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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Schnecken. Kammkiemer.
groben Grießkörnern besetzt, welche man erst mit Scheidewasser erweichen und alsdann mit einem
Messer abkratzen muß. Diese Schnecken werden unter die vornehmsten Raritäten gerechnet, und
wenn sie rein sind, so gelten sie sogar auf diesen Jnseln gemeiniglich drittehalb Gulden. An der
Jnsel Amboina findet man sie selten; mehrentheils kommen sie von den südöstlichen Jnseln. Jhr
Aufenthalt ist die Tiefe des Meeres und zuweilen kriechen sie auch in die Fischreusen. Die
Alphoresen, die wilden Bewohner der Jnsel Korea, gebrauchen diese Schnecken statt der Trom-
peten, indem sie in dem mittleren Ring eine Oeffnung machen, durch welche sie blasen."

"Man hat diesen Schnecken den Namen Kinkhörner gegeben, weil sie kinken (klingen) oder
sausen, wenn man ihre Mündung an die Ohren hält, und die gemeinen Leute machen einander
weis, daß dieses Sausen eben ein Zeichen ihrer Aechtheit wäre, weil man gleichsam das Brausen
der See in denselben hört." Was nun diese Eigenschaft des Kinkens angeht, so ist sie keineswegs
auf unsere Schnecken beschränkt. Alle halbwegs größeren Schneckenhäuser geben einen guten
Resonnanzboden ab für den verschiedenartigsten Lärm, während bei absoluter Stille auch das
Tritonium variegatum die Schallwellen nicht zurückwerfen kann und nicht saust.

Welche Rolle die Tritonshörner auf den Bildern, den Statuengruppen und Reliefs der
Rococozeit spielten ist männiglich bekannt. Wer kennt sie nicht, die pausbäckigen Tritonen, auf
Delphinen reitend im Gefolge der schönen Meeresgöttin Galathea? Wer hat nicht einen, im
Geschmack jener glücklich überwundenen Zeit angelegten Park mit seinen Grotten besucht, wo die
wirklichen Kinkhörner und andere große Schnecken- und Muschelgehäuse zwischen Korallen und
Tropfsteingebilden eingefügt sind?

Die Sippe der Faßschnecken (Dolium) ist in mehrerer Beziehung interessant. Das
Gehäus ist dünnschalig, bauchig, oft beinahe kugelig, die Mündung davon weit, unten aus-
geschnitten, nicht in einen Kanal verlängert; die Außenlippe meist verdickt und in der ganzen
Länge gekerbt. Das Thier hat einen länglich eiförmigen, großen und dicken Fuß, der vorn etwas
geöhrt ist, und von dem Thier durch die Aufnahme einer großen Quantität Wasser stark auf-
gebläht werden kann. Der Kopf ist flach und breit und zwischen den Fühlern beinahe geradlinig.
Diese sind lang und tragen die Augen außen auf ihrem verdickten Grunde. Die Athemröhre ist
dick, ziemlich lang und wird über die Schale zurückgeschlagen getragen. Auch der Rüssel ist sehr
groß und dick. Alle Arten, mit Ausnahme einer einzigen, bewohnen die südlichen Meere. Diese
eine aus dem Mittelmeere, das Faß (Dolium galea) ist die größte Schnecke dieses Gebietes, aus-
gezeichnet durch den besonderen Bau und eine ganz eigenthümliche Abscheidung ihrer Speichel-
drüsen. Sie zerfallen in eine vordere festere und eine hintere größere schwammige Abtheilung,
welche letztere mehr als ein Reservoir für die in der eigentlichen Drüse abgeschiedene Flüssigkeit
zu dienen scheint. Sie erreichen den bedeutenden Durchmesser von 11/2 Zoll. Als Troschel in
Messina mit zoologischen Untersuchungen beschäftigt war, brachte man ihm ein großes lebendes
Exemplar von Dolium galea, welches gereizt, seinen einen halben Fuß langen Rüssel hervor-
streckte und alsbald aus der Mundöffnung über einen Fuß weit einen Strahl einer wasserklaren
Flüssigkeit hervorspritzte. Troschel nahm zu seinem höchsten Erstaunen wahr, daß dieser Speichel
den Kalkstein des Fußbodens zum Brausen brachte, gerade wie eine Säure; und die spätere sorg-
fältige chemische Analyse ergab, daß in diesem Speichel, außer schwefelsauren Salzen 2 Procent
freie Schwefelsäure und Procent freie Salzsäure vorhanden ist. Aus welchen Stoffen das
Thier diese Mineralsäuren bezieht, ist unbekannt; ganz räthselhaft aber ist es, wie diese ätzenden
Substanzen in dem Körper der Schnecke aufbewahrt werden können. Jm Magen der untersuchten
Thiere fand sich Seetang mit verschiedenen Kalkresten, welche nicht angegriffen waren, aber sich
beim Zusatz des Speichels sofort auflösten, woraus mit Sicherheit geschlossen werden kann, daß
dieser Speichel nicht bestimmt ist, mit der Nahrung vermischt zu werden, sondern nur, wie in
dem gegebenen Falle, als Vertheidigungsmittel ausgespritzt wird.

