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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Schnecken. Kammkiemer.
Eremplaren überzeugen, daß die in den jüngeren Thieren gleich dick angelegten Schalenwände
zum großen Theil wieder von beiden Seiten aufgelöst werden. Von den anatomisch nachweisbaren
drei Schalenschichten bleibt nur die innere übrig*).

Die Beobachtungen über die in ziemlichen Tiefen, meist auf Schlammgrund wohnenden Thiere
sind so sparsam, daß man nicht einmal weiß, was sie fressen. "Sie sollen sich von Pflanzen
nähren", sagt Philippi, "was mit der Bewaffnung ihrer Zunge nicht übereinzustimmen scheint."
Rumph giebt von mehreren Arten an, daß sie gegessen würden; dasselbe geschieht mit dem Laich
von Conus marmoratus: "er bestehet in einem Klumpen, der wie verwirrter Zwirnfaden aussieht,
und ist weiß, roth, knorpeligt und gut zu essen, eben wie das Thier selbst auch". Derselbe alte
Schriftsteller macht Mittheilungen über artige Schmucksachen die aus den genannten und ähnlichen
Conchylien in Ostindien einst angefertigt wurden. "Man suchet sie sehr häufig zusammen, um
Ringe daraus zu machen, die nicht allein von den indischen, sondern auch holländischen Weibern
an den Fingern getragen werden. Diese Ringe werden mit großer Mühe verfertigt, und zwar
ohne Werkzeug. Denn sie schleifen den Kopf der Schale auf einem rauhen Stein ab, bis man
inwendig alle Höhlen der Gewinde zu sehen bekömmt. Den Hintertheil der Schnecke schlagen sie
dann mit Steinen herunter oder sägen ihn mit einer dünnen Feile ab. Das Uebrige aber wird
so lange geschliffen, bis ein Ring daraus wird. Aus jeder Schnecke können nicht mehr als zwei
dergleichen Ringe gemacht werden. Diese Ringe sind weiß, glatt und glänzend wie Elfenbein,
denn die schwarzen Flecken der Schnecke dringen nicht durch und können abgeschliffen werden.
Etliche machen diese Ringe glatt, andere schneiden sie aus, daß sie mit Körnern und Laubwerk
besetzt sind; wiederum andere wissen sie so künstlich zu bearbeiten, daß sie ein erhabenes
Häuschen mit einem schwarzen Flecken daran lassen, als ob es ein ordentlicher Ring mit einem
eingefaßten Steine wäre."

Der berühmte Muschelsammler und Kenner Chemnitz, zählt in einem Zusatze zu dem
betreffenden Abschnitte aus Rumph's Raritätenkammer noch eine Reihe seltener Kegelschnecken
sammt ihren glücklichen Besitzern auf. Der "mehrgemeldete" Bürgermeister d'Aquet in Delfft war
damals (1766) der alleinige Besitzer des "Orangen-Admiral". Vor diesem aber war der "Ober-
Admiral" die allervornehmste Schnecke. Für den "eigentlichen Admiral" hat man fruchtlos 500
Gulden angeboten. -- "Alle diese beschriebenen Tuten sind nun vom ersten Rang, und wenn
man ein Kabinet haben will, das werth geschätzt wird, so muß man vorzüglich diese trachten zu
besitzen, wiewohl sie sehr beschwerlich zu bekommen sind. Jnzwischen giebt es nicht allein unter
den Tuten, sondern auch unter den anderen Geschlechtern rare Schnecken." Wir entnehmen aus
diesen Proben, wie diesen fleißigen und durch ihre Sammelwerke nützlich gewordenen Dilettanten
der vorigen Jahrhunderte eigentlich jede höhere Weihe abging. Auch dem unsrigen fehlen diese
nüchternen Krämerseelen von Naturfreunden nicht, über ihnen aber stehen die Millionen, welche
mit der Kenntniß der Naturprodukte sich auch das Verständniß zu erringen suchen. Und das ist
der Fortschritt, den die Menschheit seitdem auf diesem Gebiete gemacht hat.

