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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Rissoa. Ufer-, Perspectiv-, Mützenschnecke.
That aber Kieme und Lunge zugleich oder ausschließlich Lunge geworden ist. Erst im andern Falle,
der viel schwieriger ist, gesellt sich zur physiologischen Anpassung auch eine morphollogische, d. h.
auch die Gestalt und den gröberen, in die Augen fallenden Bau betreffende. Ueberhaupt aber
darf man sich in der Lamark-Darwinschen Anschauung nicht durch diejenigen Querfragen beirren
lassen, welche sich auf Dinge beziehen, welche man vorläufig mittelst jener Annahme nicht erklären
kann, sondern man muß sich an die Thatsachen halten, welche dadurch auf ihren Grund und
Zusammenhang zurückgeführt werden. Die Uferschnecken sprechen also, was die Athmung und
deren Organe betrifft, gerade für die außerordentliche Anpassungsfähigkeit derselben. Auf die
Frage aber, warum die Litorinen nicht auch leichter geworden und ihre Augen nicht allmälig auf
die Spitzen der Fühler gestiegen, antworten wir ganz ruhig, daß wir das nicht wissen, daß wir
aber in diesem Nichtgeschehensein durchaus keinen erheblichen Einwand gegen die Umwandlungs-
und Abstammungshypothesen erblicken.

Wie oben gesagt, halten sich also die Litorinen wenig unterhalb, oft sogar oberhalb der
Fluthmarke auf, wo sie bei längerem Ausbleiben des Wassers in mehr oder minder große
Unthätigkeit und Schlafsucht verfallen. Es scheint sogar, als ob einzelne Arten sich oberhalb der
Wasserhöhe in einen Winterschlaf begeben könnten. Wenigstens erzählt Gray, daß viele Jndividuen
der Litorina petraca und einige einer anderen Art an der englischen Küste in diesem Zustande
zubringen. Er fand sie einige Fuß über dem Bereiche der höchsten Herbstgezeiten an den Felsen
befestigt. Der Fuß war gänzlich zurückgezogen; ein häutiger Rand füllte den Zwischenraum
zwischen dem Fels und der äußeren Lippe der

[Abbildung] Laich der Uferschnecke (Litorina littorea).
Schale aus, die Kiemen waren blos feucht und
der Kiemensack von jener ansehnlichen Menge
Wassers entleert, welche bei solchen Thieren dieser
Art darin vorhanden ist, die mit ausgebreitetem
Fuße am Felsen hängen. Gray beobachtete die
Thiere in diesem Erstarrungszustande über eine
Woche. Jn Seewasser gelegt, gewannen sie in
einigen Minuten ihre volle Thätigkeit wieder.

Die Eier unserer Litorinen bestehen aus der
kleinen Dotterkugel und einer beträchtlichen Masse
Eiweiß, dessen äußere Schicht zu einer Art von
Eischale erstarrt. Ein Haufen solcher Eier wird von
einer eiweißartigen gallertigen Masse zusammen-
gehalten und an Tang oder Felsen angeklebt. Die Jungen erreichen schon im Ei eine weit vor-
geschrittene Entwicklung.

Eine in den Sammlungen sehr beliebte Conchylie ist die Perspectivschnecke (Solarium),
deren kreiselförmiges Gehäus mit einem so tiefen Nabel versehen ist, daß man alle Windungen
sieht. Obgleich einige 20 Arten in den tropischen Meeren vorkommen, ist weder über ihren Bau
noch die Lebensweise etwas Genügendes bekannt.



Mehrere Gattungen haben von der Gestalt ihres napfförmigen Gehäuses den Familiennamen
der Mützenschnecken (Capulidae) erhalten. Die Mündung ist sehr weit, ganzrandig und
ungedeckelt, die Spitze oft durch eine kleine halbe oder ganze Windung unsymmetrisch. Am
bekanntesten ist die ungarische Mütze (Capulus hungaricus) aus dem Mittelmeer und der
Nordsee. Man sieht im Grunde des Gehäuses, wie bei fast allen so gestalteten Schnecken, eine
hufeisenförmige Figur, die Ansatzstelle des sehr entwickelten Schalenmuskels. Gosse theilt mit,
daß er diese "Freiheitskappe" (Cap of Liberty), eine der seltneren Schnecken der nördlich gemäßigten

