welche, wie sie, keine Augen besitzen, mit einem Vermögen der Lichtempfindung ausgestattet. Dieß will, wie wir schon einmal zu bemerken Gelegenheit hatten, weiter nichts sagen, als daß gewisse Hautnerven vom Licht in anderer Weise als vom Dunkel afficirt werden.
Jn den Zaubergeschichten der römischen Kaiserzeit kommt wiederholt der Seehase vor (Lepus marinus). Apulejus hatte eine reiche Wittwe geheirathet, und der Verdacht und Beweis, daß hierbei Zauberei im Spiele, fiel deßhalb auf ihn, weil er einen Fischer bezahlt hatte, damit er ihm jene Thiere verschaffe. So viele Tage, als der aus dem Meere genommene Seehase noch lebte, quälte sich das Opfer, dem die Ausscheidung des Thieres beigebracht war. Noch heute nennen die Fischer dieses übel beleumundete Thier den Seehasen, an einigen Küstenstrecken Englands auch Seekuh. Der Kopf dieser äußerlich ganz nackten Schnecke rechtfertigt diese Benennung. Er trägt vier Fühler, zwei platte dreieckige, welche fast horinzontal vorgestreckt werden und den Weg und die Nahrung betasten, und zwei aufrechtstehende, welche täuschend einem Paare großer löffelförmiger Hasenohren ähnlich sehen. Vor den letzteren liegen die Augen. Auf der Mitte des Rückens befindet sich das Mantelschild, in welchem eine schwach gewölbte,
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Seehase (Aplysia depilans).
entweder ganz hornige oder auch kalkige Schale enthalten und welches hinten in eine kurze Röhre sich fortsetzt. Durch diese gelangt das Wasser zu der Kieme. Die äußeren Enden derselben ragen gewöhnlich rechts unter dem Schildrande hervor. Sie aber und der größte Theil des Rückens können durch zwei flügelartige Hautfortsätze bedeckt werden, mit welchen das Thier gewöhnlich, wenn sie aufrecht stehen, undulirende Bewegungen ausführt. Die Angabe, daß die Seehasen mit Hülfe dieser Lappen auch schwimmen könnten, ist wohl unrichtig; dazu sind die Thiere viel zu plump und die Lappen zu wenig ausgedehnt. Wenn man die Seehasen, ohne sie zu stören, über die Steine und Tange hingleiten sieht, so erscheint ihr Körper voll und prall. So wie man aber ein Exemplar anfaßt und in ein Gefäß setzt, so verliert es nicht nur das den Körper schwellende Wasser, sondern zugleich eine dunkelviolette Flüssigkeit, welche sich gleichmäßig im Wasser vertheilt und in solcher Menge aus den Mantelräudern ausgeschieden wird, daß das Thier sich darin den Blicken entzieht. Bei der großen Verbreitung und Beliebtheit, welche seit einigen Jahren sich die Anilinfarben erworben, dürfte es von Jnteresse sein, anzuhören, was ein Chemiker, Ziegler, über die Beziehungen der Ausscheidung der Seehasen zu diesen Farb-
welche, wie ſie, keine Augen beſitzen, mit einem Vermögen der Lichtempfindung ausgeſtattet. Dieß will, wie wir ſchon einmal zu bemerken Gelegenheit hatten, weiter nichts ſagen, als daß gewiſſe Hautnerven vom Licht in anderer Weiſe als vom Dunkel afficirt werden.
Jn den Zaubergeſchichten der römiſchen Kaiſerzeit kommt wiederholt der Seehaſe vor (Lepus marinus). Apulejus hatte eine reiche Wittwe geheirathet, und der Verdacht und Beweis, daß hierbei Zauberei im Spiele, fiel deßhalb auf ihn, weil er einen Fiſcher bezahlt hatte, damit er ihm jene Thiere verſchaffe. So viele Tage, als der aus dem Meere genommene Seehaſe noch lebte, quälte ſich das Opfer, dem die Ausſcheidung des Thieres beigebracht war. Noch heute nennen die Fiſcher dieſes übel beleumundete Thier den Seehaſen, an einigen Küſtenſtrecken Englands auch Seekuh. Der Kopf dieſer äußerlich ganz nackten Schnecke rechtfertigt dieſe Benennung. Er trägt vier Fühler, zwei platte dreieckige, welche faſt horinzontal vorgeſtreckt werden und den Weg und die Nahrung betaſten, und zwei aufrechtſtehende, welche täuſchend einem Paare großer löffelförmiger Haſenohren ähnlich ſehen. Vor den letzteren liegen die Augen. Auf der Mitte des Rückens befindet ſich das Mantelſchild, in welchem eine ſchwach gewölbte,
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Seehaſe (Aplysia depilans).
