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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Lebensweise von Dentalium.
Wasser auch ab, und beim niedrigsten Stande, wenn die Fluth eben beginnen soll, fängt der
Strand an auszutrocknen, die Thiere fühlen das Bedürfniß nach Wasser, verändern ihren Ort
und suchen einen feuchteren Platz. Zu diesem Zeitpunkt ist das Einsammeln von allen im Sande
eingegrabenen Thieren am ergiebigsten; sie mögen zu was immer für einer Klasse gehören, alle
verrathen ihre Anwesenheit durch Furchen und Bewegungen des Bodens. Eine große Anzahl
sandbewohnender Muscheln kann man dann mit der größten Leichtigkeit erkennen. Jch fand die
schönsten und größten Sipunkeln, wie sie eben aus dem Boden hervorkamen, und das in dem
Moment, wo die Fluth mich vertrieb und die Untersuchungen aufzugeben zwang. Nicht anders
Dentalium; auch dieses sieht man den Sand aufwühlen. Anfänglich macht es nur eine kleine
leicht zu erkennende Furche, die man wohl mit der der Pandora (einer kleinen Muschel) ver-
wechseln kann. Diese indessen geht immer einen krummen Weg, da die eine Schalenhälfte eben,
die andre gebogen ist. Sobald man dieß Zeichen kennt, irrt man nicht mehr. Anfangs also
verrathen die Dentalien ihre Anwesenheit durch ihre Furche im Sande; später erscheint die leicht
kenntliche Schale wie im Strandboden gepflanzt; noch später kommt sie ganz heraus und das
Thier fällt auf den Sand. Als ich diese Umstände kennen gelernt, konnte ich bei einer einzigen
großen Ebbe leicht und ohne Mühe 200 Stück sammeln. Dentalium ist also ein Thier, das ver-
hältnißmäßig in ziemlichen Tiefen lebt, und das man nur bei starker Ebbe anzutreffen hoffen darf.
Am liebsten gräbt es sich in etwas grobem Sande ein. Jn dem sehr feinen war es nie zu finden.
Die lange lebend aufbewahrten Thiere schienen sich in dem aus kleinen Muschelbruchstücken gebildeten
Sande sehr wohl zu befinden. Jn dem feinen Sande, welcher unten schlammig und faul wurde,
gingen die Thiere sehr schnell zu Grunde. Die angeführten Thatsachen zeigen genugsam, daß
das Dentalium nicht eine Röhre bewohnt, wie viele Muscheln, sondern, daß es im Gegentheil
fortwährend seinen Aufenthaltsort wechselt. Beim Eindringen in den Sand bedient es sich der
beiden Seitenlappen des Fußes, welche dabei die Rolle von Ankerzähnen spielen, so, daß wenn
das Thier nach dem Vorstrecken des Fußes sich zusammenzieht, der ganze Körper vorwärts
rücken muß."

Nachdem Lacaze-Duthiers die Beobachtungen mitgetheilt, aus denen ersichtlich, daß das
Wasser durch die Flimmerbewegung am Vorderende eintritt und aus der hinteren Mündung
sammt Erkrementen und Fortpflanzungsprodukten wieder austritt, und daß das Thier sich dabei
auch des Fußes wie eines Pumpstempels bedienen kann, sagt er, daß es ihm wahrscheinlich sei,
daß durch die regelmäßige von vorn nach hinten gerichtete Strömung auch die Nahrung dem
Munde zugeführt werde; aber auch die Fühlfäden könnten zur Aufsuchung und Zubringung kleiner
zur Nahrung dienender Thierchen verwendet werden.

