mit frischem Quellwasser und reinem Grunde sind außen tief dunkelbraun, ihre Organe dagegen weniger pigmentirt: "schwarze Muscheln, weiße Schnecken und weiße Perlen", sagen die Leute. Wegen Mangels an Farbstoff, welcher also im Thiere nicht abgesetzt werden kann, stechen die Organe von der dunklen Schale ab: hingegen in Bächen, mit sauerm Wiesenwasser gespeist, sind die Muschelschalen mehr rostbraun und die Organe farbstoffreicher wegen des überschüssigen Farbstoffes, welcher in ihnen abgelagert werden muß; letztere stechen also weniger von den ersteren ab. Solche Thiere produciren wohl Perlen, aber meist mißfarbige.
Man hat ferner großen Werth auf das Freisein der Bäche von Ufergesträuchen gelegt, in der Meinung, die Gegenwart von Licht sei zur Perlenbildung unumgänglich nothwendig; allein die edelsten Perlen entstehen oft in Thieren, welche tief unter Steinen und Baumwurzeln eingegraben sind an Stellen, wohin nie der Sonne erwärmende Strahlen gelangen oder des Mondes mattes Licht einfällt: es ist auch nicht einzusehen, was Licht zur Schalenbildung, also auch zur Perlengenese beitragen könne. Die Lichtung der Ufer, auf welche von jeher so viele Kosten verwendet wurden, ist nur von indirekter Bedeutung: Diebe verlieren dadurch ihre Schlupf- winkel und höchstens wird das Bachwasser an stagnirenden Stellen weniger von der Fäulniß des herabfallenden Laubes in seiner Mischung berührt. Hat demnach das Ausästen der Bachgesträuche seine praktische Seite und ist es nicht zu verdammen, mit der Perlenbildung als solcher steht es in keiner Beziehung. Die ersten Proben, welche in der Wildniß des undurchdringlichsten Waldes- dickichts vor Jahrhunderten aufgefunden wurden, hatten ebenso ihre preiswürdigen, als tadelhaften Eigenschaften; ja der Einfluß der Sonne ist einer niederen Vegetation niemals feindlich, sondern nur förderlich; und wenn die Berichte der Fischer dahin lauten, daß die edelsten Perlen an den hellsten, von Gebüschen und Stauden am wenigsten bewachsenen Stellen der Bäche aufgefunden werden, so ist stets auch die Frage nach dem Plus oder Minus der Bodenvegetation zu stellen.
Von eben so großer Bedeutung wie die Nahrung sind die Fortpflanzungsverhältnisse der Perlen- muschel; der meiste Erfolg einer Perlenzucht hängt von ihrer Regulirung und Förderung ab; denn dadurch werden zwei Haupterfordernisse ins Leben gerufen. Aus der numerischen Zusammenstellung ergab sich das geringe Verhältniß der perlentragenden zu den nicht perlentragenden Thieren; also je mehr Gelegenheit und Sicherheit den Thieren zu ihrem Fortpflanzungs- und Entwicklungsgeschäfte geboten wird, je mehr steigert sich die Aussicht auf ihre Vermehrung und demnach auch auf Perlenernte. Die andere, fast noch wichtigere Aufgabe, welche eine geregelte und gesteigerte Perlenzucht löst, besteht in der unläugbaren Thatsache, daß eine größere Anzahl Thiere in einem gegebenen Raume mehr Nahrung aufnimmt, also durch den Verbrauch eines Nahrungsüberschusses auch die Menge des perlenfeindlichen Farbstoffes sich verringert. Denn es ist nicht zu vergessen, daß der pflanzliche Farbstoff zum Theil schon in dem Bachwasser gelöst dem Thiere zugeführt wird und bei seiner Vertheilung unter eine größere Menge Thiere auf das einzelne Jndividuum weniger von ihm trifft, ohne daß sie dadurch an Nahrung überhaupt Mangel litten. -- Der Wege zur Erreichung einer vermehrten und ergiebigen Muschelbrut giebt es aber zweierlei. Jn den ältesten Zeiten findet man strenge Verordnungen des Jnhaltes aufgezeichnet, "daß in den Monaten Juli und August, wo der Perlfrosch im Laich ist, Niemand fische, krebse, noch weniger auf den Perlwässern fahre", bei Androhung schwerer Geld- und Leibesstrafen. Jn unseren Tagen sind diese weisen Regeln längst vergessen, und gerade in denjenigen Monaten, in welchen das Thier zur Empfängniß, Entwicklung seiner Eier und sicheren Zukunft der zarten, fast mikroskopischen jungen Brut die größte Ruhe bedarf, durchwühlen roher Fischer Hände und Füße den Boden der Bäche, und eiserne Hacken sprengen die fest zusammen sich pressenden Schalen auseinander, nicht zu gedenken der häufigen Gewohnheit, die für unreine Stoffe gehaltene Brut aus dem Thiere sogar zu entfernen! An dieser letzten heillosen Gewohnheit der Fischer schuldet ein großer Theil aller der Vorwürfe, welche wegen geringer Perlenerträgnisse aus Aller Munde laut werden, wie ja eine Abnahme der Thiere durch Zerstörung ihrer Brut weit fühlbarer wird, als durch andere
Perlenmuſchel.
