aufgetriebener Kopf, welcher durch den Besitz von zwei Fühlhörnern und den am Grunde der- selben stehenden Augen die Legitimation der Schnecke vollendet. Die beiden vorderen faden-
förmigen Organe sind keine Fühler, sondern bloße Verlängerungen der Lippe. Der Kopf läßt sich um so genauer betrachten, als das Thier, muthiger als alle übrigen Schnecken, beim Berühren sich nicht schleunig in sein Gehäus zurückzieht, sondern so- wohl, wie Lacaze-Duthiers mit- theilt, von weichen, vorgehaltenen Gegenständen Stücke abbeißt, als auch härtere mit dem Munde umfaßt und mit einer gewissen Gewalt zurückhält. Jch muß gleich hier bemerken, daß über die Nahrung der Vermeten nichts bekannt ist; höchst wahrschein- lich sind sie Fleischfresser, denen die an ihnen herumkriechenden Thiere um Opfer werden. Zahlreiche Würmer und Krebschen befinden sich immer in ihrer nächsten Nähe.
Kopf und Fuß können ganz von dem sackförmigen Mantel eingehüllt werden. Spaltet man denselben, so kommt auf der linken Seite die gestreckte kammförmige Kieme zum Vorschein. Unsere Abbildung zeigt das Thier zwar aus den Windungen der Schale herausgenommen, aber mit derselben noch durch den bekannten Schalenmuskel in Verbindung, und so lehrt uns denn die einfachste Untersuchung, wie der scheinbare Wurm in jeder Beziehung eine Schnecke, und zwar ein Kammkiemer ist. Vergleicht man die Ausdehnung des die Geschlechtsorgane und die Leber enthaltenden Hinterleibes mit demselben Abschnitte anderer Schnecken mit langem Gewinde, so ist der Unterschied ein ganz unerheblicher.
Schon wiederholt hat uns die Entwicklungs- und Verwandlungsgeschichte der niederen Thiere, mit welchen dieser Band sich beschäftigt, das Jnteresse ersetzen müssen, welches bei so vielen höheren
[Abbildung]
Larve des Vermetus triqueter.
Thieren die manchfaltigen Lebensgewohnheiten und Jnstinkte erwecken. Namentlich haben wir gesehen, wie die fest- sitzenden Thiere oft ganz erstaunliche Formumwandlungen durchmachen, im Verlaufe welcher sie mehr und mehr unerkennbar werden und Ursprung und Verwandtschaft verleugnen. Obwohl Vermetus so weit nicht geht, bietet seine Fortpflanzung und Entwicklung doch des Jnteressanten genug. Als ächter Kammkiemer ist auch diese Gattung getrennten Geschlechtes. Da eine unmittelbare Annäherung der Geschlechter nur durch einen reinen Zufall der An- siedelung neben- und aufeinander herbeigeführt werden könnte, so findet eine Begattung nicht statt, sondern die Befruchtung ist dem Zufall und der Vermittlung durch das Wasser überlassen. Der Ausdruck Zufall paßt eigent- lich in diesem und den meisten ähnlichen Fällen nicht. Man findet zur bestimmten Jahreszeit, nämlich in den Sommermonaten (vielleicht auch im Winter) die Weibchen mit Eierlegen beschäftigt; überall, wo Ansiedelungen von Vermeten sind, muß das
Schnecke. Kammkiemer.
aufgetriebener Kopf, welcher durch den Beſitz von zwei Fühlhörnern und den am Grunde der- ſelben ſtehenden Augen die Legitimation der Schnecke vollendet. Die beiden vorderen faden-
förmigen Organe ſind keine Fühler, ſondern bloße Verlängerungen der Lippe. Der Kopf läßt ſich um ſo genauer betrachten, als das Thier, muthiger als alle übrigen Schnecken, beim Berühren ſich nicht ſchleunig in ſein Gehäus zurückzieht, ſondern ſo- wohl, wie Lacaze-Duthiers mit- theilt, von weichen, vorgehaltenen Gegenſtänden Stücke abbeißt, als auch härtere mit dem Munde umfaßt und mit einer gewiſſen Gewalt zurückhält. Jch muß gleich hier bemerken, daß über die Nahrung der Vermeten nichts bekannt iſt; höchſt wahrſchein- lich ſind ſie Fleiſchfreſſer, denen die an ihnen herumkriechenden Thiere um Opfer werden. Zahlreiche Würmer und Krebschen befinden ſich immer in ihrer nächſten Nähe.
Kopf und Fuß können ganz von dem ſackförmigen Mantel eingehüllt werden. Spaltet man denſelben, ſo kommt auf der linken Seite die geſtreckte kammförmige Kieme zum Vorſchein. Unſere Abbildung zeigt das Thier zwar aus den Windungen der Schale herausgenommen, aber mit derſelben noch durch den bekannten Schalenmuskel in Verbindung, und ſo lehrt uns denn die einfachſte Unterſuchung, wie der ſcheinbare Wurm in jeder Beziehung eine Schnecke, und zwar ein Kammkiemer iſt. Vergleicht man die Ausdehnung des die Geſchlechtsorgane und die Leber enthaltenden Hinterleibes mit demſelben Abſchnitte anderer Schnecken mit langem Gewinde, ſo iſt der Unterſchied ein ganz unerheblicher.
