Nachdem wir den Bau, die Lebensweise und Entwicklung der Flußperlenmuschel und ihrer Verwandten kennen gelernt, wenden wir uns nun zu den Perlen. Wir halten uns wieder fast ganz an von Heßlings Worte. Perlen sind die freien, im Thiere vorkommenden, aus den Schalenstoffen bestehenden Concretionen. Jhre Eigenschaften, der Glanz oder das Wasser, Run- dung und Glätte, neben Größe und Gewicht, hängen mehr oder weniger von ihrer Zusammen- setzung, ihrem Baue ab und dieser fällt zusammen mit demjenigen der Schalen. Was daher von den verschiedenen drei Schichten der Schalen, der Perlmutterschicht, der Säulen- und Oberhaut- schicht gesagt ist, gilt auch für die Perlen, welche demnach aus feinen organischen Häuten und in und zwischen denselben abgelagerter Kalksubstanz bestehen. Die tadellose, fehlerfreie Perle entbehrt jeder besonderen Farbe, sie besitzt nur das Farbenspiel der Perlmutterschicht ihrer Schale also auch ihren Bau. Jhr unaussprechlich saufter, milchweißer, silberheller, mit den Farben des Regenbogens kaum tingirter Glanz, ihr reinstes Wasser ist bedingt von der Ablagerungsweise des Kalkes und der Durchsichtigkeit ihrer Membranen; ersterer gibt ihnen das schillernde Farben- spiel, letztere das milde Licht, welches so mächtig das Auge der Sterblichen fesselt und bannt; darum der viel häufigere Glanz und die größere Pracht der orientalischen Perlen, weil selbst ihre Säulenschichten, aus denen sie eben so häufig wie aus den Perlmutterschichten zusammengesetzt sind, fast gänzlich farblos sind und deßhalb dem Lichte den Durchgang gestatten, gegenüber den gefärbten Säulenschichten der Flußperlenmuscheln. Eine der prachtvollsten orientalischen Perlen ist in der Sammlung von Natur- und Kunstsachen der Gebrüder Zosima in Moskau; sie ist völlig rund, undurchbohrt, von schönstem Silberglanze, 27 7/8 Karat schwer. Nimmt man die Perle aus ihrem kostbaren Behältniß auf ein feines Battisttuch, so rollt sie wie eine große schön- glänzende Quecksilberkugel herum. Hinsichtlich der Größe, so beziehen sich alle Beispiele einer bedeutenden Größe, bis zu der einer welschen Nuß und darüber, auf amerikanische und persische Perlen. Die europäischen, besonders bayerschen Perlen erreichen den Umfang einer großen Erbse oder kleinen Bohne, häufig aber den eines Stecknadelkopfes und ebenfalls weit darunter.
Die Frage nach dem Ursprung der Perlen ist so alt, wie die Kenntniß von ihrem Dasein. Wir wollen wenigstens einige der von von Heßling in gewohnter Sorgfalt gesammelten Sagen und Meinungen darüber mittheilen, obschon sich die meisten auf die Perlen der Seemuscheln beziehen. Jn milden lauen Sommernächten entgleiten dem Himmel zarte Thautropfen, um in dem Busen der klaffenden Muschel von den wärmenden Sonnenstrahlen befruchtet zu werden. Diese altindische Sage reicht durch das ganze Alterthum bis weit in das Mittelalter hinein. Am Tage des Monates Nisan (24. März), erzählt der gelehrte Jude Benjamin von Tutela, nehmen die Muscheln die fallenden Regentropfen auf, und im Monate Tisoi (Mitte September), finden die Taucher die Edelsteine darin, und noch in unseren Tagen waltet unter den dortigen Eingeborenen derselbe Glaube von der Bildung der Perlen. Jn verschiedenem allegorischen Gewande lebt diese Mythe fort in den Werken der Dichter, wie in den Denkmälern der Kunst. Der durch seine Alchemie verarmte Augurello besang sie in seiner "Goldmacherkunst" mit begeisterten Versen und lieblich sind Rückerts Worte:
"Da dacht' ich meine himmlische Entstammung: Ein Engel weint um einer Schwachheit willen, Und sinken mußt' ein Tropf in die Verdammung. Denn auch die Engel weinen wohl im Stillen; Doch ihre Thränen sind der Welt zum Frommen, Weil aus denselben solche Perlen quillen. Die Thräne wär' im Ocean verschwommen, Wenn nicht das Meer, den edlen Ursprung kennend, Sie hätt' in eine Muschel aufgenommen, Den Tropfen von den andern Tropfen trennend, Die minder edlem Quell entquollen waren,
Europäiſche Perlenmuſchel.
