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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Purpur und Purpurschnecken.
müssen, was sicher jenen lebhaften und schillernden Tönen entsprechen wird, von denen Plinius
und Seneka sprechen."

Die Murex-Arten, mit welchen Lacaze-Duthiers seine Versuche anstellte, waren Murex bran-
daris, Murex trunculus
und Murex erinaceus, wovon die ersteren im Mittelmeere sehr gemein sind,
die dritte dem atlantischen Küstengebiete Frankreichs angehört. Jm Bau der Farbendrüse stimmen
sie vollständig überein. Dasselbe gilt von den beiden Purpura-Arten, Purpura haemastoma und
lapillus, die erstere dem Mittelmeere, die andere dem atlantischen Gebiete angehörig. Höchst wahr-
scheinlich sind alle Arten dieser beiden Sippen mit der Purpurdrüse ausgestattet. Vergleicht man die
Beschreibung, welche Plinius von den zur Färberei gebrauchten Schnecken gibt, so stellt sich
heraus, daß die Alten unsere heutige Gattung Purpura mit "Buccinum" bezeichneten, Murex aber
mit "Purpura". Die Purpurfabriken waren über ganz Jtalien und Griechenland zerstrent; eine
der großartigsten bestand in Rom, wo aus den Schalen der verbrauchten Thiere der "Monte
testaceo" angehäuft ist. Jch selbst habe im Frühjahr 1867 in Aquileja die Stelle einer alten
Purpurfabrik gefunden. Aquileja ist bekanntlich von den Stürmen der Völkerwanderung so heim-
gesucht, wie kaum eine andere der berühmten großen Städte des Alterthums. Es stehen nur noch
einige Säulen und Reste großartiger Wasserleitungen; die ehemalige Stadt ist in Weingärten
und Ackerfeld verwandelt. Man kann aber auf diesem Boden buchstäblich keine Hand Erde auf-
heben, ohne darin Spuren des einstigen Bestandes einer großen Kultur zu entdecken, und ganz
massenhaft kommen diese Dinge zum Vorschein, wenn die Felder tiefer umrajolt werden. Der
mir befreundete Güterdirector in Monastero, einem Flecken im Bereiche der zerstörten Stadt,
hatte mir mitgetheilt, daß seine Leute bei der tieferen Bearbeitung einer Strecke Feldes unter
andern auch auf große Haufen von Schneckenschalen gestoßen seien, es sei also dort wahrscheinlich
der Fisch- und Conchylienmarkt gewesen. Obgleich ich bei meinem Besuche das Feld gepflügt und
und geeggt fand, war jene Stelle an der hellen Farbe der ausgebleichten Schneckenschalen doch
schon von weitem zu erkennen. Es gehörten aber die Tausende von Schalen und Schalentrümmern
nur den beiden Species Murex brandaris und trunculus an, so daß über den Grund ihrer
Anhäufung wohl nicht der geringste Zweifel aufkommen kann.

Zu den murexartigen Schnecken gehört ferner die große Sippe Spindelschnecke, Fusus.
Das Thier hat einen sehr kleinen Kopf, die Fühler stoßen unter einem spitzen Winkel zusammen
und tragen die Augen in halber Höhe. Der Fuß ist auch verhältnißmäßig klein. Die Spindel-
form des Gehäuses verdankt ihre Entstehung dem lang gezogenen spitzen Gewinde und dem langen,
von der Basis auslaufenden Kanale. Nur wenige Arten von mittlerer Größe bewohnen die
europäischen Meere, so Fusus antiquus. Wie eine ganze Reihe anderer Weichthiere hält sich
diese Art im Norden, nämlich an der skandinavischen und