mit friſchem Quellwaſſer und reinem Grunde ſind außen tief dunkelbraun, ihre Organe dagegen weniger pigmentirt: „ſchwarze Muſcheln, weiße Schnecken und weiße Perlen“, ſagen die Leute. Wegen Mangels an Farbſtoff, welcher alſo im Thiere nicht abgeſetzt werden kann, ſtechen die Organe von der dunklen Schale ab: hingegen in Bächen, mit ſauerm Wieſenwaſſer geſpeiſt, ſind die Muſchelſchalen mehr roſtbraun und die Organe farbſtoffreicher wegen des überſchüſſigen Farbſtoffes, welcher in ihnen abgelagert werden muß; letztere ſtechen alſo weniger von den erſteren ab. Solche Thiere produciren wohl Perlen, aber meiſt mißfarbige.
Man hat ferner großen Werth auf das Freiſein der Bäche von Ufergeſträuchen gelegt, in der Meinung, die Gegenwart von Licht ſei zur Perlenbildung unumgänglich nothwendig; allein die edelſten Perlen entſtehen oft in Thieren, welche tief unter Steinen und Baumwurzeln eingegraben ſind an Stellen, wohin nie der Sonne erwärmende Strahlen gelangen oder des Mondes mattes Licht einfällt: es iſt auch nicht einzuſehen, was Licht zur Schalenbildung, alſo auch zur Perlengeneſe beitragen könne. Die Lichtung der Ufer, auf welche von jeher ſo viele Koſten verwendet wurden, iſt nur von indirekter Bedeutung: Diebe verlieren dadurch ihre Schlupf- winkel und höchſtens wird das Bachwaſſer an ſtagnirenden Stellen weniger von der Fäulniß des herabfallenden Laubes in ſeiner Miſchung berührt. Hat demnach das Ausäſten der Bachgeſträuche ſeine praktiſche Seite und iſt es nicht zu verdammen, mit der Perlenbildung als ſolcher ſteht es in keiner Beziehung. Die erſten Proben, welche in der Wildniß des undurchdringlichſten Waldes- dickichts vor Jahrhunderten aufgefunden wurden, hatten ebenſo ihre preiswürdigen, als tadelhaften Eigenſchaften; ja der Einfluß der Sonne iſt einer niederen Vegetation niemals feindlich, ſondern nur förderlich; und wenn die Berichte der Fiſcher dahin lauten, daß die edelſten Perlen an den hellſten, von Gebüſchen und Stauden am wenigſten bewachſenen Stellen der Bäche aufgefunden werden, ſo iſt ſtets auch die Frage nach dem Plus oder Minus der Bodenvegetation zu ſtellen.