Nachdem wir den Bau, die Lebensweiſe und Entwicklung der Flußperlenmuſchel und ihrer Verwandten kennen gelernt, wenden wir uns nun zu den Perlen. Wir halten uns wieder faſt ganz an von Heßlings Worte. Perlen ſind die freien, im Thiere vorkommenden, aus den Schalenſtoffen beſtehenden Concretionen. Jhre Eigenſchaften, der Glanz oder das Waſſer, Run- dung und Glätte, neben Größe und Gewicht, hängen mehr oder weniger von ihrer Zuſammen- ſetzung, ihrem Baue ab und dieſer fällt zuſammen mit demjenigen der Schalen. Was daher von den verſchiedenen drei Schichten der Schalen, der Perlmutterſchicht, der Säulen- und Oberhaut- ſchicht geſagt iſt, gilt auch für die Perlen, welche demnach aus feinen organiſchen Häuten und in und zwiſchen denſelben abgelagerter Kalkſubſtanz beſtehen. Die tadelloſe, fehlerfreie Perle entbehrt jeder beſonderen Farbe, ſie beſitzt nur das Farbenſpiel der Perlmutterſchicht ihrer Schale alſo auch ihren Bau. Jhr unausſprechlich ſaufter, milchweißer, ſilberheller, mit den Farben des Regenbogens kaum tingirter Glanz, ihr reinſtes Waſſer iſt bedingt von der Ablagerungsweiſe des Kalkes und der Durchſichtigkeit ihrer Membranen; erſterer gibt ihnen das ſchillernde Farben- ſpiel, letztere das milde Licht, welches ſo mächtig das Auge der Sterblichen feſſelt und bannt; darum der viel häufigere Glanz und die größere Pracht der orientaliſchen Perlen, weil ſelbſt ihre Säulenſchichten, aus denen ſie eben ſo häufig wie aus den Perlmutterſchichten zuſammengeſetzt ſind, faſt gänzlich farblos ſind und deßhalb dem Lichte den Durchgang geſtatten, gegenüber den gefärbten Säulenſchichten der Flußperlenmuſcheln. Eine der prachtvollſten orientaliſchen Perlen iſt in der Sammlung von Natur- und Kunſtſachen der Gebrüder Zoſima in Moskau; ſie iſt völlig rund, undurchbohrt, von ſchönſtem Silberglanze, 27⅞ Karat ſchwer. Nimmt man die Perle aus ihrem koſtbaren Behältniß auf ein feines Battiſttuch, ſo rollt ſie wie eine große ſchön- glänzende Queckſilberkugel herum. Hinſichtlich der Größe, ſo beziehen ſich alle Beiſpiele einer bedeutenden Größe, bis zu der einer welſchen Nuß und darüber, auf amerikaniſche und perſiſche Perlen. Die europäiſchen, beſonders bayerſchen Perlen erreichen den Umfang einer großen Erbſe oder kleinen Bohne, häufig aber den eines Stecknadelkopfes und ebenfalls weit darunter.
Die Frage nach dem Urſprung der Perlen iſt ſo alt, wie die Kenntniß von ihrem Daſein. Wir wollen wenigſtens einige der von von Heßling in gewohnter Sorgfalt geſammelten Sagen und Meinungen darüber mittheilen, obſchon ſich die meiſten auf die Perlen der Seemuſcheln beziehen. Jn milden lauen Sommernächten entgleiten dem Himmel zarte Thautropfen, um in dem Buſen der klaffenden Muſchel von den wärmenden Sonnenſtrahlen befruchtet zu werden. Dieſe altindiſche Sage reicht durch das ganze Alterthum bis weit in das Mittelalter hinein. Am Tage des Monates Niſan (24. März), erzählt der gelehrte Jude Benjamin von Tutela, nehmen die Muſcheln die fallenden Regentropfen auf, und im Monate Tiſoi (Mitte September), finden die Taucher die Edelſteine darin, und noch in unſeren Tagen waltet unter den dortigen Eingeborenen derſelbe Glaube von der Bildung der Perlen. Jn verſchiedenem allegoriſchen Gewande lebt dieſe Mythe fort in den Werken der Dichter, wie in den Denkmälern der Kunſt. Der durch ſeine Alchemie verarmte Augurello beſang ſie in ſeiner „Goldmacherkunſt“ mit begeiſterten Verſen und lieblich ſind Rückerts Worte:
„Da dacht’ ich meine himmliſche Entſtammung: Ein Engel weint um einer Schwachheit willen, Und ſinken mußt’ ein Tropf in die Verdammung. Denn auch die Engel weinen wohl im Stillen; Doch ihre Thränen ſind der Welt zum Frommen, Weil aus denſelben ſolche Perlen quillen. Die Thräne wär’ im Ocean verſchwommen, Wenn nicht das Meer, den edlen Urſprung kennend, Sie hätt’ in eine Muſchel aufgenommen, Den Tropfen von den andern Tropfen trennend, Die minder edlem Quell entquollen waren,
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Europäiſche Perlenmuſchel.