"Ueber das Empfindungs- und Nervenleben läßt sich folgendes leicht beobachten. Das Den-
talium verspürt die Einwirkung des Lichtes; man sieht es den Fuß einziehen, wenn man einen
Sonnenstrahl darauf fallen läßt. Auch wenn man sich dem Thiere mit einem Lichte nähert, zieht
es sich in sein Gehäus zurück; und dieser Umstand steht mit einer Eigenthümlichkeit seiner Lebens-
weise in Verbindung. Es verändert bei Nacht, besonders bei Beginn derselben seinen Platz. Jch
hatte bemerkt, daß die in Schüsseln befindlichen Thiere ein kleines Anschlagen vernehmen ließen.
Jndem ich nun aufpaßte, erkannte ich, daß ihr Fuß, indem er eindringen wollte in den Boden,
die Schale in die Höhe hob, und daß diese beim Umfallen das Geräusch verursachte. Jch beobachtete
nun die Thiere lange Zeit, indem ich ihnen einen fast natürlichen Aufenthalt geschaffen hatte und
erkannte bald, daß die Abendstunde die Zeit des Ortswechsels war. Jch will nicht behaupten,
daß sie sich ausschließlich zu diesem Zeitpunkt bewegen und daß sie bei Tage in Unbeweglichkeit
verharren; aber es scheint mir unbestreitbar, daß die Dentalien besonders bei Nacht in Thätig-
keit sind."

"Auch die Fortpflanzung zeigt einige bemerkenswerthe Thatsachen. Eine Begattung findet
nicht statt und zwar nothwendiger Weise deßhalb, weil es keine äußeren Fortpflanzungswerk-

Lebensweiſe von Dentalium.
Waſſer auch ab, und beim niedrigſten Stande, wenn die Fluth eben beginnen ſoll, fängt der
Strand an auszutrocknen, die Thiere fühlen das Bedürfniß nach Waſſer, verändern ihren Ort
und ſuchen einen feuchteren Platz. Zu dieſem Zeitpunkt iſt das Einſammeln von allen im Sande
eingegrabenen Thieren am ergiebigſten; ſie mögen zu was immer für einer Klaſſe gehören, alle
verrathen ihre Anweſenheit durch Furchen und Bewegungen des Bodens. Eine große Anzahl
ſandbewohnender Muſcheln kann man dann mit der größten Leichtigkeit erkennen. Jch fand die
ſchönſten und größten Sipunkeln, wie ſie eben aus dem Boden hervorkamen, und das in dem
Moment, wo die Fluth mich vertrieb und die Unterſuchungen aufzugeben zwang. Nicht anders
Dentalium; auch dieſes ſieht man den Sand aufwühlen. Anfänglich macht es nur eine kleine
leicht zu erkennende Furche, die man wohl mit der der Pandora (einer kleinen Muſchel) ver-
wechſeln kann. Dieſe indeſſen geht immer einen krummen Weg, da die eine Schalenhälfte eben,
die andre gebogen iſt. Sobald man dieß Zeichen kennt, irrt man nicht mehr. Anfangs alſo
verrathen die Dentalien ihre Anweſenheit durch ihre Furche im Sande; ſpäter erſcheint die leicht
kenntliche Schale wie im Strandboden gepflanzt; noch ſpäter kommt ſie ganz heraus und das
Thier fällt auf den Sand. Als ich dieſe Umſtände kennen gelernt, konnte ich bei einer einzigen
großen Ebbe leicht und ohne Mühe 200 Stück ſammeln. Dentalium iſt alſo ein Thier, das ver-
hältnißmäßig in ziemlichen Tiefen lebt, und das man nur bei ſtarker Ebbe anzutreffen hoffen darf.
Am liebſten gräbt es ſich in etwas grobem Sande ein. Jn dem ſehr feinen war es nie zu finden.
Die lange lebend aufbewahrten Thiere ſchienen ſich in dem aus kleinen Muſchelbruchſtücken gebildeten
Sande ſehr wohl zu befinden. Jn dem feinen Sande, welcher unten ſchlammig und faul wurde,
gingen die Thiere ſehr ſchnell zu Grunde. Die angeführten Thatſachen zeigen genugſam, daß
das Dentalium nicht eine Röhre bewohnt, wie viele Muſcheln, ſondern, daß es im Gegentheil
fortwährend ſeinen Aufenthaltsort wechſelt. Beim Eindringen in den Sand bedient es ſich der
beiden Seitenlappen des Fußes, welche dabei die Rolle von Ankerzähnen ſpielen, ſo, daß wenn
das Thier nach dem Vorſtrecken des Fußes ſich zuſammenzieht, der ganze Körper vorwärts
rücken muß.“

