ein beweglicher Fuß gestreckt werden kann.
Auch ragt über die Schalen ein sehr entwickelter Segelwulst hervor, in dessen Mitte sich ein
Wimperschopf befindet. Auch ist das junge Weichthier auf dieser Stufe mit Augen und Ohren
versehen. Jn diesem Entwicklungszustande wurden sie durch die obere Röhre aus der mütterlichen
Kieme ausgeworfen und lebten in der Gefangenschaft noch länger als die erwachsenen Exemplare.
Die Larven können nun, wie sich aus der Beschaffenheit ihrer Bewegungswerkzeuge entnehmen
läßt, theils schwimmend theils kriechend sich fortbewegen. "Wenn sie schwimmen, entfalten sie ihren
Wimperapparat, der sich über die Schale legt und sie wenigstens zur Hälfte bedeckt. Einen sehr
sonderbaren Anblick gewährt es, sie mit der Geschwindigkeit eines Rotifer oder einer Hydatina
das Wasser durchschneiden zu sehen. Die Wimperbewegung macht, daß sie wie mit einem präch-
tigen Farbenkreis umgeben erscheinen, den man schon mit bloßen Augen wahrnimmt, der aber,
unter der Loupe und bei einer gewissen Beleuchtung von einem ganz außerordentlichen Glanze
ist. Dieses Schwimmen ist nie von langer Dauer und am häufigsten machen die Larven Gebrauch
von ihrem Fuß."

Weiter konnten die Larven in ihrer Entwicklung nicht beobachtet werden; es ist nicht
unwahrscheinlich, daß sie sich kurze Zeit darauf am Holz festsetzen und, in dasselbe nach und nach
eindringend, ihre letzte Umwandlung bestehen. Jhr Lebenslauf scheint übrigens ein auffallend
kurzer zu sein. Die Holzstücke, welche Quatrefages im Oktober untersuchte, staken gewöhnlich
ganz voll von Thieren. Später wurden diese seltener und gegen Ende Januars konnte sich der
Forscher mit Mühe einzelne Jndividuen verschaffen. Man versicherte ihn auch, daß man nur im
Sommer die "Würmer" in großer Anzahl im Holzwerk träfe und daß sie im Winter fast alle
abstürben. Quatrefages will daraus schließen, daß bei Teredo, wie bei manchen Jnsekten,
der Fortbestand der Art nur durch einige Jndividuen gesichert ist, welche den Unbilden der
schlechten Jahreszeit widerstehen, und daß auch diese absterben, kurz nachdem sie Eier gelegt oder
die Larven, welche die Mantelfalten einschließen, in Freiheit gesetzt haben.

Einen gefährlichen, seine Verbreitung und zerstörenden Wirkungen jedoch nicht hindernden
Feind hat der Bohrwurm in einem Ringelwurm, der Nereis fucata. Die Larven dieser Raub-
Annelide leben mit den Teredo-Larven zusammen und die reife Form findet man in den Röhren
des Teredo. Sie frißt sich unter die Haut des letzteren ein und zehrt ihn allmälig auf.



Jn der Familie der Gastrochänaceen werden noch einige theils durch Nesterbau theils durch
eigenthümliche Kalkröhren ausgezeichnete Sippen vereinigt. So Gastrochaena. Das Thier hat
einen dicken, bis auf eine enge vordere Oeffnung für den Austritt des Fußes ganz geschlossenen
Mantel, der hinten in zwei, ihrer ganzen Länge nach verwachsene Siphonen verlängert ist. Der
Fuß ist sehr klein, spitz und trägt einen Byssus. Das Gehäus ist gleichschalig, beinahe keilförmig
dünn, auf der Bauchseite, namentlich nach vorn hin, stark klaffend und reicht zum Schutz der
Weichtheile des Thieres nicht aus. Einige Arten, wie Gastrochaena modiolina von der englischen
Küste, leben in Felsspalten und verbinden kleine Steinchen und Muscheltrümmer zu einer Art
von flaschenförmigem Nest, welches die Schale gänzlich einschließt. Die Außenseite desselben ist

Muſcheln. Dimyarier. Röhrenmuſchel.