Fast noch artenreicher ist eine zweite Sippe der Pfeilzüngler, Pleurotoma, deren Schale ein
langes Gewinde und als charakteristisches Kennzeichen einen gespaltenen Außeurand der Mün-
dung besitzt.

*) Jn dem von uns vielfach benutzten und äußerst reichhaltigen Werke von Johnston (Einleitung
i. d. Conchyliologie), ist S. 500 die Vermuthung ausgesprochen, daß auch einige Bernhard-Krebse die
Fähigkeit besäßen, die von ihnen bewohnten Schneckenschalen aufzulösen. Dieß ist entschieden nicht der
Fall, sondern die allerdings sehr häufig zu beobachtende Zerstörung der Schalensubstanz geht immer
von einem Schwamme aus (Suberites domuncula), welcher sich auf den von den Krebsen bewohnten
Schneckengehäusen anstedelt. Man vergleiche oben Seite 637.

Schnecken. Kammkiemer.
Eremplaren überzeugen, daß die in den jüngeren Thieren gleich dick angelegten Schalenwände
zum großen Theil wieder von beiden Seiten aufgelöſt werden. Von den anatomiſch nachweisbaren
drei Schalenſchichten bleibt nur die innere übrig*).

Die Beobachtungen über die in ziemlichen Tiefen, meiſt auf Schlammgrund wohnenden Thiere
ſind ſo ſparſam, daß man nicht einmal weiß, was ſie freſſen. „Sie ſollen ſich von Pflanzen
nähren“, ſagt Philippi, „was mit der Bewaffnung ihrer Zunge nicht übereinzuſtimmen ſcheint.“
Rumph giebt von mehreren Arten an, daß ſie gegeſſen würden; daſſelbe geſchieht mit dem Laich
von Conus marmoratus: „er beſtehet in einem Klumpen, der wie verwirrter Zwirnfaden ausſieht,
und iſt weiß, roth, knorpeligt und gut zu eſſen, eben wie das Thier ſelbſt auch“. Derſelbe alte
Schriftſteller macht Mittheilungen über artige Schmuckſachen die aus den genannten und ähnlichen
Conchylien in Oſtindien einſt angefertigt wurden. „Man ſuchet ſie ſehr häufig zuſammen, um
Ringe daraus zu machen, die nicht allein von den indiſchen, ſondern auch holländiſchen Weibern
an den Fingern getragen werden. Dieſe Ringe werden mit großer Mühe verfertigt, und zwar
ohne Werkzeug. Denn ſie ſchleifen den Kopf der Schale auf einem rauhen Stein ab, bis man
inwendig alle Höhlen der Gewinde zu ſehen bekömmt. Den Hintertheil der Schnecke ſchlagen ſie
dann mit Steinen herunter oder ſägen ihn mit einer dünnen Feile ab. Das Uebrige aber wird
ſo lange geſchliffen, bis ein Ring daraus wird. Aus jeder Schnecke können nicht mehr als zwei
dergleichen Ringe gemacht werden. Dieſe Ringe ſind weiß, glatt und glänzend wie Elfenbein,
denn die ſchwarzen Flecken der Schnecke dringen nicht durch und können abgeſchliffen werden.
Etliche machen dieſe Ringe glatt, andere ſchneiden ſie aus, daß ſie mit Körnern und Laubwerk
beſetzt ſind; wiederum andere wiſſen ſie ſo künſtlich zu bearbeiten, daß ſie ein erhabenes
Häuschen mit einem ſchwarzen Flecken daran laſſen, als ob es ein ordentlicher Ring mit einem
eingefaßten Steine wäre.“

