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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Allgemeines über die Ruderschnecken. Elephantenzahn.
mit Rang glauben, sie erschienen mit Sonnenuntergang, um in den oberflächlichen Schichten ihre
Nahrung zu suchen, oder auch wegen des Athmungsbedürfnisses. Aber es ist nicht einzusehen,
warum sie in der einen Stunde der Nacht ihre Nahrung leichter finden sollten, als in der andern,
oder warum sie, da sie den größten Theil des Tages tief im Wasser athmen, nöthig haben
sollten, des Abends weiter oben Luft zu schöpfen. Viel natürlicher ist die Aufstellung, die Ptero-
poden steigen nach und nach aus der Tiefe nach oben, um so lange als möglich in demjenigen
Licht zu sein, welches bei Tag in der Zone ihres Aufenthaltes herrscht. Die Einwendung, die
man gegen diese Ansicht noch machen könnte, daß doch unmöglich, bei so geringer Ausbildung
oder sogar dem gänzlichen Mangel der Gesichtswerkzeuge, gerade die Empfindlichkeit gegen das
Licht jene Gewohnheiten der nächtlichen Lebensweise verursachen könnte, ist hinfällig, da, wie wir
an zahlreichen Beispielen der niederen Thierwelt und der Pflanzenwelt auf das deutlichste sehen,
die Lichtempfindlichkeit durchaus nicht von dem Vorhandensein und der Vollkommenheit der Gesichts-
werkzeuge abhängt. Der Maulwurf flieht das Licht nicht, weil er gute und vollkommene Augen
besitzt, sondern Lichtschen und Verkümmerung der Augen gehen Hand in Hand, gerade so, wie
im übertragenen Sinne die Lichtscheuen an ihrem Verstande Schaden nehmen.

Hinsichtlich der Entfernung von den Küsten fand der französische Naturforscher, daß auf der
Seite von Chili und Pern die Pteropoden der Küste nie näher kamen als etwa 10 Meilen. Auf
der atlantischen Seite hielten sie sich in noch größerer Entfernung. Wir haben schon erwähnt,
daß die Pteropoden der gemäßigten, und fügen wir hinzu, der nördlichen Meere, nicht so skrupu-
lös gegen Licht sind als gegen Land.

Die Pteropoden können sich nur durch ununterbrochene Bewegung ihrer Flossen, ähnlich den
Flügelschlägen der Schmetterlinge, vorwärts bringen oder auf einer und derselben Stelle erhalten.
Die Flossen arbeiten unausgesetzt mit großer Leichtigkeit und Geschicklichkeit, und je nach ihrer
Stellung schreitet das Thier geradeaus fort, steigt oder sinkt, wobei der Körper immer aufrecht
oder leicht geneigt bleibt. Mitunter dreht er sich auch um sich selbst, oder kann anscheinend ohne
Bewegung seine Stelle behaupten. Letzteres vermögen jedoch nur sehr wenige Arten und die
allgemeinste Bewegung ist schmetterlingsartig. Wenn sie während ihrer Bewegung durch die
Erscheinung eines fremden Körpers oder durch einen Stoß an das Gefäß, in dem man sie auf-
bewahrt, bennruhigt werden, so schlagen sich die Flügel über einander oder werden, wie bei
Hyalea eingezogen und das Thier läßt sich zu Boden sinken. Die Hyaleen schwimmen schneller
als die Cleoderen; sehr langsam die Pneumodermen und Clionen.

Die Pteropoden sind, wie aus der Untersuchung ihres Mageninhaltes hervorgeht, Fleisch-
fresser; außer verschiedenen Weichthieren stellen sie den in unzählbaren Mengen die oberen Meeres-
schichten bevölkernden Krebschen nach.



Ehe wir auf die zweischaligen Muschelthiere übergehen, haben wir uns noch mit einer jener
Thierformen bekannt zu machen, mit welchen
die Systematiker Fangball gespielt haben. Die
Elephantenzähnchen oder Meerzähne
waren schon den alten Conchyliensammlern von
Rumph's Zeiten wohl bekannt, Linne aber
brachte sie mit den Schiffsbohrern und den, Kalk-
röhren bewohnenden, Serpeln zusammen und noch
Cuvier ließ sie bei den Ringelwürmern. Später,
als man wenigstens ihre Molluskennatur sicher

[Abbildung] Gemeiner Elephantenzahn (Dentalium vulgare).
Natürliche Größe.
erkannt, hatten sie sich mit den Napsschnecken und Fissurellen zu befreunden, bis vor einem Jahr-
zehnt der ausgezeichnetste jetzt lebende Molluskenanatom, Lacaze-Duthiers, den Meerzahn zum

