und Flüsse der Lombardei nur äußerst selten deren gefunden hatte. Die Perlen aus den Teichen von Racconigi sind klein, von regelmäßiger Form und könnten als sogenannter Perlsamen im Handel gebraucht werden. Eine vollkommen runde Perle von der Größe eines Hanfkornes fand Filippi im muskulösen Mantelfaume gerade an der Stelle, wo beim eigentlichen Unio margari- tifer die Perlen gewöhnlich vorkommen. Mit der Häufigkeit der Teichmuscheln von Racconigi fällt ferner das häufige Vorkommen einer Species von Eingeweidewürmern, Distomum duplicatum zusammen, während sie den Muscheln des Sees von Varese in der Lombardei zu mangeln scheinen. Bei den genannten Muscheln finden sich im Mantel in großer Anzahl die kleinen Schläuche ein- gestreut, welche Distomen enthalten, und in entsprechender Menge erkennt man perlartige Rauh- heiten von verschiedener Form und Entwicklung, die durch alle möglichen Abstufungen bis zu fast kugelrunden Perlen vom Durchmesser eines Hirsekornes übergehen, auf der anliegenden Fläche der Schalen. Wenn nun Filippi die dem Anscheine nach jüngsten Concretionen von der Schale abnahm und nach gehöriger Präparation unter das Mikroskop brachte, so erkannte er die Ueber- reste kleiner Distomen, welche als Kern der kalkigen Materie gedient haben. Auch bei den anderen im Mantel der Teichmuscheln isolirt vorkommenden Perlen fand Filippi einen organischen Jnhalt als Kern und that daher den Ausspruch, daß der Kern der Perlen die Charaktere eines verstorbenen organischen Wesens an sich trage und dieses organische Wesen ein Eingeweidewurm sei. Der Kern der Perlen werde immer von einem Schmarotzer gebildet und die Häufigkeit der Perlen stehe in direktem Zusammenhange mit der Häusigkeit der Parasiten im Mantel der perl- tragenden Muscheln.
Hatte schon Filippi auf einen anderen Parasiten als Veranlasser der Perlenbildung gelegent- lich hingewiesen, so wurde derselbe durch den bekannten, um die Geschichte der Eingeweidewürmer so verdienten Arzt, Dr.Küchenmeister, noch mehr in den Vordergrund gestellt. Jhm war es zweifellos, daß in manchen Exemplaren der Elstermuscheln eine Milbe den Kern bildet. Diese Wasserspinne ist Atax ypsilophora, auch Limnochares anodontae genannt. Sie lebt im schlam- migen Boden schwach fließender, angestauter, mehr stehender Gewässer, besonders in schlammigen Teichen, steigt selten an die Oberfläche herauf, bleibt meistens in den dem Bodenschlamm angrenzenden Wasserschichten, also am liebsten im Niveau der hinteren Körperhälfte der Muscheln, wo auch Küchenmeister, welcher von der sächsischen Regierung mit der Untersuchung der Muschelbänke bei Bad Elster beauftragt war, die meisten Jndividuen eingewandert fand. Diese achtbeinige, geschlechtsreife Milbe treibt sich im Wasser herum und setzt ihre Eier in den Mantel der Anodonten und Unionen ab. Die Eier, vom Muschelthiere mit einer häutigen Hülle umgeben, verwandeln sich in sechsbeinige Spinnen. Diese gehen aus der Eihülle und Umhüllungscyste ins Wasser, um nach einigem Aufenthalte in letzterem wieder in den Mantel einzuwandern; die sechs- beinige Brut zieht alsdann ihre Füße an sich und häutet sich in einer, vom Muschelthiere aber- mals erhaltenen Hülle, darauf durchbricht das Thier dieselbe und gelangt achtbeinig ins Freie, um seine Geschlechtsfunktionen auszuüben. Küchenmeister sah nun die von der Muschel um die Ataxhaut gebildete Hülle, in welcher oft die abgestreifte Haut der sechsbeinigen Spinne liegen bleibt, als den Perlkern an.
