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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Schnecken. Elephantenzähne.
Vorwurf einer seiner vollendeten anatomischen und biologischen Schilderungen machte und nachwies,
daß theils Schnecken- theils Muschelcharaktere in dieser kleinen Thiergruppe vereinigt seien, daß die
Entwicklungsgeschichte einige Eigenthümlichkeiten der Ringelwürmer zeigte, und daß man hinsichtlich
der systematischen Gruppirung vielleicht am besten thäte, die Dentalien an die Spitze der
sogenannten kopflosen Weichthiere zu stellen. Er gab zugleich eine erschöpfende Beschreibung des
an der französischen Küste lebenden Dentalium vulgare, so daß, was wir heute Sicheres über
das Thier wissen, auf den pariser Zoologen zurückzuführen ist. Wenn wir gleichwohl die Deu-
talien hier anreihen, so geschieht es, weil zu keiner Zeit der Entwicklung und des späteren Lebens
das Thier eine zweiklappige Schale besitzt, und weil seine mit einer Reibeplatte versehene Zunge
eines der wichtigsten Kennzeichen des Schneckentypus ist. Ohne in das Detail uns zu verlieren,
müssen wir doch Einiges von den Gestaltungen der Körpertheile und ihrem Bau kennen lernen,
um sowohl die höchst wunderbare Entwicklungsgeschichte als die, viele anziehende Eigenthümlich-
keiten zeigende Lebensweise verstehen zu können.

Die Schale der Dentalien hat die Form eines mäßig gebogenen Elephanten-Stoßzahnes
und ist an beiden Enden offen. Das Thier füllt bei gewöhnlicher Streckung diesen Hohlkegel
aus, mit welchem es nur mit einer schmalen muskulösen ringförmigen Stelle des Mantels
unmittelbar vor der hinteren Oeffnung verwachsen ist. Der konvere Bogen ist die Bauchseite.
Wir orientiren uns nun an der beistehenden Abbildung über die Gestalt und gegenseitige Lage der

[Abbildung] Thier von Dentalium.
iVon der Seite im Durchschnitte.
Körpertheile. Der Mantel ist ein der Höhlung der Schale ent-
sprechender langer Beutel, dessen kreisrunde vordere Oeffnung durch
einen Schließmuskel zugezogen werden kann. Mit ihm ist der übrige
Körper des Thieres nur in den hinteren zwei Dritteln der Länge
verwachsen. Der vordere Theil des Rumpfes ist durch eine von den
Blutgefäßen und dem Darme durchbrochene Scheidewand und Ein-
schnürung von dem dahinter liegenden Theile getrennt und so ist eine
vordere (a) und eine hintere Mantelhöhle (a') entstanden. Oben in
der ersten Abtheilung liegt der Mundfortsatz (b), umgeben von
blätterförmigen Anhängen. Nicht unmittelbar in diesem, die Mund-
öffnung enthaltenden Theile sondern erst in der darauf folgenden
Auschwellung ist die Zunge mit ihrer Reibeplatte enthalten. Die
Chitinzähnchen stehen in fünf Längsreihen und das Ganze stimmt
völlig mit den gleichnamigen, so wichtigen Gebilden der Schnecken
überein.

Das Vorhandensein dieses Organes ist für unsere Vorstellung
von der Verwandtschaft der Dentalien entscheidend, indem wir Mantel,
Fuß, Kiemen, Gefäße der Schnecken in den verschiedensten Formen
auftreten und nur die Region der Zunge und der Zerkleinerungswerkzeuge innerhalb eines
begrenzten Spielraumes sich gleich bleiben sehen. Wenn wir uns daher auch Schnecken und
Muscheln, letztere als Vorfahren, in unmittelbarem blutsverwandtschaftlichen Zusammenhange zu
denken haben, so sind gewiß viel mehr uns unbekannt gebliebene Glieder zwischen den Muscheln
und Dentalium als zwischen diesem und den ächten Schnecken ausgefallen. Einen anderen Sinn
hat die Frage nach der größeren oder geringeren Verwandtschaft nicht, und es ist dem zoologischen
Laien sehr anzurathen, immer nach diesem so interessanten Maßstabe und Prüfstein die systematischen
Verhältnisse und Aufgaben zu beurtheilen.