[Abbildung] Zwei Eihülsen von Fusus antiquus.
schottländischen Küste in geringerern Tiefen auf und steigt in
den südlicheren Theilen des atlantischen Oceans in immer tiefere
Regionen. Johnston sagt, daß sein Gehäus auf den Shet-
landinseln als Lampe gebraucht würde und giebt folgende
Beschreibung seines Laiches. Die Laichmasse stellt in ganzer
Größe einen stumpfen Kegel von 3 Zoll Höhe und 2 Zoll Breite
dar, welcher mit seiner breiten Grundfläche an Felsen in tiefem
Wasser angewachsen ist. Dieser Kegel besteht aus einer Anzahl von großen Beuteln, welche durch
ein starkes knorpeliges Band -- Gurt -- auf regelmäßige Art mit einander verbunden sind;
jede Zelle ist einigermaßen wie ein Fingernagel gestaltet, außen konver und innen konkav, mit
einer starken hornigen äußern Haut, welche an ihrem oberen Rande aufgeschlitzt ist; aber die
Oeffnung ist so enge, daß nichts als das Wasser eintreten kann, welches zum Athmen des jungen
Thieres nöthig ist. Jn dieser äußeren Fruchthülle und nur lose damit verbunden liegt ein Beutel

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Purpur und Purpurſchnecken.
müſſen, was ſicher jenen lebhaften und ſchillernden Tönen entſprechen wird, von denen Plinius
und Seneka ſprechen.“

Die Murex-Arten, mit welchen Lacaze-Duthiers ſeine Verſuche anſtellte, waren Murex bran-
daris, Murex trunculus
und Murex erinaceus, wovon die erſteren im Mittelmeere ſehr gemein ſind,
die dritte dem atlantiſchen Küſtengebiete Frankreichs angehört. Jm Bau der Farbendrüſe ſtimmen
ſie vollſtändig überein. Daſſelbe gilt von den beiden Purpura-Arten, Purpura haemastoma und
lapillus, die erſtere dem Mittelmeere, die andere dem atlantiſchen Gebiete angehörig. Höchſt wahr-
ſcheinlich ſind alle Arten dieſer beiden Sippen mit der Purpurdrüſe ausgeſtattet. Vergleicht man die
Beſchreibung, welche Plinius von den zur Färberei gebrauchten Schnecken gibt, ſo ſtellt ſich
heraus, daß die Alten unſere heutige Gattung Purpura mit „Buccinum“ bezeichneten, Murex aber
mit „Purpura“. Die Purpurfabriken waren über ganz Jtalien und Griechenland zerſtrent; eine
der großartigſten beſtand in Rom, wo aus den Schalen der verbrauchten Thiere der „Monte
teſtaceo“ angehäuft iſt. Jch ſelbſt habe im Frühjahr 1867 in Aquileja die Stelle einer alten
Purpurfabrik gefunden. Aquileja iſt bekanntlich von den Stürmen der Völkerwanderung ſo heim-
geſucht, wie kaum eine andere der berühmten großen Städte des Alterthums. Es ſtehen nur noch
einige Säulen und Reſte großartiger Waſſerleitungen; die ehemalige Stadt iſt in Weingärten
und Ackerfeld verwandelt. Man kann aber auf dieſem Boden buchſtäblich keine Hand Erde auf-
heben, ohne darin Spuren des einſtigen Beſtandes einer großen Kultur zu entdecken, und ganz
maſſenhaft kommen dieſe Dinge zum Vorſchein, wenn die Felder tiefer umrajolt werden. Der
mir befreundete Güterdirector in Monaſtero, einem Flecken im Bereiche der zerſtörten Stadt,
hatte mir mitgetheilt, daß ſeine Leute bei der tieferen Bearbeitung einer Strecke Feldes unter
andern auch auf große Haufen von Schneckenſchalen geſtoßen ſeien, es ſei alſo dort wahrſcheinlich
der Fiſch- und Conchylienmarkt geweſen. Obgleich ich bei meinem Beſuche das Feld gepflügt und
und geeggt fand, war jene Stelle an der hellen Farbe der ausgebleichten Schneckenſchalen doch
ſchon von weitem zu erkennen. Es gehörten aber die Tauſende von Schalen und Schalentrümmern
nur den beiden Species Murex brandaris und trunculus an, ſo daß über den Grund ihrer
Anhäufung wohl nicht der geringſte Zweifel aufkommen kann.