Nachdem Lacaze-Duthiers die Beobachtungen mitgetheilt, aus denen erſichtlich, daß das
Waſſer durch die Flimmerbewegung am Vorderende eintritt und aus der hinteren Mündung
ſammt Erkrementen und Fortpflanzungsprodukten wieder austritt, und daß das Thier ſich dabei
auch des Fußes wie eines Pumpſtempels bedienen kann, ſagt er, daß es ihm wahrſcheinlich ſei,
daß durch die regelmäßige von vorn nach hinten gerichtete Strömung auch die Nahrung dem
Munde zugeführt werde; aber auch die Fühlfäden könnten zur Aufſuchung und Zubringung kleiner
zur Nahrung dienender Thierchen verwendet werden.

„Ueber das Empfindungs- und Nervenleben läßt ſich folgendes leicht beobachten. Das Den-
talium verſpürt die Einwirkung des Lichtes; man ſieht es den Fuß einziehen, wenn man einen
Sonnenſtrahl darauf fallen läßt. Auch wenn man ſich dem Thiere mit einem Lichte nähert, zieht
es ſich in ſein Gehäus zurück; und dieſer Umſtand ſteht mit einer Eigenthümlichkeit ſeiner Lebens-
weiſe in Verbindung. Es verändert bei Nacht, beſonders bei Beginn derſelben ſeinen Platz. Jch
hatte bemerkt, daß die in Schüſſeln befindlichen Thiere ein kleines Anſchlagen vernehmen ließen.
Jndem ich nun aufpaßte, erkannte ich, daß ihr Fuß, indem er eindringen wollte in den Boden,
die Schale in die Höhe hob, und daß dieſe beim Umfallen das Geräuſch verurſachte. Jch beobachtete
nun die Thiere lange Zeit, indem ich ihnen einen faſt natürlichen Aufenthalt geſchaffen hatte und
erkannte bald, daß die Abendſtunde die Zeit des Ortswechſels war. Jch will nicht behaupten,
daß ſie ſich ausſchließlich zu dieſem Zeitpunkt bewegen und daß ſie bei Tage in Unbeweglichkeit
verharren; aber es ſcheint mir unbeſtreitbar, daß die Dentalien beſonders bei Nacht in Thätig-
keit ſind.“

„Auch die Fortpflanzung zeigt einige bemerkenswerthe Thatſachen. Eine Begattung findet
nicht ſtatt und zwar nothwendiger Weiſe deßhalb, weil es keine äußeren Fortpflanzungswerk-