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Verwandten kennen gelernt, wenden wir uns nun zu den Perlen. Wir halten uns wieder faſt
ganz an von Heßlings Worte. Perlen ſind die freien, im Thiere vorkommenden, aus den
Schalenſtoffen beſtehenden Concretionen. Jhre Eigenſchaften, der Glanz oder das Waſſer, Run-
dung und Glätte, neben Größe und Gewicht, hängen mehr oder weniger von ihrer Zuſammen-
ſetzung, ihrem Baue ab und dieſer fällt zuſammen mit demjenigen der Schalen. Was daher von
den verſchiedenen drei Schichten der Schalen, der Perlmutterſchicht, der Säulen- und Oberhaut-
ſchicht geſagt iſt, gilt auch für die Perlen, welche demnach aus feinen organiſchen Häuten und
in und zwiſchen denſelben abgelagerter Kalkſubſtanz beſtehen. Die tadelloſe, fehlerfreie Perle
entbehrt jeder beſonderen Farbe, ſie beſitzt nur das Farbenſpiel der Perlmutterſchicht ihrer Schale
alſo auch ihren Bau. Jhr unausſprechlich ſaufter, milchweißer, ſilberheller, mit den Farben des
Regenbogens kaum tingirter Glanz, ihr reinſtes Waſſer iſt bedingt von der Ablagerungsweiſe
des Kalkes und der Durchſichtigkeit ihrer Membranen; erſterer gibt ihnen das ſchillernde Farben-
ſpiel, letztere das milde Licht, welches ſo mächtig das Auge der Sterblichen feſſelt und bannt;
darum der viel häufigere Glanz und die größere Pracht der orientaliſchen Perlen, weil ſelbſt ihre
Säulenſchichten, aus denen ſie eben ſo häufig wie aus den Perlmutterſchichten zuſammengeſetzt
ſind, faſt gänzlich farblos ſind und deßhalb dem Lichte den Durchgang geſtatten, gegenüber den
gefärbten Säulenſchichten der Flußperlenmuſcheln. Eine der prachtvollſten orientaliſchen Perlen
iſt in der Sammlung von Natur- und Kunſtſachen der Gebrüder Zoſima in Moskau; ſie iſt
völlig rund, undurchbohrt, von ſchönſtem Silberglanze, 27⅞ Karat ſchwer. Nimmt man die
Perle aus ihrem koſtbaren Behältniß auf ein feines Battiſttuch, ſo rollt ſie wie eine große ſchön-
glänzende Queckſilberkugel herum. Hinſichtlich der Größe, ſo beziehen ſich alle Beiſpiele einer
bedeutenden Größe, bis zu der einer welſchen Nuß und darüber, auf amerikaniſche und perſiſche
Perlen. Die europäiſchen, beſonders bayerſchen Perlen erreichen den Umfang einer großen Erbſe
oder kleinen Bohne, häufig aber den eines Stecknadelkopfes und ebenfalls weit darunter.
Die Frage nach dem Urſprung der Perlen iſt ſo alt, wie die Kenntniß von ihrem Daſein.
Wir wollen wenigſtens einige der von von Heßling in gewohnter Sorgfalt geſammelten Sagen
und Meinungen darüber mittheilen, obſchon ſich die meiſten auf die Perlen der Seemuſcheln
beziehen. Jn milden lauen Sommernächten entgleiten dem Himmel zarte Thautropfen, um in
dem Buſen der klaffenden Muſchel von den wärmenden Sonnenſtrahlen befruchtet zu werden.
Dieſe altindiſche Sage reicht durch das ganze Alterthum bis weit in das Mittelalter hinein.
Am Tage des Monates Niſan (24. März), erzählt der gelehrte Jude Benjamin von Tutela,
nehmen die Muſcheln die fallenden Regentropfen auf, und im Monate Tiſoi (Mitte September),
finden die Taucher die Edelſteine darin, und noch in unſeren Tagen waltet unter den dortigen
Eingeborenen derſelbe Glaube von der Bildung der Perlen. Jn verſchiedenem allegoriſchen Gewande
lebt dieſe Mythe fort in den Werken der Dichter, wie in den Denkmälern der Kunſt. Der durch
ſeine Alchemie verarmte Augurello beſang ſie in ſeiner „Goldmacherkunſt“ mit begeiſterten
Verſen und lieblich ſind Rückerts Worte:
„Da dacht’ ich meine himmliſche Entſtammung:
Ein Engel weint um einer Schwachheit willen,
Und ſinken mußt’ ein Tropf in die Verdammung.
Denn auch die Engel weinen wohl im Stillen;
Doch ihre Thränen ſind der Welt zum Frommen,
Weil aus denſelben ſolche Perlen quillen.
Die Thräne wär’ im Ocean verſchwommen,
Wenn nicht das Meer, den edlen Urſprung kennend,
Sie hätt’ in eine Muſchel aufgenommen,
Den Tropfen von den andern Tropfen trennend,
Die minder edlem Quell entquollen waren,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 905. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/953>, abgerufen am 23.11.2024.
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