Schnecken. Kammkiemer.
groben Grießkörnern beſetzt, welche man erſt mit Scheidewaſſer erweichen und alsdann mit einem
Meſſer abkratzen muß. Dieſe Schnecken werden unter die vornehmſten Raritäten gerechnet, und
wenn ſie rein ſind, ſo gelten ſie ſogar auf dieſen Jnſeln gemeiniglich drittehalb Gulden. An der
Jnſel Amboina findet man ſie ſelten; mehrentheils kommen ſie von den ſüdöſtlichen Jnſeln. Jhr
Aufenthalt iſt die Tiefe des Meeres und zuweilen kriechen ſie auch in die Fiſchreuſen. Die
Alphoreſen, die wilden Bewohner der Jnſel Korea, gebrauchen dieſe Schnecken ſtatt der Trom-
peten, indem ſie in dem mittleren Ring eine Oeffnung machen, durch welche ſie blaſen.“

„Man hat dieſen Schnecken den Namen Kinkhörner gegeben, weil ſie kinken (klingen) oder
ſauſen, wenn man ihre Mündung an die Ohren hält, und die gemeinen Leute machen einander
weis, daß dieſes Sauſen eben ein Zeichen ihrer Aechtheit wäre, weil man gleichſam das Brauſen
der See in denſelben hört.“ Was nun dieſe Eigenſchaft des Kinkens angeht, ſo iſt ſie keineswegs
auf unſere Schnecken beſchränkt. Alle halbwegs größeren Schneckenhäuſer geben einen guten
Reſonnanzboden ab für den verſchiedenartigſten Lärm, während bei abſoluter Stille auch das
Tritonium variegatum die Schallwellen nicht zurückwerfen kann und nicht ſauſt.

Welche Rolle die Tritonshörner auf den Bildern, den Statuengruppen und Reliefs der
Rococozeit ſpielten iſt männiglich bekannt. Wer kennt ſie nicht, die pausbäckigen Tritonen, auf
Delphinen reitend im Gefolge der ſchönen Meeresgöttin Galathea? Wer hat nicht einen, im
Geſchmack jener glücklich überwundenen Zeit angelegten Park mit ſeinen Grotten beſucht, wo die
wirklichen Kinkhörner und andere große Schnecken- und Muſchelgehäuſe zwiſchen Korallen und
Tropfſteingebilden eingefügt ſind?