Unterhalb jenes Anfangstheiles des Verdauungskanals liegt der Fuß (d). Er ist vorn durch
ein Paar hakenförmige seitliche Fortsätze dreitheilig und der ganzen Länge nach hohl. Durch das
Anschwellen mit Blut kann er verlängert und zur vorderen Mantelöffnung herausgestreckt werden,

Schnecken. Elephantenzähne.
Vorwurf einer ſeiner vollendeten anatomiſchen und biologiſchen Schilderungen machte und nachwies,
daß theils Schnecken- theils Muſchelcharaktere in dieſer kleinen Thiergruppe vereinigt ſeien, daß die
Entwicklungsgeſchichte einige Eigenthümlichkeiten der Ringelwürmer zeigte, und daß man hinſichtlich
der ſyſtematiſchen Gruppirung vielleicht am beſten thäte, die Dentalien an die Spitze der
ſogenannten kopfloſen Weichthiere zu ſtellen. Er gab zugleich eine erſchöpfende Beſchreibung des
an der franzöſiſchen Küſte lebenden Dentalium vulgare, ſo daß, was wir heute Sicheres über
das Thier wiſſen, auf den pariſer Zoologen zurückzuführen iſt. Wenn wir gleichwohl die Deu-
talien hier anreihen, ſo geſchieht es, weil zu keiner Zeit der Entwicklung und des ſpäteren Lebens
das Thier eine zweiklappige Schale beſitzt, und weil ſeine mit einer Reibeplatte verſehene Zunge
eines der wichtigſten Kennzeichen des Schneckentypus iſt. Ohne in das Detail uns zu verlieren,
müſſen wir doch Einiges von den Geſtaltungen der Körpertheile und ihrem Bau kennen lernen,
um ſowohl die höchſt wunderbare Entwicklungsgeſchichte als die, viele anziehende Eigenthümlich-
keiten zeigende Lebensweiſe verſtehen zu können.

Die Schale der Dentalien hat die Form eines mäßig gebogenen Elephanten-Stoßzahnes
und iſt an beiden Enden offen. Das Thier füllt bei gewöhnlicher Streckung dieſen Hohlkegel
aus, mit welchem es nur mit einer ſchmalen muskulöſen ringförmigen Stelle des Mantels
unmittelbar vor der hinteren Oeffnung verwachſen iſt. Der konvere Bogen iſt die Bauchſeite.
Wir orientiren uns nun an der beiſtehenden Abbildung über die Geſtalt und gegenſeitige Lage der

[Abbildung] Thier von Dentalium.
iVon der Seite im Durchſchnitte.
Körpertheile. Der Mantel iſt ein der Höhlung der Schale ent-
ſprechender langer Beutel, deſſen kreisrunde vordere Oeffnung durch
einen Schließmuskel zugezogen werden kann. Mit ihm iſt der übrige
Körper des Thieres nur in den hinteren zwei Dritteln der Länge
verwachſen. Der vordere Theil des Rumpfes iſt durch eine von den
Blutgefäßen und dem Darme durchbrochene Scheidewand und Ein-
ſchnürung von dem dahinter liegenden Theile getrennt und ſo iſt eine
vordere (a) und eine hintere Mantelhöhle (a′) entſtanden. Oben in
der erſten Abtheilung liegt der Mundfortſatz (b), umgeben von
blätterförmigen Anhängen. Nicht unmittelbar in dieſem, die Mund-
öffnung enthaltenden Theile ſondern erſt in der darauf folgenden
Auſchwellung iſt die Zunge mit ihrer Reibeplatte enthalten. Die
Chitinzähnchen ſtehen in fünf Längsreihen und das Ganze ſtimmt
völlig mit den gleichnamigen, ſo wichtigen Gebilden der Schnecken
überein.

Das Vorhandenſein dieſes Organes iſt für unſere Vorſtellung
von der Verwandtſchaft der Dentalien entſcheidend, indem wir Mantel,
Fuß, Kiemen, Gefäße der Schnecken in den verſchiedenſten Formen
auftreten und nur die Region der Zunge und der Zerkleinerungswerkzeuge innerhalb eines
begrenzten Spielraumes ſich gleich bleiben ſehen. Wenn wir uns daher auch Schnecken und
Muſcheln, letztere als Vorfahren, in unmittelbarem blutsverwandtſchaftlichen Zuſammenhange zu
denken haben, ſo ſind gewiß viel mehr uns unbekannt gebliebene Glieder zwiſchen den Muſcheln
und Dentalium als zwiſchen dieſem und den ächten Schnecken ausgefallen. Einen anderen Sinn
hat die Frage nach der größeren oder geringeren Verwandtſchaft nicht, und es iſt dem zoologiſchen
Laien ſehr anzurathen, immer nach dieſem ſo intereſſanten Maßſtabe und Prüfſtein die ſyſtematiſchen
Verhältniſſe und Aufgaben zu beurtheilen.