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[889/0937] Lebensweiſe von Dentalium. Waſſer auch ab, und beim niedrigſten Stande, wenn die Fluth eben beginnen ſoll, fängt der Strand an auszutrocknen, die Thiere fühlen das Bedürfniß nach Waſſer, verändern ihren Ort und ſuchen einen feuchteren Platz. Zu dieſem Zeitpunkt iſt das Einſammeln von allen im Sande eingegrabenen Thieren am ergiebigſten; ſie mögen zu was immer für einer Klaſſe gehören, alle verrathen ihre Anweſenheit durch Furchen und Bewegungen des Bodens. Eine große Anzahl ſandbewohnender Muſcheln kann man dann mit der größten Leichtigkeit erkennen. Jch fand die ſchönſten und größten Sipunkeln, wie ſie eben aus dem Boden hervorkamen, und das in dem Moment, wo die Fluth mich vertrieb und die Unterſuchungen aufzugeben zwang. Nicht anders Dentalium; auch dieſes ſieht man den Sand aufwühlen. Anfänglich macht es nur eine kleine leicht zu erkennende Furche, die man wohl mit der der Pandora (einer kleinen Muſchel) ver- wechſeln kann. Dieſe indeſſen geht immer einen krummen Weg, da die eine Schalenhälfte eben, die andre gebogen iſt. Sobald man dieß Zeichen kennt, irrt man nicht mehr. Anfangs alſo verrathen die Dentalien ihre Anweſenheit durch ihre Furche im Sande; ſpäter erſcheint die leicht kenntliche Schale wie im Strandboden gepflanzt; noch ſpäter kommt ſie ganz heraus und das Thier fällt auf den Sand. Als ich dieſe Umſtände kennen gelernt, konnte ich bei einer einzigen großen Ebbe leicht und ohne Mühe 200 Stück ſammeln. Dentalium iſt alſo ein Thier, das ver- hältnißmäßig in ziemlichen Tiefen lebt, und das man nur bei ſtarker Ebbe anzutreffen hoffen darf. Am liebſten gräbt es ſich in etwas grobem Sande ein. Jn dem ſehr feinen war es nie zu finden. Die lange lebend aufbewahrten Thiere ſchienen ſich in dem aus kleinen Muſchelbruchſtücken gebildeten Sande ſehr wohl zu befinden. Jn dem feinen Sande, welcher unten ſchlammig und faul wurde, gingen die Thiere ſehr ſchnell zu Grunde. Die angeführten Thatſachen zeigen genugſam, daß das Dentalium nicht eine Röhre bewohnt, wie viele Muſcheln, ſondern, daß es im Gegentheil fortwährend ſeinen Aufenthaltsort wechſelt. Beim Eindringen in den Sand bedient es ſich der beiden Seitenlappen des Fußes, welche dabei die Rolle von Ankerzähnen ſpielen, ſo, daß wenn das Thier nach dem Vorſtrecken des Fußes ſich zuſammenzieht, der ganze Körper vorwärts rücken muß.“ Nachdem Lacaze-Duthiers die Beobachtungen mitgetheilt, aus denen erſichtlich, daß das Waſſer durch die Flimmerbewegung am Vorderende eintritt und aus der hinteren Mündung ſammt Erkrementen und Fortpflanzungsprodukten wieder austritt, und daß das Thier ſich dabei auch des Fußes wie eines Pumpſtempels bedienen kann, ſagt er, daß es ihm wahrſcheinlich ſei, daß durch die regelmäßige von vorn nach hinten gerichtete Strömung auch die Nahrung dem Munde zugeführt werde; aber auch die Fühlfäden könnten zur Aufſuchung und Zubringung kleiner zur Nahrung dienender Thierchen verwendet werden. „Ueber das Empfindungs- und Nervenleben läßt ſich folgendes leicht beobachten. Das Den- talium verſpürt die Einwirkung des Lichtes; man ſieht es den Fuß einziehen, wenn man einen Sonnenſtrahl darauf fallen läßt. Auch wenn man ſich dem Thiere mit einem Lichte nähert, zieht es ſich in ſein Gehäus zurück; und dieſer Umſtand ſteht mit einer Eigenthümlichkeit ſeiner Lebens- weiſe in Verbindung. Es verändert bei Nacht, beſonders bei Beginn derſelben ſeinen Platz. Jch hatte bemerkt, daß die in Schüſſeln befindlichen Thiere ein kleines Anſchlagen vernehmen ließen. Jndem ich nun aufpaßte, erkannte ich, daß ihr Fuß, indem er eindringen wollte in den Boden, die Schale in die Höhe hob, und daß dieſe beim Umfallen das Geräuſch verurſachte. Jch beobachtete nun die Thiere lange Zeit, indem ich ihnen einen faſt natürlichen Aufenthalt geſchaffen hatte und erkannte bald, daß die Abendſtunde die Zeit des Ortswechſels war. Jch will nicht behaupten, daß ſie ſich ausſchließlich zu dieſem Zeitpunkt bewegen und daß ſie bei Tage in Unbeweglichkeit verharren; aber es ſcheint mir unbeſtreitbar, daß die Dentalien beſonders bei Nacht in Thätig- keit ſind.“ „Auch die Fortpflanzung zeigt einige bemerkenswerthe Thatſachen. Eine Begattung findet nicht ſtatt und zwar nothwendiger Weiſe deßhalb, weil es keine äußeren Fortpflanzungswerk-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 889. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/937>, abgerufen am 23.11.2024.