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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Schnecken. Hinterkiemer. Deckkiemer.
Kupfer verschlossen, dessen Boden feine Löcher hat, durch welche nur kleine Körper in die Röhre
eindringen können. Das aufgepumpte Wasser fließt in einen Beutel von feinem Düll, der im
Wasser hängt, damit zarte Thiere nicht durch den Anschlag an das Gewebe verletzt werden. Der
Anwendung dieser Pumpe verdanken wir die Entdeckung lebender Foraminiferen im Kieler Hafen."

"Thiere, die wir längere Zeit lebend erhalten wollen, bringen wir in Glashäfen, verschließen
diese mit Düll und setzen sie in ein Hutfaß. Dieß ist eine kleine Art Fischkasten von Kahnform,
der ein wagerechtes Brett mit Löchern enthält, in welche die Glashäfen hineinpassen. So lange
unser Fahrzeug vor Anker liegt, schwimmt das Hutfaß mit den Gläsern im Wasser daneben.
Es taucht so tief ein, daß die Gläser stets unter dem Wasser sind. Soll gesegelt werden, so
ziehen es zwei Mann in die Höhe und setzen es auf Deck, bis das Fahrzeug wieder vor Anker geht."

"Jn solchen mit Düll oder Leinwand überbundenen Glashäfen bringen wir unsere Thiere in
Körben, deren Raum in Fächer abgetheilt ist, auch lebendig nach Hamburg, um sie zu weiteren
Untersuchungen in Aquarien zu halten *)."



Von der verwandten Gattung Cylichna, mit freier Schale, gehört Cylichna truncata, die
abgestutzte Becherschnecke, den nordischen Meeren und auch der Kieler Bucht an. Wir
erfahren, daß diese kleine Schnecke, welche sich ganz in ihre 21/2 Linien lang werdende Schale
zurückziehen kann, ziemlich lebhaft auf Gras und Pflanzen hinkriecht, sich gern im Bodensatz des
Aquariums vergräbt und an tiefen, schlammigen Stellen der Kieler Bucht nicht selten ist.

Der dritte und letzte, aus dieser Bucht in die Hamburger Aquarien versetzte Deckkiemer ist
Philine aperta, die offene Seemandel, einer Gruppe angehörig, wo die Schale gänzlich vom
Mantel umhüllt wird, die Seitenränder des Fußes ausgedehnt und verdickt sind und der Kopf

[Abbildung] Offene Seemandel
(Philine aperta). Schale von unten.
fühlerlos ist. Die Art der Ostsee, um welche es sich hier handelt und
welche von der norwegischen Küste an bis ins adriatische Meer gefun-
den wurde, kommt kriechend ausgestreckt dort bis 10 Linien lang vor.
Die dünne, schwach eingerollte und weitmündige Schale ist milch-
weiß, etwas durchscheinend und perlmutterglänzend. Diese Eigen-
schaft, in den schönsten rothen und grünen Jnterferenzfarben zu glän-
zen, erhält sie dadurch, daß mit den feinen Anwachsungslinien sich
sehr feine, nur mit scharfen Loupen bemerkbare Linien kreuzen
und daß die Schale außerdem von dichtstehenden feinen nur mit
dem Mikroskope bemerkbaren Poren bedeckt ist. Das Thier ist auf
dunklem Grunde durchscheinend milchweiß oder gelbweiß mit undurchsichtig weißen Punkten. Am
Ende des Juli legten einige kurz zuvor gefangene Seemandeln Eier. Diese sind in frei liegende,
eiförmige, wasserhelle Schleimmassen eingebettet. Jm Kieler Busen bewohnt das Thier tiefe,
modergründige Stellen; in den Aquarien ist es am Tage fast immer im Schlamme verborgen.
Einige größere Exemplare, welche die Beobachter in einem großen Aquarium Monate lang nicht
gesehen hatten und längst für gestorben und zersetzt hielten, kamen unverhofft wieder zum Vorschein.
Seitdem wurden sie in kleinen Gefäßen, deren Bodensatz leicht zu durchsuchen ist, gehalten.
Gewöhnlich sind sie in ihren Schleim und in Schlamm, der an diesem festhängt, eingehüllt. Jn
der Nacht kriechen sie an der Wand des Aquariums in die Höhe, wenden aber um und verbergen
sich wieder unter dem Schlamm, wenn sie beleuchtet werden. Sie sind also, gleich vielen Thieren