Der berühmte Muſchelſammler und Kenner Chemnitz, zählt in einem Zuſatze zu dem
betreffenden Abſchnitte aus Rumph’s Raritätenkammer noch eine Reihe ſeltener Kegelſchnecken
ſammt ihren glücklichen Beſitzern auf. Der „mehrgemeldete“ Bürgermeiſter d’Aquet in Delfft war
damals (1766) der alleinige Beſitzer des „Orangen-Admiral“. Vor dieſem aber war der „Ober-
Admiral“ die allervornehmſte Schnecke. Für den „eigentlichen Admiral“ hat man fruchtlos 500
Gulden angeboten. — „Alle dieſe beſchriebenen Tuten ſind nun vom erſten Rang, und wenn
man ein Kabinet haben will, das werth geſchätzt wird, ſo muß man vorzüglich dieſe trachten zu
beſitzen, wiewohl ſie ſehr beſchwerlich zu bekommen ſind. Jnzwiſchen giebt es nicht allein unter
den Tuten, ſondern auch unter den anderen Geſchlechtern rare Schnecken.“ Wir entnehmen aus
dieſen Proben, wie dieſen fleißigen und durch ihre Sammelwerke nützlich gewordenen Dilettanten
der vorigen Jahrhunderte eigentlich jede höhere Weihe abging. Auch dem unſrigen fehlen dieſe
nüchternen Krämerſeelen von Naturfreunden nicht, über ihnen aber ſtehen die Millionen, welche
mit der Kenntniß der Naturprodukte ſich auch das Verſtändniß zu erringen ſuchen. Und das iſt
der Fortſchritt, den die Menſchheit ſeitdem auf dieſem Gebiete gemacht hat.

Faſt noch artenreicher iſt eine zweite Sippe der Pfeilzüngler, Pleurotoma, deren Schale ein
langes Gewinde und als charakteriſtiſches Kennzeichen einen geſpaltenen Außeurand der Mün-
dung beſitzt.