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Riſſoa. Ufer-, Perſpectiv-, Mützenſchnecke.
That aber Kieme und Lunge zugleich oder ausſchließlich Lunge geworden iſt. Erſt im andern Falle,
der viel ſchwieriger iſt, geſellt ſich zur phyſiologiſchen Anpaſſung auch eine morphollogiſche, d. h.
auch die Geſtalt und den gröberen, in die Augen fallenden Bau betreffende. Ueberhaupt aber
darf man ſich in der Lamark-Darwinſchen Anſchauung nicht durch diejenigen Querfragen beirren
laſſen, welche ſich auf Dinge beziehen, welche man vorläufig mittelſt jener Annahme nicht erklären
kann, ſondern man muß ſich an die Thatſachen halten, welche dadurch auf ihren Grund und
Zuſammenhang zurückgeführt werden. Die Uferſchnecken ſprechen alſo, was die Athmung und
deren Organe betrifft, gerade für die außerordentliche Anpaſſungsfähigkeit derſelben. Auf die
Frage aber, warum die Litorinen nicht auch leichter geworden und ihre Augen nicht allmälig auf
die Spitzen der Fühler geſtiegen, antworten wir ganz ruhig, daß wir das nicht wiſſen, daß wir
aber in dieſem Nichtgeſchehenſein durchaus keinen erheblichen Einwand gegen die Umwandlungs-
und Abſtammungshypotheſen erblicken.

Wie oben geſagt, halten ſich alſo die Litorinen wenig unterhalb, oft ſogar oberhalb der
Fluthmarke auf, wo ſie bei längerem Ausbleiben des Waſſers in mehr oder minder große
Unthätigkeit und Schlafſucht verfallen. Es ſcheint ſogar, als ob einzelne Arten ſich oberhalb der
Waſſerhöhe in einen Winterſchlaf begeben könnten. Wenigſtens erzählt Gray, daß viele Jndividuen
der Litorina petraca und einige einer anderen Art an der engliſchen Küſte in dieſem Zuſtande
zubringen. Er fand ſie einige Fuß über dem Bereiche der höchſten Herbſtgezeiten an den Felſen
befeſtigt. Der Fuß war gänzlich zurückgezogen; ein häutiger Rand füllte den Zwiſchenraum
zwiſchen dem Fels und der äußeren Lippe der

[Abbildung] Laich der Uferſchnecke (Litorina littorea).
Schale aus, die Kiemen waren blos feucht und
der Kiemenſack von jener anſehnlichen Menge
Waſſers entleert, welche bei ſolchen Thieren dieſer
Art darin vorhanden iſt, die mit ausgebreitetem
Fuße am Felſen hängen. Gray beobachtete die
Thiere in dieſem Erſtarrungszuſtande über eine
Woche. Jn Seewaſſer gelegt, gewannen ſie in
einigen Minuten ihre volle Thätigkeit wieder.

Die Eier unſerer Litorinen beſtehen aus der
kleinen Dotterkugel und einer beträchtlichen Maſſe
Eiweiß, deſſen äußere Schicht zu einer Art von
Eiſchale erſtarrt. Ein Haufen ſolcher Eier wird von
einer eiweißartigen gallertigen Maſſe zuſammen-
gehalten und an Tang oder Felſen angeklebt. Die Jungen erreichen ſchon im Ei eine weit vor-
geſchrittene Entwicklung.

Eine in den Sammlungen ſehr beliebte Conchylie iſt die Perſpectivſchnecke (Solarium),
deren kreiſelförmiges Gehäus mit einem ſo tiefen Nabel verſehen iſt, daß man alle Windungen
ſieht. Obgleich einige 20 Arten in den tropiſchen Meeren vorkommen, iſt weder über ihren Bau
noch die Lebensweiſe etwas Genügendes bekannt.



Mehrere Gattungen haben von der Geſtalt ihres napfförmigen Gehäuſes den Familiennamen
der Mützenſchnecken (Capulidae) erhalten. Die Mündung iſt ſehr weit, ganzrandig und
ungedeckelt, die Spitze oft durch eine kleine halbe oder ganze Windung unſymmetriſch. Am
bekannteſten iſt die ungariſche Mütze (Capulus hungaricus) aus dem Mittelmeer und der
Nordſee. Man ſieht im Grunde des Gehäuſes, wie bei faſt allen ſo geſtalteten Schnecken, eine
hufeiſenförmige Figur, die Anſatzſtelle des ſehr entwickelten Schalenmuskels. Goſſe theilt mit,
daß er dieſe „Freiheitskappe“ (Cap of Liberty), eine der ſeltneren Schnecken der nördlich gemäßigten