entweder ganz hornige oder auch kalkige Schale enthalten und welches hinten in eine kurze Röhre ſich fortſetzt. Durch dieſe gelangt das Waſſer zu der Kieme. Die äußeren Enden derſelben ragen gewöhnlich rechts unter dem Schildrande hervor. Sie aber und der größte Theil des Rückens können durch zwei flügelartige Hautfortſätze bedeckt werden, mit welchen das Thier gewöhnlich, wenn ſie aufrecht ſtehen, undulirende Bewegungen ausführt. Die Angabe, daß die Seehaſen mit Hülfe dieſer Lappen auch ſchwimmen könnten, iſt wohl unrichtig; dazu ſind die Thiere viel zu plump und die Lappen zu wenig ausgedehnt. Wenn man die Seehaſen, ohne ſie zu ſtören, über die Steine und Tange hingleiten ſieht, ſo erſcheint ihr Körper voll und prall. So wie man aber ein Exemplar anfaßt und in ein Gefäß ſetzt, ſo verliert es nicht nur das den Körper ſchwellende Waſſer, ſondern zugleich eine dunkelviolette Flüſſigkeit, welche ſich gleichmäßig im Waſſer vertheilt und in ſolcher Menge aus den Mantelräudern ausgeſchieden wird, daß das Thier ſich darin den Blicken entzieht. Bei der großen Verbreitung und Beliebtheit, welche ſeit einigen Jahren ſich die Anilinfarben erworben, dürfte es von Jntereſſe ſein, anzuhören, was ein Chemiker, Ziegler, über die Beziehungen der Ausſcheidung der Seehaſen zu dieſen Farb-
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Kugelſchnecke. Becherſchnecke. Seemandel. Seehaſe.
welche, wie ſie, keine Augen beſitzen, mit einem Vermögen der Lichtempfindung ausgeſtattet.
Dieß will, wie wir ſchon einmal zu bemerken Gelegenheit hatten, weiter nichts ſagen, als daß
gewiſſe Hautnerven vom Licht in anderer Weiſe als vom Dunkel afficirt werden.
Jn den Zaubergeſchichten der römiſchen Kaiſerzeit kommt wiederholt der Seehaſe vor (Lepus
marinus). Apulejus hatte eine reiche Wittwe geheirathet, und der Verdacht und Beweis, daß
hierbei Zauberei im Spiele, fiel deßhalb auf ihn, weil er einen Fiſcher bezahlt hatte, damit er
ihm jene Thiere verſchaffe. So viele Tage, als der aus dem Meere genommene Seehaſe noch
lebte, quälte ſich das Opfer, dem die Ausſcheidung des Thieres beigebracht war. Noch heute
nennen die Fiſcher dieſes übel beleumundete Thier den Seehaſen, an einigen Küſtenſtrecken
Englands auch Seekuh. Der Kopf dieſer äußerlich ganz nackten Schnecke rechtfertigt dieſe
Benennung. Er trägt vier Fühler, zwei platte dreieckige, welche faſt horinzontal vorgeſtreckt
werden und den Weg und die Nahrung betaſten, und zwei aufrechtſtehende, welche täuſchend
einem Paare großer löffelförmiger Haſenohren ähnlich ſehen. Vor den letzteren liegen die Augen.
Auf der Mitte des Rückens befindet ſich das Mantelſchild, in welchem eine ſchwach gewölbte,
[Abbildung Seehaſe (Aplysia depilans).]
entweder ganz hornige oder auch kalkige Schale enthalten und welches hinten in eine kurze Röhre
ſich fortſetzt. Durch dieſe gelangt das Waſſer zu der Kieme. Die äußeren Enden derſelben
ragen gewöhnlich rechts unter dem Schildrande hervor. Sie aber und der größte Theil des
Rückens können durch zwei flügelartige Hautfortſätze bedeckt werden, mit welchen das Thier
gewöhnlich, wenn ſie aufrecht ſtehen, undulirende Bewegungen ausführt. Die Angabe, daß die
Seehaſen mit Hülfe dieſer Lappen auch ſchwimmen könnten, iſt wohl unrichtig; dazu ſind die
Thiere viel zu plump und die Lappen zu wenig ausgedehnt. Wenn man die Seehaſen, ohne ſie
zu ſtören, über die Steine und Tange hingleiten ſieht, ſo erſcheint ihr Körper voll und prall.
So wie man aber ein Exemplar anfaßt und in ein Gefäß ſetzt, ſo verliert es nicht nur das den
Körper ſchwellende Waſſer, ſondern zugleich eine dunkelviolette Flüſſigkeit, welche ſich gleichmäßig
im Waſſer vertheilt und in ſolcher Menge aus den Mantelräudern ausgeſchieden wird, daß das
Thier ſich darin den Blicken entzieht. Bei der großen Verbreitung und Beliebtheit, welche ſeit
einigen Jahren ſich die Anilinfarben erworben, dürfte es von Jntereſſe ſein, anzuhören, was
ein Chemiker, Ziegler, über die Beziehungen der Ausſcheidung der Seehaſen zu dieſen Farb-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 863. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/911>, abgerufen am 23.11.2024.
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