Die Sippe der Faßſchnecken (Dolium) iſt in mehrerer Beziehung intereſſant. Das
Gehäus iſt dünnſchalig, bauchig, oft beinahe kugelig, die Mündung davon weit, unten aus-
geſchnitten, nicht in einen Kanal verlängert; die Außenlippe meiſt verdickt und in der ganzen
Länge gekerbt. Das Thier hat einen länglich eiförmigen, großen und dicken Fuß, der vorn etwas
geöhrt iſt, und von dem Thier durch die Aufnahme einer großen Quantität Waſſer ſtark auf-
gebläht werden kann. Der Kopf iſt flach und breit und zwiſchen den Fühlern beinahe geradlinig.
Dieſe ſind lang und tragen die Augen außen auf ihrem verdickten Grunde. Die Athemröhre iſt
dick, ziemlich lang und wird über die Schale zurückgeſchlagen getragen. Auch der Rüſſel iſt ſehr
groß und dick. Alle Arten, mit Ausnahme einer einzigen, bewohnen die ſüdlichen Meere. Dieſe
eine aus dem Mittelmeere, das Faß (Dolium galea) iſt die größte Schnecke dieſes Gebietes, aus-
gezeichnet durch den beſonderen Bau und eine ganz eigenthümliche Abſcheidung ihrer Speichel-
drüſen. Sie zerfallen in eine vordere feſtere und eine hintere größere ſchwammige Abtheilung,
welche letztere mehr als ein Reſervoir für die in der eigentlichen Drüſe abgeſchiedene Flüſſigkeit
zu dienen ſcheint. Sie erreichen den bedeutenden Durchmeſſer von 1½ Zoll. Als Troſchel in
Meſſina mit zoologiſchen Unterſuchungen beſchäftigt war, brachte man ihm ein großes lebendes
Exemplar von Dolium galea, welches gereizt, ſeinen einen halben Fuß langen Rüſſel hervor-
ſtreckte und alsbald aus der Mundöffnung über einen Fuß weit einen Strahl einer waſſerklaren
Flüſſigkeit hervorſpritzte. Troſchel nahm zu ſeinem höchſten Erſtaunen wahr, daß dieſer Speichel
den Kalkſtein des Fußbodens zum Brauſen brachte, gerade wie eine Säure; und die ſpätere ſorg-
fältige chemiſche Analyſe ergab, daß in dieſem Speichel, außer ſchwefelſauren Salzen 2 Procent
freie Schwefelſäure und Procent freie Salzſäure vorhanden iſt. Aus welchen Stoffen das
Thier dieſe Mineralſäuren bezieht, iſt unbekannt; ganz räthſelhaft aber iſt es, wie dieſe ätzenden
Subſtanzen in dem Körper der Schnecke aufbewahrt werden können. Jm Magen der unterſuchten
Thiere fand ſich Seetang mit verſchiedenen Kalkreſten, welche nicht angegriffen waren, aber ſich
beim Zuſatz des Speichels ſofort auflöſten, woraus mit Sicherheit geſchloſſen werden kann, daß
dieſer Speichel nicht beſtimmt iſt, mit der Nahrung vermiſcht zu werden, ſondern nur, wie in
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[842/0890] Schnecken. Kammkiemer. groben Grießkörnern beſetzt, welche man erſt mit Scheidewaſſer erweichen und alsdann mit einem Meſſer abkratzen muß. Dieſe Schnecken werden unter die vornehmſten Raritäten gerechnet, und wenn ſie rein ſind, ſo gelten ſie ſogar auf dieſen Jnſeln gemeiniglich drittehalb Gulden. An der Jnſel Amboina findet man ſie ſelten; mehrentheils kommen ſie von den ſüdöſtlichen Jnſeln. Jhr Aufenthalt iſt die Tiefe des Meeres und zuweilen kriechen ſie auch in die Fiſchreuſen. Die Alphoreſen, die wilden Bewohner der Jnſel Korea, gebrauchen dieſe Schnecken ſtatt der Trom- peten, indem ſie in dem mittleren Ring eine Oeffnung machen, durch welche ſie blaſen.“ „Man hat dieſen Schnecken den Namen Kinkhörner gegeben, weil ſie kinken (klingen) oder ſauſen, wenn man ihre Mündung an die Ohren hält, und die gemeinen Leute machen einander weis, daß dieſes Sauſen eben ein Zeichen ihrer Aechtheit wäre, weil man gleichſam das Brauſen der See in denſelben hört.