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[819/0867] Riſſoa. Ufer-, Perſpectiv-, Mützenſchnecke. That aber Kieme und Lunge zugleich oder ausſchließlich Lunge geworden iſt. Erſt im andern Falle, der viel ſchwieriger iſt, geſellt ſich zur phyſiologiſchen Anpaſſung auch eine morphollogiſche, d. h. auch die Geſtalt und den gröberen, in die Augen fallenden Bau betreffende. Ueberhaupt aber darf man ſich in der Lamark-Darwinſchen Anſchauung nicht durch diejenigen Querfragen beirren laſſen, welche ſich auf Dinge beziehen, welche man vorläufig mittelſt jener Annahme nicht erklären kann, ſondern man muß ſich an die Thatſachen halten, welche dadurch auf ihren Grund und Zuſammenhang zurückgeführt werden. Die Uferſchnecken ſprechen alſo, was die Athmung und deren Organe betrifft, gerade für die außerordentliche Anpaſſungsfähigkeit derſelben. Auf die Frage aber, warum die Litorinen nicht auch leichter geworden und ihre Augen nicht allmälig auf die Spitzen der Fühler geſtiegen, antworten wir ganz ruhig, daß wir das nicht wiſſen, daß wir aber in dieſem Nichtgeſchehenſein durchaus keinen erheblichen Einwand gegen die Umwandlungs- und Abſtammungshypotheſen erblicken. Wie oben geſagt, halten ſich alſo die Litorinen wenig unterhalb, oft ſogar oberhalb der Fluthmarke auf, wo ſie bei längerem Ausbleiben des Waſſers in mehr oder minder große Unthätigkeit und Schlafſucht verfallen. Es ſcheint ſogar, als ob einzelne Arten ſich oberhalb der Waſſerhöhe in einen Winterſchlaf begeben könnten. Wenigſtens erzählt Gray, daß viele Jndividuen der Litorina petraca und einige einer anderen Art an der engliſchen Küſte in dieſem Zuſtande zubringen. Er fand ſie einige Fuß über dem Bereiche der höchſten Herbſtgezeiten an den Felſen befeſtigt. Der Fuß war gänzlich zurückgezogen; ein häutiger Rand füllte den Zwiſchenraum zwiſchen dem Fels und der äußeren Lippe der [Abbildung Laich der Uferſchnecke (Litorina littorea).] Schale aus, die Kiemen waren blos feucht und der Kiemenſack von jener anſehnlichen Menge Waſſers entleert, welche bei ſolchen Thieren dieſer Art darin vorhanden iſt, die mit ausgebreitetem Fuße am Felſen hängen. Gray beobachtete die Thiere in dieſem Erſtarrungszuſtande über eine Woche. Jn Seewaſſer gelegt, gewannen ſie in einigen Minuten ihre volle Thätigkeit wieder. Die Eier unſerer Litorinen beſtehen aus der kleinen Dotterkugel und einer beträchtlichen Maſſe Eiweiß, deſſen äußere Schicht zu einer Art von Eiſchale erſtarrt. Ein Haufen ſolcher Eier wird von einer eiweißartigen gallertigen Maſſe zuſammen- gehalten und an Tang oder Felſen angeklebt. Die Jungen erreichen ſchon im Ei eine weit vor- geſchrittene Entwicklung. Eine in den Sammlungen ſehr beliebte Conchylie iſt die Perſpectivſchnecke (Solarium), deren kreiſelförmiges Gehäus mit einem ſo tiefen Nabel verſehen iſt, daß man alle Windungen ſieht. Obgleich einige 20 Arten in den tropiſchen Meeren vorkommen, iſt weder über ihren Bau noch die Lebensweiſe etwas Genügendes bekannt. Mehrere Gattungen haben von der Geſtalt ihres napfförmigen Gehäuſes den Familiennamen der Mützenſchnecken (Capulidae) erhalten. Die Mündung iſt ſehr weit, ganzrandig und ungedeckelt, die Spitze oft durch eine kleine halbe oder ganze Windung unſymmetriſch. Am bekannteſten iſt die ungariſche Mütze (Capulus hungaricus) aus dem Mittelmeer und der Nordſee. Man ſieht im Grunde des Gehäuſes, wie bei faſt allen ſo geſtalteten Schnecken, eine hufeiſenförmige Figur, die Anſatzſtelle des ſehr entwickelten Schalenmuskels. Goſſe theilt mit, daß er dieſe „Freiheitskappe“ (Cap of Liberty), eine der ſeltneren Schnecken der nördlich gemäßigten 52*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 819. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/867>, abgerufen am 24.11.2024.