*) Die mit dieser Umsicht und Sorgfalt eingefangenen Thiere, voran die Hinterkiemer, wurden nun in
Hamburg in den großen und kleinen Aquarien gehegt, ihre Gewohnheiten wurden belauscht, und sie
wurden in ihren natürlichen Farben meisterhaft abgebildet. Es sind 19 Arten, ein kleiner Bruchtheil
der bekannten Anzahl der Hinterkiemer, aber gerade mit Berücksichtigung aller jener Umstände dargestellt,
welche eine wahre Lebensbeschreibung verlangt.

Schnecken. Hinterkiemer. Deckkiemer.
Kupfer verſchloſſen, deſſen Boden feine Löcher hat, durch welche nur kleine Körper in die Röhre
eindringen können. Das aufgepumpte Waſſer fließt in einen Beutel von feinem Düll, der im
Waſſer hängt, damit zarte Thiere nicht durch den Anſchlag an das Gewebe verletzt werden. Der
Anwendung dieſer Pumpe verdanken wir die Entdeckung lebender Foraminiferen im Kieler Hafen.“

„Thiere, die wir längere Zeit lebend erhalten wollen, bringen wir in Glashäfen, verſchließen
dieſe mit Düll und ſetzen ſie in ein Hutfaß. Dieß iſt eine kleine Art Fiſchkaſten von Kahnform,
der ein wagerechtes Brett mit Löchern enthält, in welche die Glashäfen hineinpaſſen. So lange
unſer Fahrzeug vor Anker liegt, ſchwimmt das Hutfaß mit den Gläſern im Waſſer daneben.
Es taucht ſo tief ein, daß die Gläſer ſtets unter dem Waſſer ſind. Soll geſegelt werden, ſo
ziehen es zwei Mann in die Höhe und ſetzen es auf Deck, bis das Fahrzeug wieder vor Anker geht.“

„Jn ſolchen mit Düll oder Leinwand überbundenen Glashäfen bringen wir unſere Thiere in
Körben, deren Raum in Fächer abgetheilt iſt, auch lebendig nach Hamburg, um ſie zu weiteren
Unterſuchungen in Aquarien zu halten *).“



Von der verwandten Gattung Cylichna, mit freier Schale, gehört Cylichna truncata, die
abgeſtutzte Becherſchnecke, den nordiſchen Meeren und auch der Kieler Bucht an. Wir
erfahren, daß dieſe kleine Schnecke, welche ſich ganz in ihre 2½ Linien lang werdende Schale
zurückziehen kann, ziemlich lebhaft auf Gras und Pflanzen hinkriecht, ſich gern im Bodenſatz des
Aquariums vergräbt und an tiefen, ſchlammigen Stellen der Kieler Bucht nicht ſelten iſt.

Der dritte und letzte, aus dieſer Bucht in die Hamburger Aquarien verſetzte Deckkiemer iſt
Philine aperta, die offene Seemandel, einer Gruppe angehörig, wo die Schale gänzlich vom
Mantel umhüllt wird, die Seitenränder des Fußes ausgedehnt und verdickt ſind und der Kopf