Allgemeines über die Ruderſchnecken. Elephantenzahn.
mit Rang glauben, ſie erſchienen mit Sonnenuntergang, um in den oberflächlichen Schichten ihre
Nahrung zu ſuchen, oder auch wegen des Athmungsbedürfniſſes. Aber es iſt nicht einzuſehen,
warum ſie in der einen Stunde der Nacht ihre Nahrung leichter finden ſollten, als in der andern,
oder warum ſie, da ſie den größten Theil des Tages tief im Waſſer athmen, nöthig haben
ſollten, des Abends weiter oben Luft zu ſchöpfen. Viel natürlicher iſt die Aufſtellung, die Ptero-
poden ſteigen nach und nach aus der Tiefe nach oben, um ſo lange als möglich in demjenigen
Licht zu ſein, welches bei Tag in der Zone ihres Aufenthaltes herrſcht. Die Einwendung, die
man gegen dieſe Anſicht noch machen könnte, daß doch unmöglich, bei ſo geringer Ausbildung
oder ſogar dem gänzlichen Mangel der Geſichtswerkzeuge, gerade die Empfindlichkeit gegen das
Licht jene Gewohnheiten der nächtlichen Lebensweiſe verurſachen könnte, iſt hinfällig, da, wie wir
an zahlreichen Beiſpielen der niederen Thierwelt und der Pflanzenwelt auf das deutlichſte ſehen,
die Lichtempfindlichkeit durchaus nicht von dem Vorhandenſein und der Vollkommenheit der Geſichts-
werkzeuge abhängt. Der Maulwurf flieht das Licht nicht, weil er gute und vollkommene Augen
beſitzt, ſondern Lichtſchen und Verkümmerung der Augen gehen Hand in Hand, gerade ſo, wie
im übertragenen Sinne die Lichtſcheuen an ihrem Verſtande Schaden nehmen.

Hinſichtlich der Entfernung von den Küſten fand der franzöſiſche Naturforſcher, daß auf der
Seite von Chili und Pern die Pteropoden der Küſte nie näher kamen als etwa 10 Meilen. Auf
der atlantiſchen Seite hielten ſie ſich in noch größerer Entfernung. Wir haben ſchon erwähnt,
daß die Pteropoden der gemäßigten, und fügen wir hinzu, der nördlichen Meere, nicht ſo ſkrupu-
lös gegen Licht ſind als gegen Land.

Die Pteropoden können ſich nur durch ununterbrochene Bewegung ihrer Floſſen, ähnlich den
Flügelſchlägen der Schmetterlinge, vorwärts bringen oder auf einer und derſelben Stelle erhalten.
Die Floſſen arbeiten unausgeſetzt mit großer Leichtigkeit und Geſchicklichkeit, und je nach ihrer
Stellung ſchreitet das Thier geradeaus fort, ſteigt oder ſinkt, wobei der Körper immer aufrecht
oder leicht geneigt bleibt. Mitunter dreht er ſich auch um ſich ſelbſt, oder kann anſcheinend ohne
Bewegung ſeine Stelle behaupten. Letzteres vermögen jedoch nur ſehr wenige Arten und die
allgemeinſte Bewegung iſt ſchmetterlingsartig. Wenn ſie während ihrer Bewegung durch die
Erſcheinung eines fremden Körpers oder durch einen Stoß an das Gefäß, in dem man ſie auf-
bewahrt, bennruhigt werden, ſo ſchlagen ſich die Flügel über einander oder werden, wie bei
Hyalea eingezogen und das Thier läßt ſich zu Boden ſinken. Die Hyaleen ſchwimmen ſchneller
als die Cleoderen; ſehr langſam die Pneumodermen und Clionen.

Die Pteropoden ſind, wie aus der Unterſuchung ihres Mageninhaltes hervorgeht, Fleiſch-
freſſer; außer verſchiedenen Weichthieren ſtellen ſie den in unzählbaren Mengen die oberen Meeres-
ſchichten bevölkernden Krebschen nach.



Ehe wir auf die zweiſchaligen Muſchelthiere übergehen, haben wir uns noch mit einer jener
Thierformen bekannt zu machen, mit welchen
die Syſtematiker Fangball geſpielt haben. Die
Elephantenzähnchen oder Meerzähne
waren ſchon den alten Conchylienſammlern von
Rumph’s Zeiten wohl bekannt, Linné aber
brachte ſie mit den Schiffsbohrern und den, Kalk-
röhren bewohnenden, Serpeln zuſammen und noch
Cuvier ließ ſie bei den Ringelwürmern. Später,
als man wenigſtens ihre Molluskennatur ſicher

[Abbildung] Gemeiner Elephantenzahn (Dentalium vulgare).
Natürliche Größe.
erkannt, hatten ſie ſich mit den Napſſchnecken und Fiſſurellen zu befreunden, bis vor einem Jahr-
zehnt der ausgezeichnetſte jetzt lebende Molluskenanatom, Lacaze-Duthiers, den Meerzahn zum