Die Wahrheit in dieser Theorie, nach welcher die Bildung der Perlen zur geographischen Verbreitung der Muschelparasiten in geradem Verhältniß steht und die Gegenwart oder Abwesen- heit derselben in den Gewässern, nicht aber die Gattung oder die Art des Thieres maßgebend ist, auf ihre bescheidenen Grenzen zurückgeführt zu haben, ist das große Verdienst von Heßling's. So wenig in Abrede gestellt wird, daß in den verschiedensten Najadenarten gelegentlich durch jene genannten Parasiten Veranlassung zur Bildung von Perlen und perlenähnlichen Aufschich- tungen gegeben ist, so unbedingt stellt sich heraus, daß für die eigentliche Perlmuschel, Unio margaritifer, diese Verhältnisse nicht statt haben. "Ungefähr 40,000 Thiere", sagt von Heßling, "theils von mir, theils von den Fischern geöffnet, kamen zu meiner Durchsicht, wurden gerade
Europäiſche Perlenmuſchel.
und Flüſſe der Lombardei nur äußerſt ſelten deren gefunden hatte. Die Perlen aus den Teichen von Racconigi ſind klein, von regelmäßiger Form und könnten als ſogenannter Perlſamen im Handel gebraucht werden. Eine vollkommen runde Perle von der Größe eines Hanfkornes fand Filippi im muskulöſen Mantelfaume gerade an der Stelle, wo beim eigentlichen Unio margari- tifer die Perlen gewöhnlich vorkommen. Mit der Häufigkeit der Teichmuſcheln von Racconigi fällt ferner das häufige Vorkommen einer Species von Eingeweidewürmern, Distomum duplicatum zuſammen, während ſie den Muſcheln des Sees von Vareſe in der Lombardei zu mangeln ſcheinen. Bei den genannten Muſcheln finden ſich im Mantel in großer Anzahl die kleinen Schläuche ein- geſtreut, welche Diſtomen enthalten, und in entſprechender Menge erkennt man perlartige Rauh- heiten von verſchiedener Form und Entwicklung, die durch alle möglichen Abſtufungen bis zu faſt kugelrunden Perlen vom Durchmeſſer eines Hirſekornes übergehen, auf der anliegenden Fläche der Schalen. Wenn nun Filippi die dem Anſcheine nach jüngſten Concretionen von der Schale abnahm und nach gehöriger Präparation unter das Mikroſkop brachte, ſo erkannte er die Ueber- reſte kleiner Diſtomen, welche als Kern der kalkigen Materie gedient haben. Auch bei den anderen im Mantel der Teichmuſcheln iſolirt vorkommenden Perlen fand Filippi einen organiſchen Jnhalt als Kern und that daher den Ausſpruch, daß der Kern der Perlen die Charaktere eines verſtorbenen organiſchen Weſens an ſich trage und dieſes organiſche Weſen ein Eingeweidewurm ſei. Der Kern der Perlen werde immer von einem Schmarotzer gebildet und die Häufigkeit der Perlen ſtehe in direktem Zuſammenhange mit der Häuſigkeit der Paraſiten im Mantel der perl- tragenden Muſcheln.