Zu den murexartigen Schnecken gehört ferner die große Sippe Spindelſchnecke, Fusus.
Das Thier hat einen ſehr kleinen Kopf, die Fühler ſtoßen unter einem ſpitzen Winkel zuſammen
und tragen die Augen in halber Höhe. Der Fuß iſt auch verhältnißmäßig klein. Die Spindel-
form des Gehäuſes verdankt ihre Entſtehung dem lang gezogenen ſpitzen Gewinde und dem langen,
von der Baſis auslaufenden Kanale. Nur wenige Arten von mittlerer Größe bewohnen die
europäiſchen Meere, ſo Fusus antiquus. Wie eine ganze Reihe anderer Weichthiere hält ſich
dieſe Art im Norden, nämlich an der ſkandinaviſchen und

[Abbildung] Zwei Eihülſen von Fusus antiquus.
ſchottländiſchen Küſte in geringerern Tiefen auf und ſteigt in
den ſüdlicheren Theilen des atlantiſchen Oceans in immer tiefere
Regionen. Johnſton ſagt, daß ſein Gehäus auf den Shet-
landinſeln als Lampe gebraucht würde und giebt folgende
Beſchreibung ſeines Laiches. Die Laichmaſſe ſtellt in ganzer
Größe einen ſtumpfen Kegel von 3 Zoll Höhe und 2 Zoll Breite
dar, welcher mit ſeiner breiten Grundfläche an Felſen in tiefem
Waſſer angewachſen iſt. Dieſer Kegel beſteht aus einer Anzahl von großen Beuteln, welche durch
ein ſtarkes knorpeliges Band — Gurt — auf regelmäßige Art mit einander verbunden ſind;
jede Zelle iſt einigermaßen wie ein Fingernagel geſtaltet, außen konver und innen konkav, mit
einer ſtarken hornigen äußern Haut, welche an ihrem oberen Rande aufgeſchlitzt iſt; aber die
Oeffnung iſt ſo enge, daß nichts als das Waſſer eintreten kann, welches zum Athmen des jungen
Thieres nöthig iſt. Jn dieſer äußeren Fruchthülle und nur loſe damit verbunden liegt ein Beutel