Schon wiederholt hat uns die Entwicklungs- und Verwandlungsgeſchichte der niederen Thiere, mit welchen dieſer Band ſich beſchäftigt, das Jntereſſe erſetzen müſſen, welches bei ſo vielen höheren
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Larve des Vermetus triqueter.
Thieren die manchfaltigen Lebensgewohnheiten und Jnſtinkte erwecken. Namentlich haben wir geſehen, wie die feſt- ſitzenden Thiere oft ganz erſtaunliche Formumwandlungen durchmachen, im Verlaufe welcher ſie mehr und mehr unerkennbar werden und Urſprung und Verwandtſchaft verleugnen. Obwohl Vermetus ſo weit nicht geht, bietet ſeine Fortpflanzung und Entwicklung doch des Jntereſſanten genug. Als ächter Kammkiemer iſt auch dieſe Gattung getrennten Geſchlechtes. Da eine unmittelbare Annäherung der Geſchlechter nur durch einen reinen Zufall der An- ſiedelung neben- und aufeinander herbeigeführt werden könnte, ſo findet eine Begattung nicht ſtatt, ſondern die Befruchtung iſt dem Zufall und der Vermittlung durch das Waſſer überlaſſen. Der Ausdruck Zufall paßt eigent- lich in dieſem und den meiſten ähnlichen Fällen nicht. Man findet zur beſtimmten Jahreszeit, nämlich in den Sommermonaten (vielleicht auch im Winter) die Weibchen mit Eierlegen beſchäftigt; überall, wo Anſiedelungen von Vermeten ſind, muß das
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[822/0870]
Schnecke. Kammkiemer.
aufgetriebener Kopf, welcher durch den Beſitz von zwei Fühlhörnern und den am Grunde der-
ſelben ſtehenden Augen die Legitimation der Schnecke vollendet. Die beiden vorderen faden-
[Abbildung Vermetus triqueter. Schale aufgeſchlagen. Jn derſelben Eikapſeln.]
förmigen Organe ſind keine Fühler,
ſondern bloße Verlängerungen der
Lippe. Der Kopf läßt ſich um ſo
genauer betrachten, als das Thier,
muthiger als alle übrigen Schnecken,
beim Berühren ſich nicht ſchleunig in
ſein Gehäus zurückzieht, ſondern ſo-
wohl, wie Lacaze-Duthiers mit-
theilt, von weichen, vorgehaltenen
Gegenſtänden Stücke abbeißt, als auch
härtere mit dem Munde umfaßt und
mit einer gewiſſen Gewalt zurückhält.
Jch muß gleich hier bemerken, daß
über die Nahrung der Vermeten
nichts bekannt iſt; höchſt wahrſchein-
lich ſind ſie Fleiſchfreſſer, denen die
an ihnen herumkriechenden Thiere
um Opfer werden. Zahlreiche Würmer und Krebschen befinden ſich immer in ihrer
nächſten Nähe.
Kopf und Fuß können ganz von dem ſackförmigen Mantel eingehüllt werden. Spaltet man
denſelben, ſo kommt auf der linken Seite die geſtreckte kammförmige Kieme zum Vorſchein.
Unſere Abbildung zeigt das Thier zwar aus den Windungen der Schale herausgenommen, aber
mit derſelben noch durch den bekannten Schalenmuskel in Verbindung, und ſo lehrt uns denn
die einfachſte Unterſuchung, wie der ſcheinbare Wurm in jeder Beziehung eine Schnecke, und
zwar ein Kammkiemer iſt. Vergleicht man die Ausdehnung des die Geſchlechtsorgane und die
Leber enthaltenden Hinterleibes mit demſelben Abſchnitte anderer Schnecken mit langem Gewinde,
ſo iſt der Unterſchied ein ganz unerheblicher.
Schon wiederholt hat uns die Entwicklungs- und Verwandlungsgeſchichte der niederen Thiere,
mit welchen dieſer Band ſich beſchäftigt, das Jntereſſe erſetzen müſſen, welches bei ſo vielen höheren
[Abbildung Larve des Vermetus triqueter.]
Thieren die manchfaltigen Lebensgewohnheiten und Jnſtinkte
erwecken. Namentlich haben wir geſehen, wie die feſt-
ſitzenden Thiere oft ganz erſtaunliche Formumwandlungen
durchmachen, im Verlaufe welcher ſie mehr und mehr
unerkennbar werden und Urſprung und Verwandtſchaft
verleugnen. Obwohl Vermetus ſo weit nicht geht, bietet
ſeine Fortpflanzung und Entwicklung doch des Jntereſſanten
genug. Als ächter Kammkiemer iſt auch dieſe Gattung
getrennten Geſchlechtes. Da eine unmittelbare Annäherung
der Geſchlechter nur durch einen reinen Zufall der An-
ſiedelung neben- und aufeinander herbeigeführt werden
könnte, ſo findet eine Begattung nicht ſtatt, ſondern die
Befruchtung iſt dem Zufall und der Vermittlung durch
das Waſſer überlaſſen. Der Ausdruck Zufall paßt eigent-
lich in dieſem und den meiſten ähnlichen Fällen nicht.
Man findet zur beſtimmten Jahreszeit, nämlich in den Sommermonaten (vielleicht auch im Winter)
die Weibchen mit Eierlegen beſchäftigt; überall, wo Anſiedelungen von Vermeten ſind, muß das
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 822. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/870>, abgerufen am 24.11.2024.
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