Hatte ſchon Filippi auf einen anderen Paraſiten als Veranlaſſer der Perlenbildung gelegent- lich hingewieſen, ſo wurde derſelbe durch den bekannten, um die Geſchichte der Eingeweidewürmer ſo verdienten Arzt, Dr.Küchenmeiſter, noch mehr in den Vordergrund geſtellt. Jhm war es zweifellos, daß in manchen Exemplaren der Elſtermuſcheln eine Milbe den Kern bildet. Dieſe Waſſerſpinne iſt Atax ypsilophora, auch Limnochares anodontae genannt. Sie lebt im ſchlam- migen Boden ſchwach fließender, angeſtauter, mehr ſtehender Gewäſſer, beſonders in ſchlammigen Teichen, ſteigt ſelten an die Oberfläche herauf, bleibt meiſtens in den dem Bodenſchlamm angrenzenden Waſſerſchichten, alſo am liebſten im Niveau der hinteren Körperhälfte der Muſcheln, wo auch Küchenmeiſter, welcher von der ſächſiſchen Regierung mit der Unterſuchung der Muſchelbänke bei Bad Elſter beauftragt war, die meiſten Jndividuen eingewandert fand. Dieſe achtbeinige, geſchlechtsreife Milbe treibt ſich im Waſſer herum und ſetzt ihre Eier in den Mantel der Anodonten und Unionen ab. Die Eier, vom Muſchelthiere mit einer häutigen Hülle umgeben, verwandeln ſich in ſechsbeinige Spinnen. Dieſe gehen aus der Eihülle und Umhüllungscyſte ins Waſſer, um nach einigem Aufenthalte in letzterem wieder in den Mantel einzuwandern; die ſechs- beinige Brut zieht alsdann ihre Füße an ſich und häutet ſich in einer, vom Muſchelthiere aber- mals erhaltenen Hülle, darauf durchbricht das Thier dieſelbe und gelangt achtbeinig ins Freie, um ſeine Geſchlechtsfunktionen auszuüben. Küchenmeiſter ſah nun die von der Muſchel um die Ataxhaut gebildete Hülle, in welcher oft die abgeſtreifte Haut der ſechsbeinigen Spinne liegen bleibt, als den Perlkern an.
Die Wahrheit in dieſer Theorie, nach welcher die Bildung der Perlen zur geographiſchen Verbreitung der Muſchelparaſiten in geradem Verhältniß ſteht und die Gegenwart oder Abweſen- heit derſelben in den Gewäſſern, nicht aber die Gattung oder die Art des Thieres maßgebend iſt, auf ihre beſcheidenen Grenzen zurückgeführt zu haben, iſt das große Verdienſt von Heßling’s. So wenig in Abrede geſtellt wird, daß in den verſchiedenſten Najadenarten gelegentlich durch jene genannten Paraſiten Veranlaſſung zur Bildung von Perlen und perlenähnlichen Aufſchich- tungen gegeben iſt, ſo unbedingt ſtellt ſich heraus, daß für die eigentliche Perlmuſchel, Unio margaritifer, dieſe Verhältniſſe nicht ſtatt haben. „Ungefähr 40,000 Thiere“, ſagt von Heßling, „theils von mir, theils von den Fiſchern geöffnet, kamen zu meiner Durchſicht, wurden gerade
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[907/0955]
Europäiſche Perlenmuſchel.
und Flüſſe der Lombardei nur äußerſt ſelten deren gefunden hatte. Die Perlen aus den Teichen
von Racconigi ſind klein, von regelmäßiger Form und könnten als ſogenannter Perlſamen im
Handel gebraucht werden. Eine vollkommen runde Perle von der Größe eines Hanfkornes fand
Filippi im muskulöſen Mantelfaume gerade an der Stelle, wo beim eigentlichen Unio margari-
tifer die Perlen gewöhnlich vorkommen. Mit der Häufigkeit der Teichmuſcheln von Racconigi
fällt ferner das häufige Vorkommen einer Species von Eingeweidewürmern, Distomum duplicatum
zuſammen, während ſie den Muſcheln des Sees von Vareſe in der Lombardei zu mangeln ſcheinen.