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[835/0883] Purpur und Purpurſchnecken. müſſen, was ſicher jenen lebhaften und ſchillernden Tönen entſprechen wird, von denen Plinius und Seneka ſprechen.“ Die Murex-Arten, mit welchen Lacaze-Duthiers ſeine Verſuche anſtellte, waren Murex bran- daris, Murex trunculus und Murex erinaceus, wovon die erſteren im Mittelmeere ſehr gemein ſind, die dritte dem atlantiſchen Küſtengebiete Frankreichs angehört. Jm Bau der Farbendrüſe ſtimmen ſie vollſtändig überein. Daſſelbe gilt von den beiden Purpura-Arten, Purpura haemastoma und lapillus, die erſtere dem Mittelmeere, die andere dem atlantiſchen Gebiete angehörig. Höchſt wahr- ſcheinlich ſind alle Arten dieſer beiden Sippen mit der Purpurdrüſe ausgeſtattet. Vergleicht man die Beſchreibung, welche Plinius von den zur Färberei gebrauchten Schnecken gibt, ſo ſtellt ſich heraus, daß die Alten unſere heutige Gattung Purpura mit „Buccinum“ bezeichneten, Murex aber mit „Purpura“. Die Purpurfabriken waren über ganz Jtalien und Griechenland zerſtrent; eine der großartigſten beſtand in Rom, wo aus den Schalen der verbrauchten Thiere der „Monte teſtaceo“ angehäuft iſt. Jch ſelbſt habe im Frühjahr 1867 in Aquileja die Stelle einer alten Purpurfabrik gefunden. Aquileja iſt bekanntlich von den Stürmen der Völkerwanderung ſo heim- geſucht, wie kaum eine andere der berühmten großen Städte des Alterthums. Es ſtehen nur noch einige Säulen und Reſte großartiger Waſſerleitungen; die ehemalige Stadt iſt in Weingärten und Ackerfeld verwandelt. Man kann aber auf dieſem Boden buchſtäblich keine Hand Erde auf- heben, ohne darin Spuren des einſtigen Beſtandes einer großen Kultur zu entdecken, und ganz maſſenhaft kommen dieſe Dinge zum Vorſchein, wenn die Felder tiefer umrajolt werden. Der mir befreundete Güterdirector in Monaſtero, einem Flecken im Bereiche der zerſtörten Stadt, hatte mir mitgetheilt, daß ſeine Leute bei der tieferen Bearbeitung einer Strecke Feldes unter andern auch auf große Haufen von Schneckenſchalen geſtoßen ſeien, es ſei alſo dort wahrſcheinlich der Fiſch- und Conchylienmarkt geweſen. Obgleich ich bei meinem Beſuche das Feld gepflügt und und geeggt fand, war jene Stelle an der hellen Farbe der ausgebleichten Schneckenſchalen doch ſchon von weitem zu erkennen. Es gehörten aber die Tauſende von Schalen und Schalentrümmern nur den beiden Species Murex brandaris und trunculus an, ſo daß über den Grund ihrer Anhäufung wohl nicht der geringſte Zweifel aufkommen kann. Zu den murexartigen Schnecken gehört ferner die große Sippe Spindelſchnecke, Fusus. Das Thier hat einen ſehr kleinen Kopf, die Fühler ſtoßen unter einem ſpitzen Winkel zuſammen und tragen die Augen in halber Höhe. Der Fuß iſt auch verhältnißmäßig klein. Die Spindel- form des Gehäuſes verdankt ihre Entſtehung dem lang gezogenen ſpitzen Gewinde und dem langen, von der Baſis auslaufenden Kanale. Nur wenige Arten von mittlerer Größe bewohnen die europäiſchen Meere, ſo Fusus antiquus. Wie eine ganze Reihe anderer Weichthiere hält ſich dieſe Art im Norden, nämlich an der ſkandinaviſchen und [Abbildung Zwei Eihülſen von Fusus antiquus.] ſchottländiſchen Küſte in geringerern Tiefen auf und ſteigt in den ſüdlicheren Theilen des atlantiſchen Oceans in immer tiefere Regionen. Johnſton ſagt, daß ſein Gehäus auf den Shet- landinſeln als Lampe gebraucht würde und giebt folgende Beſchreibung ſeines Laiches. Die Laichmaſſe ſtellt in ganzer Größe einen ſtumpfen Kegel von 3 Zoll Höhe und 2 Zoll Breite dar, welcher mit ſeiner breiten Grundfläche an Felſen in tiefem Waſſer angewachſen iſt. Dieſer Kegel beſteht aus einer Anzahl von großen Beuteln, welche durch ein ſtarkes knorpeliges Band — Gurt — auf regelmäßige Art mit einander verbunden ſind; jede Zelle iſt einigermaßen wie ein Fingernagel geſtaltet, außen konver und innen konkav, mit einer ſtarken hornigen äußern Haut, welche an ihrem oberen Rande aufgeſchlitzt iſt; aber die Oeffnung iſt ſo enge, daß nichts als das Waſſer eintreten kann, welches zum Athmen des jungen Thieres nöthig iſt. Jn dieſer äußeren Fruchthülle und nur loſe damit verbunden liegt ein Beutel 53*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 835. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/883>, abgerufen am 27.11.2024.