“ Was nun dieſe Eigenſchaft des Kinkens angeht, ſo iſt ſie keineswegs auf unſere Schnecken beſchränkt. Alle halbwegs größeren Schneckenhäuſer geben einen guten Reſonnanzboden ab für den verſchiedenartigſten Lärm, während bei abſoluter Stille auch das Tritonium variegatum die Schallwellen nicht zurückwerfen kann und nicht ſauſt. Welche Rolle die Tritonshörner auf den Bildern, den Statuengruppen und Reliefs der Rococozeit ſpielten iſt männiglich bekannt. Wer kennt ſie nicht, die pausbäckigen Tritonen, auf Delphinen reitend im Gefolge der ſchönen Meeresgöttin Galathea? Wer hat nicht einen, im Geſchmack jener glücklich überwundenen Zeit angelegten Park mit ſeinen Grotten beſucht, wo die wirklichen Kinkhörner und andere große Schnecken- und Muſchelgehäuſe zwiſchen Korallen und Tropfſteingebilden eingefügt ſind? Die Sippe der Faßſchnecken (Dolium) iſt in mehrerer Beziehung intereſſant. Das Gehäus iſt dünnſchalig, bauchig, oft beinahe kugelig, die Mündung davon weit, unten aus- geſchnitten, nicht in einen Kanal verlängert; die Außenlippe meiſt verdickt und in der ganzen Länge gekerbt. Das Thier hat einen länglich eiförmigen, großen und dicken Fuß, der vorn etwas geöhrt iſt, und von dem Thier durch die Aufnahme einer großen Quantität Waſſer ſtark auf- gebläht werden kann. Der Kopf iſt flach und breit und zwiſchen den Fühlern beinahe geradlinig. Dieſe ſind lang und tragen die Augen außen auf ihrem verdickten Grunde. Die Athemröhre iſt dick, ziemlich lang und wird über die Schale zurückgeſchlagen getragen. Auch der Rüſſel iſt ſehr groß und dick. Alle Arten, mit Ausnahme einer einzigen, bewohnen die ſüdlichen Meere. Dieſe eine aus dem Mittelmeere, das Faß (Dolium galea) iſt die größte Schnecke dieſes Gebietes, aus- gezeichnet durch den beſonderen Bau und eine ganz eigenthümliche Abſcheidung ihrer Speichel- drüſen. Sie zerfallen in eine vordere feſtere und eine hintere größere ſchwammige Abtheilung, welche letztere mehr als ein Reſervoir für die in der eigentlichen Drüſe abgeſchiedene Flüſſigkeit zu dienen ſcheint. Sie erreichen den bedeutenden Durchmeſſer von 1½ Zoll. Als Troſchel in Meſſina mit zoologiſchen Unterſuchungen beſchäftigt war, brachte man ihm ein großes lebendes Exemplar von Dolium galea, welches gereizt, ſeinen einen halben Fuß langen Rüſſel hervor- ſtreckte und alsbald aus der Mundöffnung über einen Fuß weit einen Strahl einer waſſerklaren Flüſſigkeit hervorſpritzte. Troſchel nahm zu ſeinem höchſten Erſtaunen wahr, daß dieſer Speichel den Kalkſtein des Fußbodens zum Brauſen brachte, gerade wie eine Säure; und die ſpätere ſorg- fältige chemiſche Analyſe ergab, daß in dieſem Speichel, außer ſchwefelſauren Salzen 2[FORMEL] Procent freie Schwefelſäure und [FORMEL] Procent freie Salzſäure vorhanden iſt. Aus welchen Stoffen das Thier dieſe Mineralſäuren bezieht, iſt unbekannt; ganz räthſelhaft aber iſt es, wie dieſe ätzenden Subſtanzen in dem Körper der Schnecke aufbewahrt werden können. Jm Magen der unterſuchten Thiere fand ſich Seetang mit verſchiedenen Kalkreſten, welche nicht angegriffen waren, aber ſich beim Zuſatz des Speichels ſofort auflöſten, woraus mit Sicherheit geſchloſſen werden kann, daß dieſer Speichel nicht beſtimmt iſt, mit der Nahrung vermiſcht zu werden, ſondern nur, wie in dem gegebenen Falle, als Vertheidigungsmittel ausgeſpritzt wird.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 842. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/890>, abgerufen am 23.11.2024.