[Abbildung] Offene Seemandel
(Philine aperta). Schale von unten.
fühlerlos iſt. Die Art der Oſtſee, um welche es ſich hier handelt und
welche von der norwegiſchen Küſte an bis ins adriatiſche Meer gefun-
den wurde, kommt kriechend ausgeſtreckt dort bis 10 Linien lang vor.
Die dünne, ſchwach eingerollte und weitmündige Schale iſt milch-
weiß, etwas durchſcheinend und perlmutterglänzend. Dieſe Eigen-
ſchaft, in den ſchönſten rothen und grünen Jnterferenzfarben zu glän-
zen, erhält ſie dadurch, daß mit den feinen Anwachſungslinien ſich
ſehr feine, nur mit ſcharfen Loupen bemerkbare Linien kreuzen
und daß die Schale außerdem von dichtſtehenden feinen nur mit
dem Mikroſkope bemerkbaren Poren bedeckt iſt. Das Thier iſt auf
dunklem Grunde durchſcheinend milchweiß oder gelbweiß mit undurchſichtig weißen Punkten. Am
Ende des Juli legten einige kurz zuvor gefangene Seemandeln Eier. Dieſe ſind in frei liegende,
eiförmige, waſſerhelle Schleimmaſſen eingebettet. Jm Kieler Buſen bewohnt das Thier tiefe,
modergründige Stellen; in den Aquarien iſt es am Tage faſt immer im Schlamme verborgen.
Einige größere Exemplare, welche die Beobachter in einem großen Aquarium Monate lang nicht
geſehen hatten und längſt für geſtorben und zerſetzt hielten, kamen unverhofft wieder zum Vorſchein.
Seitdem wurden ſie in kleinen Gefäßen, deren Bodenſatz leicht zu durchſuchen iſt, gehalten.
Gewöhnlich ſind ſie in ihren Schleim und in Schlamm, der an dieſem feſthängt, eingehüllt. Jn
der Nacht kriechen ſie an der Wand des Aquariums in die Höhe, wenden aber um und verbergen
ſich wieder unter dem Schlamm, wenn ſie beleuchtet werden. Sie ſind alſo, gleich vielen Thieren