Bei den genannten Muſcheln finden ſich im Mantel in großer Anzahl die kleinen Schläuche ein-
geſtreut, welche Diſtomen enthalten, und in entſprechender Menge erkennt man perlartige Rauh-
heiten von verſchiedener Form und Entwicklung, die durch alle möglichen Abſtufungen bis zu faſt
kugelrunden Perlen vom Durchmeſſer eines Hirſekornes übergehen, auf der anliegenden Fläche der
Schalen. Wenn nun Filippi die dem Anſcheine nach jüngſten Concretionen von der Schale
abnahm und nach gehöriger Präparation unter das Mikroſkop brachte, ſo erkannte er die Ueber-
reſte kleiner Diſtomen, welche als Kern der kalkigen Materie gedient haben. Auch bei den
anderen im Mantel der Teichmuſcheln iſolirt vorkommenden Perlen fand Filippi einen organiſchen
Jnhalt als Kern und that daher den Ausſpruch, daß der Kern der Perlen die Charaktere eines
verſtorbenen organiſchen Weſens an ſich trage und dieſes organiſche Weſen ein Eingeweidewurm
ſei. Der Kern der Perlen werde immer von einem Schmarotzer gebildet und die Häufigkeit der
Perlen ſtehe in direktem Zuſammenhange mit der Häuſigkeit der Paraſiten im Mantel der perl-
tragenden Muſcheln.
Hatte ſchon Filippi auf einen anderen Paraſiten als Veranlaſſer der Perlenbildung gelegent-
lich hingewieſen, ſo wurde derſelbe durch den bekannten, um die Geſchichte der Eingeweidewürmer ſo
verdienten Arzt, Dr. Küchenmeiſter, noch mehr in den Vordergrund geſtellt. Jhm war es
zweifellos, daß in manchen Exemplaren der Elſtermuſcheln eine Milbe den Kern bildet. Dieſe
Waſſerſpinne iſt Atax ypsilophora, auch Limnochares anodontae genannt. Sie lebt im ſchlam-
migen Boden ſchwach fließender, angeſtauter, mehr ſtehender Gewäſſer, beſonders in ſchlammigen
Teichen, ſteigt ſelten an die Oberfläche herauf, bleibt meiſtens in den dem Bodenſchlamm
angrenzenden Waſſerſchichten, alſo am liebſten im Niveau der hinteren Körperhälfte der Muſcheln,
wo auch Küchenmeiſter, welcher von der ſächſiſchen Regierung mit der Unterſuchung der
Muſchelbänke bei Bad Elſter beauftragt war, die meiſten Jndividuen eingewandert fand. Dieſe
achtbeinige, geſchlechtsreife Milbe treibt ſich im Waſſer herum und ſetzt ihre Eier in den Mantel
der Anodonten und Unionen ab. Die Eier, vom Muſchelthiere mit einer häutigen Hülle umgeben,
verwandeln ſich in ſechsbeinige Spinnen. Dieſe gehen aus der Eihülle und Umhüllungscyſte ins
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beinige Brut zieht alsdann ihre Füße an ſich und häutet ſich in einer, vom Muſchelthiere aber-
mals erhaltenen Hülle, darauf durchbricht das Thier dieſelbe und gelangt achtbeinig ins Freie,
um ſeine Geſchlechtsfunktionen auszuüben. Küchenmeiſter ſah nun die von der Muſchel um
die Ataxhaut gebildete Hülle, in welcher oft die abgeſtreifte Haut der ſechsbeinigen Spinne liegen
bleibt, als den Perlkern an.
Die Wahrheit in dieſer Theorie, nach welcher die Bildung der Perlen zur geographiſchen
Verbreitung der Muſchelparaſiten in geradem Verhältniß ſteht und die Gegenwart oder Abweſen-
heit derſelben in den Gewäſſern, nicht aber die Gattung oder die Art des Thieres maßgebend iſt,
auf ihre beſcheidenen Grenzen zurückgeführt zu haben, iſt das große Verdienſt von Heßling’s.
So wenig in Abrede geſtellt wird, daß in den verſchiedenſten Najadenarten gelegentlich durch
jene genannten Paraſiten Veranlaſſung zur Bildung von Perlen und perlenähnlichen Aufſchich-
tungen gegeben iſt, ſo unbedingt ſtellt ſich heraus, daß für die eigentliche Perlmuſchel, Unio
margaritifer, dieſe Verhältniſſe nicht ſtatt haben. „Ungefähr 40,000 Thiere“, ſagt von Heßling,
„theils von mir, theils von den Fiſchern geöffnet, kamen zu meiner Durchſicht, wurden gerade
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 907. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/955>, abgerufen am 23.11.2024.
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