*) Jn dem von uns vielfach benutzten und äußerſt reichhaltigen Werke von Johnſton (Einleitung
i. d. Conchyliologie), iſt S. 500 die Vermuthung ausgeſprochen, daß auch einige Bernhard-Krebſe die
Fähigkeit beſäßen, die von ihnen bewohnten Schneckenſchalen aufzulöſen. Dieß iſt entſchieden nicht der
Fall, ſondern die allerdings ſehr häufig zu beobachtende Zerſtörung der Schalenſubſtanz geht immer
von einem Schwamme aus (Suberites domuncula), welcher ſich auf den von den Krebſen bewohnten
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[838/0886] Schnecken. Kammkiemer. Eremplaren überzeugen, daß die in den jüngeren Thieren gleich dick angelegten Schalenwände zum großen Theil wieder von beiden Seiten aufgelöſt werden. Von den anatomiſch nachweisbaren drei Schalenſchichten bleibt nur die innere übrig *). Die Beobachtungen über die in ziemlichen Tiefen, meiſt auf Schlammgrund wohnenden Thiere ſind ſo ſparſam, daß man nicht einmal weiß, was ſie freſſen. „Sie ſollen ſich von Pflanzen nähren“, ſagt Philippi, „was mit der Bewaffnung ihrer Zunge nicht übereinzuſtimmen ſcheint.“ Rumph giebt von mehreren Arten an, daß ſie gegeſſen würden; daſſelbe geſchieht mit dem Laich von Conus marmoratus: „er beſtehet in einem Klumpen, der wie verwirrter Zwirnfaden ausſieht, und iſt weiß, roth, knorpeligt und gut zu eſſen, eben wie das Thier ſelbſt auch“. Derſelbe alte Schriftſteller macht Mittheilungen über artige Schmuckſachen die aus den genannten und ähnlichen Conchylien in Oſtindien einſt angefertigt wurden. „Man ſuchet ſie ſehr häufig zuſammen, um Ringe daraus zu machen, die nicht allein von den indiſchen, ſondern auch holländiſchen Weibern an den Fingern getragen werden. Dieſe Ringe werden mit großer Mühe verfertigt, und zwar ohne Werkzeug. Denn ſie ſchleifen den Kopf der Schale auf einem rauhen Stein ab, bis man inwendig alle Höhlen der Gewinde zu ſehen bekömmt. Den Hintertheil der Schnecke ſchlagen ſie dann mit Steinen herunter oder ſägen ihn mit einer dünnen Feile ab. Das Uebrige aber wird ſo lange geſchliffen, bis ein Ring daraus wird. Aus jeder Schnecke können nicht mehr als zwei dergleichen Ringe gemacht werden. Dieſe Ringe ſind weiß, glatt und glänzend wie Elfenbein, denn die ſchwarzen Flecken der Schnecke dringen nicht durch und können abgeſchliffen werden. Etliche machen dieſe Ringe glatt, andere ſchneiden ſie aus, daß ſie mit Körnern und Laubwerk beſetzt ſind; wiederum andere wiſſen ſie ſo künſtlich zu bearbeiten, daß ſie ein erhabenes Häuschen mit einem ſchwarzen Flecken daran laſſen, als ob es ein ordentlicher Ring mit einem eingefaßten Steine wäre.“ Der berühmte Muſchelſammler und Kenner Chemnitz, zählt in einem Zuſatze zu dem betreffenden Abſchnitte aus Rumph’s Raritätenkammer noch eine Reihe ſeltener Kegelſchnecken ſammt ihren glücklichen Beſitzern auf. Der „mehrgemeldete“ Bürgermeiſter d’Aquet in Delfft war damals (1766) der alleinige Beſitzer des „Orangen-Admiral“. Vor dieſem aber war der „Ober- Admiral“ die allervornehmſte Schnecke. Für den „eigentlichen Admiral“ hat man fruchtlos 500 Gulden angeboten. — „Alle dieſe beſchriebenen Tuten ſind nun vom erſten Rang, und wenn man ein Kabinet haben will, das werth geſchätzt wird, ſo muß man vorzüglich dieſe trachten zu beſitzen, wiewohl ſie ſehr beſchwerlich zu bekommen ſind. Jnzwiſchen giebt es nicht allein unter den Tuten, ſondern auch unter den anderen Geſchlechtern rare Schnecken.“ Wir entnehmen aus dieſen Proben, wie dieſen fleißigen und durch ihre Sammelwerke nützlich gewordenen Dilettanten der vorigen Jahrhunderte eigentlich jede höhere Weihe abging. Auch dem unſrigen fehlen dieſe nüchternen Krämerſeelen von Naturfreunden nicht, über ihnen aber ſtehen die Millionen, welche mit der Kenntniß der Naturprodukte ſich auch das Verſtändniß zu erringen ſuchen. Und das iſt der Fortſchritt, den die Menſchheit ſeitdem auf dieſem Gebiete gemacht hat. Faſt noch artenreicher iſt eine zweite Sippe der Pfeilzüngler, Pleurotoma, deren Schale ein langes Gewinde und als charakteriſtiſches Kennzeichen einen geſpaltenen Außeurand der Mün- dung beſitzt. *) Jn dem von uns vielfach benutzten und äußerſt reichhaltigen Werke von Johnſton (Einleitung i. d. Conchyliologie), iſt S. 500 die Vermuthung ausgeſprochen, daß auch einige Bernhard-Krebſe die Fähigkeit beſäßen, die von ihnen bewohnten Schneckenſchalen aufzulöſen. Dieß iſt entſchieden nicht der Fall, ſondern die allerdings ſehr häufig zu beobachtende Zerſtörung der Schalenſubſtanz geht immer von einem Schwamme aus (Suberites domuncula), welcher ſich auf den von den Krebſen bewohnten Schneckengehäuſen anſtedelt. Man vergleiche oben Seite 637.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 838. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/886>, abgerufen am 23.11.2024.