*) Die mit dieſer Umſicht und Sorgfalt eingefangenen Thiere, voran die Hinterkiemer, wurden nun in
Hamburg in den großen und kleinen Aquarien gehegt, ihre Gewohnheiten wurden belauſcht, und ſie
wurden in ihren natürlichen Farben meiſterhaft abgebildet. Es ſind 19 Arten, ein kleiner Bruchtheil
der bekannten Anzahl der Hinterkiemer, aber gerade mit Berückſichtigung aller jener Umſtände dargeſtellt,
welche eine wahre Lebensbeſchreibung verlangt.
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[862/0910] Schnecken. Hinterkiemer. Deckkiemer. Kupfer verſchloſſen, deſſen Boden feine Löcher hat, durch welche nur kleine Körper in die Röhre eindringen können. Das aufgepumpte Waſſer fließt in einen Beutel von feinem Düll, der im Waſſer hängt, damit zarte Thiere nicht durch den Anſchlag an das Gewebe verletzt werden. Der Anwendung dieſer Pumpe verdanken wir die Entdeckung lebender Foraminiferen im Kieler Hafen.“ „Thiere, die wir längere Zeit lebend erhalten wollen, bringen wir in Glashäfen, verſchließen dieſe mit Düll und ſetzen ſie in ein Hutfaß. Dieß iſt eine kleine Art Fiſchkaſten von Kahnform, der ein wagerechtes Brett mit Löchern enthält, in welche die Glashäfen hineinpaſſen. So lange unſer Fahrzeug vor Anker liegt, ſchwimmt das Hutfaß mit den Gläſern im Waſſer daneben. Es taucht ſo tief ein, daß die Gläſer ſtets unter dem Waſſer ſind. Soll geſegelt werden, ſo ziehen es zwei Mann in die Höhe und ſetzen es auf Deck, bis das Fahrzeug wieder vor Anker geht.“ „Jn ſolchen mit Düll oder Leinwand überbundenen Glashäfen bringen wir unſere Thiere in Körben, deren Raum in Fächer abgetheilt iſt, auch lebendig nach Hamburg, um ſie zu weiteren Unterſuchungen in Aquarien zu halten *).“ Von der verwandten Gattung Cylichna, mit freier Schale, gehört Cylichna truncata, die abgeſtutzte Becherſchnecke, den nordiſchen Meeren und auch der Kieler Bucht an. Wir erfahren, daß dieſe kleine Schnecke, welche ſich ganz in ihre 2½ Linien lang werdende Schale zurückziehen kann, ziemlich lebhaft auf Gras und Pflanzen hinkriecht, ſich gern im Bodenſatz des Aquariums vergräbt und an tiefen, ſchlammigen Stellen der Kieler Bucht nicht ſelten iſt. Der dritte und letzte, aus dieſer Bucht in die Hamburger Aquarien verſetzte Deckkiemer iſt Philine aperta, die offene Seemandel, einer Gruppe angehörig, wo die Schale gänzlich vom Mantel umhüllt wird, die Seitenränder des Fußes ausgedehnt und verdickt ſind und der Kopf [Abbildung Offene Seemandel (Philine aperta). Schale von unten.] fühlerlos iſt. Die Art der Oſtſee, um welche es ſich hier handelt und welche von der norwegiſchen Küſte an bis ins adriatiſche Meer gefun- den wurde, kommt kriechend ausgeſtreckt dort bis 10 Linien lang vor. Die dünne, ſchwach eingerollte und weitmündige Schale iſt milch- weiß, etwas durchſcheinend und perlmutterglänzend. Dieſe Eigen- ſchaft, in den ſchönſten rothen und grünen Jnterferenzfarben zu glän- zen, erhält ſie dadurch, daß mit den feinen Anwachſungslinien ſich ſehr feine, nur mit ſcharfen Loupen bemerkbare Linien kreuzen und daß die Schale außerdem von dichtſtehenden feinen nur mit dem Mikroſkope bemerkbaren Poren bedeckt iſt. Das Thier iſt auf dunklem Grunde durchſcheinend milchweiß oder gelbweiß mit undurchſichtig weißen Punkten. Am Ende des Juli legten einige kurz zuvor gefangene Seemandeln Eier. Dieſe ſind in frei liegende, eiförmige, waſſerhelle Schleimmaſſen eingebettet. Jm Kieler Buſen bewohnt das Thier tiefe, modergründige Stellen; in den Aquarien iſt es am Tage faſt immer im Schlamme verborgen. Einige größere Exemplare, welche die Beobachter in einem großen Aquarium Monate lang nicht geſehen hatten und längſt für geſtorben und zerſetzt hielten, kamen unverhofft wieder zum Vorſchein. Seitdem wurden ſie in kleinen Gefäßen, deren Bodenſatz leicht zu durchſuchen iſt, gehalten. Gewöhnlich ſind ſie in ihren Schleim und in Schlamm, der an dieſem feſthängt, eingehüllt. Jn der Nacht kriechen ſie an der Wand des Aquariums in die Höhe, wenden aber um und verbergen ſich wieder unter dem Schlamm, wenn ſie beleuchtet werden. Sie ſind alſo, gleich vielen Thieren *) Die mit dieſer Umſicht und Sorgfalt eingefangenen Thiere, voran die Hinterkiemer, wurden nun in Hamburg in den großen und kleinen Aquarien gehegt, ihre Gewohnheiten wurden belauſcht, und ſie wurden in ihren natürlichen Farben meiſterhaft abgebildet. Es ſind 19 Arten, ein kleiner Bruchtheil der bekannten Anzahl der Hinterkiemer, aber gerade mit Berückſichtigung aller jener Umſtände dargeſtellt, welche eine wahre Lebensbeſchreibung verlangt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 862. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/910>, abgerufen am 23.11.2024.