Um die Entwicklung der Bohrwürmer zu ſtudiren bediente ſich Quatrefages eines Mittels,
das ſeit einigen Jahrzehnten zu vielen ſchönen zuſammenhängenden Entdeckungsreihen im Gebiete
der niederen Thierwelt geführt hat und in großartigſter Weiſe bei den Fiſchen angewendet wird:
der künſtlichen Befruchtung. Was ihm dieſe ſelbſt erzogenen nicht zeigten, konnte er durch
Beobachtung der in den Kiemen ſich aufhaltenden ergänzen. Für uns genügt es, hervorzuheben,
daß auch nach dieſen Entwicklungszuſtänden Teredo eine ächte und unverkennbare Muſchel iſt.
Jn dem ſpäteſten Zuſtande, welcher beobachtet werden konnte und den unſere Abbildung (S. 926)
gibt, beſitzt das Hirſekorn-große Thierchen eine zweiklappige faſt kugelige Schale von brauner
Farbe, aus welcher zwiſchen den Mantelfalten hervor ein beweglicher Fuß geſtreckt werden kann.
Auch ragt über die Schalen ein ſehr entwickelter Segelwulſt hervor, in deſſen Mitte ſich ein
Wimperſchopf befindet. Auch iſt das junge Weichthier auf dieſer Stufe mit Augen und Ohren
verſehen. Jn dieſem Entwicklungszuſtande wurden ſie durch die obere Röhre aus der mütterlichen
Kieme ausgeworfen und lebten in der Gefangenſchaft noch länger als die erwachſenen Exemplare.
Die Larven können nun, wie ſich aus der Beſchaffenheit ihrer Bewegungswerkzeuge entnehmen
läßt, theils ſchwimmend theils kriechend ſich fortbewegen. „Wenn ſie ſchwimmen, entfalten ſie ihren
Wimperapparat, der ſich über die Schale legt und ſie wenigſtens zur Hälfte bedeckt. Einen ſehr
ſonderbaren Anblick gewährt es, ſie mit der Geſchwindigkeit eines Rotifer oder einer Hydatina
das Waſſer durchſchneiden zu ſehen. Die Wimperbewegung macht, daß ſie wie mit einem präch-
tigen Farbenkreis umgeben erſcheinen, den man ſchon mit bloßen Augen wahrnimmt, der aber,
unter der Loupe und bei einer gewiſſen Beleuchtung von einem ganz außerordentlichen Glanze
iſt. Dieſes Schwimmen iſt nie von langer Dauer und am häufigſten machen die Larven Gebrauch
von ihrem Fuß.“

Weiter konnten die Larven in ihrer Entwicklung nicht beobachtet werden; es iſt nicht
unwahrſcheinlich, daß ſie ſich kurze Zeit darauf am Holz feſtſetzen und, in daſſelbe nach und nach
eindringend, ihre letzte Umwandlung beſtehen. Jhr Lebenslauf ſcheint übrigens ein auffallend
kurzer zu ſein. Die Holzſtücke, welche Quatrefages im Oktober unterſuchte, ſtaken gewöhnlich
ganz voll von Thieren. Später wurden dieſe ſeltener und gegen Ende Januars konnte ſich der
Forſcher mit Mühe einzelne Jndividuen verſchaffen. Man verſicherte ihn auch, daß man nur im
Sommer die „Würmer“ in großer Anzahl im Holzwerk träfe und daß ſie im Winter faſt alle
abſtürben. Quatrefages will daraus ſchließen, daß bei Teredo, wie bei manchen Jnſekten,
der Fortbeſtand der Art nur durch einige Jndividuen geſichert iſt, welche den Unbilden der
ſchlechten Jahreszeit widerſtehen, und daß auch dieſe abſterben, kurz nachdem ſie Eier gelegt oder
die Larven, welche die Mantelfalten einſchließen, in Freiheit geſetzt haben.

Einen gefährlichen, ſeine Verbreitung und zerſtörenden Wirkungen jedoch nicht hindernden
Feind hat der Bohrwurm in einem Ringelwurm, der Nereis fucata. Die Larven dieſer Raub-
Annelide leben mit den Teredo-Larven zuſammen und die reife Form findet man in den Röhren
des Teredo. Sie frißt ſich unter die Haut des letzteren ein und zehrt ihn allmälig auf.



Jn der Familie der Gaſtrochänaceen werden noch einige theils durch Neſterbau theils durch
eigenthümliche Kalkröhren ausgezeichnete Sippen vereinigt. So Gastrochaena. Das Thier hat
einen dicken, bis auf eine enge vordere Oeffnung für den Austritt des Fußes ganz geſchloſſenen
Mantel, der hinten in zwei, ihrer ganzen Länge nach verwachſene Siphonen verlängert iſt. Der
Fuß iſt ſehr klein, ſpitz und trägt einen Byſſus. Das Gehäus iſt gleichſchalig, beinahe keilförmig
dünn, auf der Bauchſeite, namentlich nach vorn hin, ſtark klaffend und reicht zum Schutz der
Weichtheile des Thieres nicht aus. Einige Arten, wie Gastrochaena modiolina von der engliſchen
Küſte, leben in Felsſpalten und verbinden kleine Steinchen und Muſcheltrümmer zu einer Art
von flaſchenförmigem Neſt, welches die Schale gänzlich einſchließt. Die Außenſeite deſſelben iſt