Von eben ſo großer Bedeutung wie die Nahrung ſind die Fortpflanzungsverhältniſſe der Perlen- muſchel; der meiſte Erfolg einer Perlenzucht hängt von ihrer Regulirung und Förderung ab; denn dadurch werden zwei Haupterforderniſſe ins Leben gerufen. Aus der numeriſchen Zuſammenſtellung ergab ſich das geringe Verhältniß der perlentragenden zu den nicht perlentragenden Thieren; alſo je mehr Gelegenheit und Sicherheit den Thieren zu ihrem Fortpflanzungs- und Entwicklungsgeſchäfte geboten wird, je mehr ſteigert ſich die Ausſicht auf ihre Vermehrung und demnach auch auf Perlenernte. Die andere, faſt noch wichtigere Aufgabe, welche eine geregelte und geſteigerte Perlenzucht löſt, beſteht in der unläugbaren Thatſache, daß eine größere Anzahl Thiere in einem gegebenen Raume mehr Nahrung aufnimmt, alſo durch den Verbrauch eines Nahrungsüberſchuſſes auch die Menge des perlenfeindlichen Farbſtoffes ſich verringert. Denn es iſt nicht zu vergeſſen, daß der pflanzliche Farbſtoff zum Theil ſchon in dem Bachwaſſer gelöſt dem Thiere zugeführt wird und bei ſeiner Vertheilung unter eine größere Menge Thiere auf das einzelne Jndividuum weniger von ihm trifft, ohne daß ſie dadurch an Nahrung überhaupt Mangel litten. — Der Wege zur Erreichung einer vermehrten und ergiebigen Muſchelbrut giebt es aber zweierlei. Jn den älteſten Zeiten findet man ſtrenge Verordnungen des Jnhaltes aufgezeichnet, „daß in den Monaten Juli und Auguſt, wo der Perlfroſch im Laich iſt, Niemand fiſche, krebſe, noch weniger auf den Perlwäſſern fahre“, bei Androhung ſchwerer Geld- und Leibesſtrafen. Jn unſeren Tagen ſind dieſe weiſen Regeln längſt vergeſſen, und gerade in denjenigen Monaten, in welchen das Thier zur Empfängniß, Entwicklung ſeiner Eier und ſicheren Zukunft der zarten, faſt mikroſkopiſchen jungen Brut die größte Ruhe bedarf, durchwühlen roher Fiſcher Hände und Füße den Boden der Bäche, und eiſerne Hacken ſprengen die feſt zuſammen ſich preſſenden Schalen auseinander, nicht zu gedenken der häufigen Gewohnheit, die für unreine Stoffe gehaltene Brut aus dem Thiere ſogar zu entfernen! An dieſer letzten heilloſen Gewohnheit der Fiſcher ſchuldet ein großer Theil aller der Vorwürfe, welche wegen geringer Perlenerträgniſſe aus Aller Munde laut werden, wie ja eine Abnahme der Thiere durch Zerſtörung ihrer Brut weit fühlbarer wird, als durch andere
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Perlenmuſchel.
mit friſchem Quellwaſſer und reinem Grunde ſind außen tief dunkelbraun, ihre Organe dagegen
weniger pigmentirt: „ſchwarze Muſcheln, weiße Schnecken und weiße Perlen“, ſagen die Leute.
Wegen Mangels an Farbſtoff, welcher alſo im Thiere nicht abgeſetzt werden kann, ſtechen die
Organe von der dunklen Schale ab: hingegen in Bächen, mit ſauerm Wieſenwaſſer geſpeiſt, ſind
die Muſchelſchalen mehr roſtbraun und die Organe farbſtoffreicher wegen des überſchüſſigen
Farbſtoffes, welcher in ihnen abgelagert werden muß; letztere ſtechen alſo weniger von den
erſteren ab. Solche Thiere produciren wohl Perlen, aber meiſt mißfarbige.