Unterhalb jenes Anfangstheiles des Verdauungskanals liegt der Fuß (d). Er iſt vorn durch
ein Paar hakenförmige ſeitliche Fortſätze dreitheilig und der ganzen Länge nach hohl. Durch das
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[886/0934] Schnecken. Elephantenzähne. Vorwurf einer ſeiner vollendeten anatomiſchen und biologiſchen Schilderungen machte und nachwies, daß theils Schnecken- theils Muſchelcharaktere in dieſer kleinen Thiergruppe vereinigt ſeien, daß die Entwicklungsgeſchichte einige Eigenthümlichkeiten der Ringelwürmer zeigte, und daß man hinſichtlich der ſyſtematiſchen Gruppirung vielleicht am beſten thäte, die Dentalien an die Spitze der ſogenannten kopfloſen Weichthiere zu ſtellen. Er gab zugleich eine erſchöpfende Beſchreibung des an der franzöſiſchen Küſte lebenden Dentalium vulgare, ſo daß, was wir heute Sicheres über das Thier wiſſen, auf den pariſer Zoologen zurückzuführen iſt. Wenn wir gleichwohl die Deu- talien hier anreihen, ſo geſchieht es, weil zu keiner Zeit der Entwicklung und des ſpäteren Lebens das Thier eine zweiklappige Schale beſitzt, und weil ſeine mit einer Reibeplatte verſehene Zunge eines der wichtigſten Kennzeichen des Schneckentypus iſt. Ohne in das Detail uns zu verlieren, müſſen wir doch Einiges von den Geſtaltungen der Körpertheile und ihrem Bau kennen lernen, um ſowohl die höchſt wunderbare Entwicklungsgeſchichte als die, viele anziehende Eigenthümlich- keiten zeigende Lebensweiſe verſtehen zu können. Die Schale der Dentalien hat die Form eines mäßig gebogenen Elephanten-Stoßzahnes und iſt an beiden Enden offen. Das Thier füllt bei gewöhnlicher Streckung dieſen Hohlkegel aus, mit welchem es nur mit einer ſchmalen muskulöſen ringförmigen Stelle des Mantels unmittelbar vor der hinteren Oeffnung verwachſen iſt. Der konvere Bogen iſt die Bauchſeite. Wir orientiren uns nun an der beiſtehenden Abbildung über die Geſtalt und gegenſeitige Lage der [Abbildung Thier von Dentalium. iVon der Seite im Durchſchnitte.] Körpertheile. Der Mantel iſt ein der Höhlung der Schale ent- ſprechender langer Beutel, deſſen kreisrunde vordere Oeffnung durch einen Schließmuskel zugezogen werden kann. Mit ihm iſt der übrige Körper des Thieres nur in den hinteren zwei Dritteln der Länge verwachſen. Der vordere Theil des Rumpfes iſt durch eine von den Blutgefäßen und dem Darme durchbrochene Scheidewand und Ein- ſchnürung von dem dahinter liegenden Theile getrennt und ſo iſt eine vordere (a) und eine hintere Mantelhöhle (a′) entſtanden. Oben in der erſten Abtheilung liegt der Mundfortſatz (b), umgeben von blätterförmigen Anhängen. Nicht unmittelbar in dieſem, die Mund- öffnung enthaltenden Theile ſondern erſt in der darauf folgenden Auſchwellung iſt die Zunge mit ihrer Reibeplatte enthalten. Die Chitinzähnchen ſtehen in fünf Längsreihen und das Ganze ſtimmt völlig mit den gleichnamigen, ſo wichtigen Gebilden der Schnecken überein. Das Vorhandenſein dieſes Organes iſt für unſere Vorſtellung von der Verwandtſchaft der Dentalien entſcheidend, indem wir Mantel, Fuß, Kiemen, Gefäße der Schnecken in den verſchiedenſten Formen auftreten und nur die Region der Zunge und der Zerkleinerungswerkzeuge innerhalb eines begrenzten Spielraumes ſich gleich bleiben ſehen. Wenn wir uns daher auch Schnecken und Muſcheln, letztere als Vorfahren, in unmittelbarem blutsverwandtſchaftlichen Zuſammenhange zu denken haben, ſo ſind gewiß viel mehr uns unbekannt gebliebene Glieder zwiſchen den Muſcheln und Dentalium als zwiſchen dieſem und den ächten Schnecken ausgefallen. Einen anderen Sinn hat die Frage nach der größeren oder geringeren Verwandtſchaft nicht, und es iſt dem zoologiſchen Laien ſehr anzurathen, immer nach dieſem ſo intereſſanten Maßſtabe und Prüfſtein die ſyſtematiſchen Verhältniſſe und Aufgaben zu beurtheilen. Unterhalb jenes Anfangstheiles des Verdauungskanals liegt der Fuß (d). Er iſt vorn durch ein Paar hakenförmige ſeitliche Fortſätze dreitheilig und der ganzen Länge nach hohl. Durch das Anſchwellen mit Blut kann er verlängert und zur vorderen Mantelöffnung herausgeſtreckt werden,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 886. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/934>, abgerufen am 23.11.2024.