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[930/0978] Muſcheln. Dimyarier. Röhrenmuſchel. Um die Entwicklung der Bohrwürmer zu ſtudiren bediente ſich Quatrefages eines Mittels, das ſeit einigen Jahrzehnten zu vielen ſchönen zuſammenhängenden Entdeckungsreihen im Gebiete der niederen Thierwelt geführt hat und in großartigſter Weiſe bei den Fiſchen angewendet wird: der künſtlichen Befruchtung. Was ihm dieſe ſelbſt erzogenen nicht zeigten, konnte er durch Beobachtung der in den Kiemen ſich aufhaltenden ergänzen. Für uns genügt es, hervorzuheben, daß auch nach dieſen Entwicklungszuſtänden Teredo eine ächte und unverkennbare Muſchel iſt. Jn dem ſpäteſten Zuſtande, welcher beobachtet werden konnte und den unſere Abbildung (S. 926) gibt, beſitzt das Hirſekorn-große Thierchen eine zweiklappige faſt kugelige Schale von brauner Farbe, aus welcher zwiſchen den Mantelfalten hervor ein beweglicher Fuß geſtreckt werden kann. Auch ragt über die Schalen ein ſehr entwickelter Segelwulſt hervor, in deſſen Mitte ſich ein Wimperſchopf befindet. Auch iſt das junge Weichthier auf dieſer Stufe mit Augen und Ohren verſehen. Jn dieſem Entwicklungszuſtande wurden ſie durch die obere Röhre aus der mütterlichen Kieme ausgeworfen und lebten in der Gefangenſchaft noch länger als die erwachſenen Exemplare. Die Larven können nun, wie ſich aus der Beſchaffenheit ihrer Bewegungswerkzeuge entnehmen läßt, theils ſchwimmend theils kriechend ſich fortbewegen. „Wenn ſie ſchwimmen, entfalten ſie ihren Wimperapparat, der ſich über die Schale legt und ſie wenigſtens zur Hälfte bedeckt. Einen ſehr ſonderbaren Anblick gewährt es, ſie mit der Geſchwindigkeit eines Rotifer oder einer Hydatina das Waſſer durchſchneiden zu ſehen. Die Wimperbewegung macht, daß ſie wie mit einem präch- tigen Farbenkreis umgeben erſcheinen, den man ſchon mit bloßen Augen wahrnimmt, der aber, unter der Loupe und bei einer gewiſſen Beleuchtung von einem ganz außerordentlichen Glanze iſt. Dieſes Schwimmen iſt nie von langer Dauer und am häufigſten machen die Larven Gebrauch von ihrem Fuß.“ Weiter konnten die Larven in ihrer Entwicklung nicht beobachtet werden; es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß ſie ſich kurze Zeit darauf am Holz feſtſetzen und, in daſſelbe nach und nach eindringend, ihre letzte Umwandlung beſtehen. Jhr Lebenslauf ſcheint übrigens ein auffallend kurzer zu ſein. Die Holzſtücke, welche Quatrefages im Oktober unterſuchte, ſtaken gewöhnlich ganz voll von Thieren. Später wurden dieſe ſeltener und gegen Ende Januars konnte ſich der Forſcher mit Mühe einzelne Jndividuen verſchaffen. Man verſicherte ihn auch, daß man nur im Sommer die „Würmer“ in großer Anzahl im Holzwerk träfe und daß ſie im Winter faſt alle abſtürben. Quatrefages will daraus ſchließen, daß bei Teredo, wie bei manchen Jnſekten, der Fortbeſtand der Art nur durch einige Jndividuen geſichert iſt, welche den Unbilden der ſchlechten Jahreszeit widerſtehen, und daß auch dieſe abſterben, kurz nachdem ſie Eier gelegt oder die Larven, welche die Mantelfalten einſchließen, in Freiheit geſetzt haben. Einen gefährlichen, ſeine Verbreitung und zerſtörenden Wirkungen jedoch nicht hindernden Feind hat der Bohrwurm in einem Ringelwurm, der Nereis fucata. Die Larven dieſer Raub- Annelide leben mit den Teredo-Larven zuſammen und die reife Form findet man in den Röhren des Teredo. Sie frißt ſich unter die Haut des letzteren ein und zehrt ihn allmälig auf. Jn der Familie der Gaſtrochänaceen werden noch einige theils durch Neſterbau theils durch eigenthümliche Kalkröhren ausgezeichnete Sippen vereinigt. So Gastrochaena. Das Thier hat einen dicken, bis auf eine enge vordere Oeffnung für den Austritt des Fußes ganz geſchloſſenen Mantel, der hinten in zwei, ihrer ganzen Länge nach verwachſene Siphonen verlängert iſt. Der Fuß iſt ſehr klein, ſpitz und trägt einen Byſſus. Das Gehäus iſt gleichſchalig, beinahe keilförmig dünn, auf der Bauchſeite, namentlich nach vorn hin, ſtark klaffend und reicht zum Schutz der Weichtheile des Thieres nicht aus. Einige Arten, wie Gastrochaena modiolina von der engliſchen Küſte, leben in Felsſpalten und verbinden kleine Steinchen und Muſcheltrümmer zu einer Art von flaſchenförmigem Neſt, welches die Schale gänzlich einſchließt. Die Außenſeite deſſelben iſt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 930. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/978>, abgerufen am 23.11.2024.