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[885/0933] Allgemeines über die Ruderſchnecken. Elephantenzahn. mit Rang glauben, ſie erſchienen mit Sonnenuntergang, um in den oberflächlichen Schichten ihre Nahrung zu ſuchen, oder auch wegen des Athmungsbedürfniſſes. Aber es iſt nicht einzuſehen, warum ſie in der einen Stunde der Nacht ihre Nahrung leichter finden ſollten, als in der andern, oder warum ſie, da ſie den größten Theil des Tages tief im Waſſer athmen, nöthig haben ſollten, des Abends weiter oben Luft zu ſchöpfen. Viel natürlicher iſt die Aufſtellung, die Ptero- poden ſteigen nach und nach aus der Tiefe nach oben, um ſo lange als möglich in demjenigen Licht zu ſein, welches bei Tag in der Zone ihres Aufenthaltes herrſcht. Die Einwendung, die man gegen dieſe Anſicht noch machen könnte, daß doch unmöglich, bei ſo geringer Ausbildung oder ſogar dem gänzlichen Mangel der Geſichtswerkzeuge, gerade die Empfindlichkeit gegen das Licht jene Gewohnheiten der nächtlichen Lebensweiſe verurſachen könnte, iſt hinfällig, da, wie wir an zahlreichen Beiſpielen der niederen Thierwelt und der Pflanzenwelt auf das deutlichſte ſehen, die Lichtempfindlichkeit durchaus nicht von dem Vorhandenſein und der Vollkommenheit der Geſichts- werkzeuge abhängt. Der Maulwurf flieht das Licht nicht, weil er gute und vollkommene Augen beſitzt, ſondern Lichtſchen und Verkümmerung der Augen gehen Hand in Hand, gerade ſo, wie im übertragenen Sinne die Lichtſcheuen an ihrem Verſtande Schaden nehmen. Hinſichtlich der Entfernung von den Küſten fand der franzöſiſche Naturforſcher, daß auf der Seite von Chili und Pern die Pteropoden der Küſte nie näher kamen als etwa 10 Meilen. Auf der atlantiſchen Seite hielten ſie ſich in noch größerer Entfernung. Wir haben ſchon erwähnt, daß die Pteropoden der gemäßigten, und fügen wir hinzu, der nördlichen Meere, nicht ſo ſkrupu- lös gegen Licht ſind als gegen Land. Die Pteropoden können ſich nur durch ununterbrochene Bewegung ihrer Floſſen, ähnlich den Flügelſchlägen der Schmetterlinge, vorwärts bringen oder auf einer und derſelben Stelle erhalten. Die Floſſen arbeiten unausgeſetzt mit großer Leichtigkeit und Geſchicklichkeit, und je nach ihrer Stellung ſchreitet das Thier geradeaus fort, ſteigt oder ſinkt, wobei der Körper immer aufrecht oder leicht geneigt bleibt. Mitunter dreht er ſich auch um ſich ſelbſt, oder kann anſcheinend ohne Bewegung ſeine Stelle behaupten. Letzteres vermögen jedoch nur ſehr wenige Arten und die allgemeinſte Bewegung iſt ſchmetterlingsartig. Wenn ſie während ihrer Bewegung durch die Erſcheinung eines fremden Körpers oder durch einen Stoß an das Gefäß, in dem man ſie auf- bewahrt, bennruhigt werden, ſo ſchlagen ſich die Flügel über einander oder werden, wie bei Hyalea eingezogen und das Thier läßt ſich zu Boden ſinken. Die Hyaleen ſchwimmen ſchneller als die Cleoderen; ſehr langſam die Pneumodermen und Clionen. Die Pteropoden ſind, wie aus der Unterſuchung ihres Mageninhaltes hervorgeht, Fleiſch- freſſer; außer verſchiedenen Weichthieren ſtellen ſie den in unzählbaren Mengen die oberen Meeres- ſchichten bevölkernden Krebschen nach. Ehe wir auf die zweiſchaligen Muſchelthiere übergehen, haben wir uns noch mit einer jener Thierformen bekannt zu machen, mit welchen die Syſtematiker Fangball geſpielt haben. Die Elephantenzähnchen oder Meerzähne waren ſchon den alten Conchylienſammlern von Rumph’s Zeiten wohl bekannt, Linné aber brachte ſie mit den Schiffsbohrern und den, Kalk- röhren bewohnenden, Serpeln zuſammen und noch Cuvier ließ ſie bei den Ringelwürmern. Später, als man wenigſtens ihre Molluskennatur ſicher [Abbildung Gemeiner Elephantenzahn (Dentalium vulgare). Natürliche Größe.] erkannt, hatten ſie ſich mit den Napſſchnecken und Fiſſurellen zu befreunden, bis vor einem Jahr- zehnt der ausgezeichnetſte jetzt lebende Molluskenanatom, Lacaze-Duthiers, den Meerzahn zum

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 885. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/933>, abgerufen am 23.11.2024.