Man hat ferner großen Werth auf das Freiſein der Bäche von Ufergeſträuchen gelegt, in
der Meinung, die Gegenwart von Licht ſei zur Perlenbildung unumgänglich nothwendig; allein
die edelſten Perlen entſtehen oft in Thieren, welche tief unter Steinen und Baumwurzeln
eingegraben ſind an Stellen, wohin nie der Sonne erwärmende Strahlen gelangen oder des
Mondes mattes Licht einfällt: es iſt auch nicht einzuſehen, was Licht zur Schalenbildung, alſo
auch zur Perlengeneſe beitragen könne. Die Lichtung der Ufer, auf welche von jeher ſo viele
Koſten verwendet wurden, iſt nur von indirekter Bedeutung: Diebe verlieren dadurch ihre Schlupf-
winkel und höchſtens wird das Bachwaſſer an ſtagnirenden Stellen weniger von der Fäulniß des
herabfallenden Laubes in ſeiner Miſchung berührt. Hat demnach das Ausäſten der Bachgeſträuche
ſeine praktiſche Seite und iſt es nicht zu verdammen, mit der Perlenbildung als ſolcher ſteht es
in keiner Beziehung. Die erſten Proben, welche in der Wildniß des undurchdringlichſten Waldes-
dickichts vor Jahrhunderten aufgefunden wurden, hatten ebenſo ihre preiswürdigen, als tadelhaften
Eigenſchaften; ja der Einfluß der Sonne iſt einer niederen Vegetation niemals feindlich, ſondern
nur förderlich; und wenn die Berichte der Fiſcher dahin lauten, daß die edelſten Perlen an den
hellſten, von Gebüſchen und Stauden am wenigſten bewachſenen Stellen der Bäche aufgefunden
werden, ſo iſt ſtets auch die Frage nach dem Plus oder Minus der Bodenvegetation zu ſtellen.
Von eben ſo großer Bedeutung wie die Nahrung ſind die Fortpflanzungsverhältniſſe der Perlen-
muſchel; der meiſte Erfolg einer Perlenzucht hängt von ihrer Regulirung und Förderung ab; denn
dadurch werden zwei Haupterforderniſſe ins Leben gerufen. Aus der numeriſchen Zuſammenſtellung
ergab ſich das geringe Verhältniß der perlentragenden zu den nicht perlentragenden Thieren; alſo je
mehr Gelegenheit und Sicherheit den Thieren zu ihrem Fortpflanzungs- und Entwicklungsgeſchäfte
geboten wird, je mehr ſteigert ſich die Ausſicht auf ihre Vermehrung und demnach auch auf
Perlenernte. Die andere, faſt noch wichtigere Aufgabe, welche eine geregelte und geſteigerte
Perlenzucht löſt, beſteht in der unläugbaren Thatſache, daß eine größere Anzahl Thiere in einem
gegebenen Raume mehr Nahrung aufnimmt, alſo durch den Verbrauch eines Nahrungsüberſchuſſes
auch die Menge des perlenfeindlichen Farbſtoffes ſich verringert. Denn es iſt nicht zu vergeſſen,
daß der pflanzliche Farbſtoff zum Theil ſchon in dem Bachwaſſer gelöſt dem Thiere zugeführt
wird und bei ſeiner Vertheilung unter eine größere Menge Thiere auf das einzelne Jndividuum
weniger von ihm trifft, ohne daß ſie dadurch an Nahrung überhaupt Mangel litten. — Der
Wege zur Erreichung einer vermehrten und ergiebigen Muſchelbrut giebt es aber zweierlei. Jn den
älteſten Zeiten findet man ſtrenge Verordnungen des Jnhaltes aufgezeichnet, „daß in den Monaten
Juli und Auguſt, wo der Perlfroſch im Laich iſt, Niemand fiſche, krebſe, noch weniger auf den
Perlwäſſern fahre“, bei Androhung ſchwerer Geld- und Leibesſtrafen. Jn unſeren Tagen ſind
dieſe weiſen Regeln längſt vergeſſen, und gerade in denjenigen Monaten, in welchen das Thier zur
Empfängniß, Entwicklung ſeiner Eier und ſicheren Zukunft der zarten, faſt mikroſkopiſchen jungen
Brut die größte Ruhe bedarf, durchwühlen roher Fiſcher Hände und Füße den Boden der Bäche,
und eiſerne Hacken ſprengen die feſt zuſammen ſich preſſenden Schalen auseinander, nicht zu
gedenken der häufigen Gewohnheit, die für unreine Stoffe gehaltene Brut aus dem Thiere ſogar
zu entfernen! An dieſer letzten heilloſen Gewohnheit der Fiſcher ſchuldet ein großer Theil aller
der Vorwürfe, welche wegen geringer Perlenerträgniſſe aus Aller Munde laut werden, wie ja
eine Abnahme der Thiere durch Zerſtörung ihrer Brut weit fühlbarer wird, als durch andere
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 911. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/959>, abgerufen am 23.11.2024.
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