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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Paludina. Melania. Kammschnecke. Rissoa.

Mit der Sumpfschnecke (Paludina) kehren wir wieder zu unseren stehenden und fließenden
süßen Gewässern zurück. Jhre Gehäuse sind eiförmig oder kugelig-kegelförmig, mit stark gewölbten,
durch eine tiefe Nath vereinigten Umgängen und einem hornigen, concentrisch gestreiften Deckel.
Die allgemeinen Lebensverhältnisse giebt Roßmäßler so an: "Die Paludinen leben in Gräben,
Tümpeln, Teichen, Flüssen, namentlich der nördlichen Halbkugel, seltner in der südlichen, wo sie
durch die Ampullarien ersetzt werden; meist halten sie sich am Boden der Gewässer auf, wo sie
im Schlamm und an den Stengeln und Blättern der Gewächse herumkriechen. Bei warmem
Sonnenschein kommen sie auch wohl an die Oberfläche, wo sie zuweilen, wie die Limnäen, am
Wasserspiegel mit abwärts gekehrtem Gehäuse hinkriechen. Das Thier kann sich nicht soweit
aus dem Gehäuse herausstrecken, als die Limnäen, wobei der auf der Oberseite des Fußes
angeheftete Deckel weggehoben wird und mit dem Fuße hinter das Gehäuse zu liegen kommt,
dessen Wölbung des letzten Umgangs dann darauf ruht. Wenn sich das Thier dann wieder in
das Gehäus zurückzieht, so wird die Sohle in der Mitte zusammengebrochen und zusammengelegt
wie ein Buch". Die größte unserer einheimischen Arten, die lebendig gebärende Sumpf-
schnecke
(Paludina vivipara) wird bis 11/2 Zoll hoch. Auch bei ihr sollen, wie bei den anderen
Arten, die weiblichen Exemplare etwas größer als die Männchen sein, wovon man sich jedoch in jedem
gegebenen Falle deshalb schwer überzeugen kann, da an der Schale kein Zeichen ist, aus welchem
hervorginge, daß das Thier ausgewachsen. "Den ganzen Sommer hindurch kann man den Eier-
sack voll Embryonen und Eier in den verschiedensten Entwicklungsperioden finden, da die Geburt
der Nachkommenschaft nicht auf einmal, sondern allemal von nur je einem Jungen erfolgt. Der
zur Geburt reife Embryo hat schon ein 3 Linien langes und ebenso breites Gehäus von vier
Umgängen. Der Deckel ist sehr dünn und hat schon vollkommen die concentrischen Wachsthums-
ringe, die er durch das gleichmäßige Wachsthum mit dem Gehäuse erhalten hat."

Auch die kleinere lebendig gebärende Sumpfschnecke (Paludina achatina), hat im
Eihalter schon vollständig entwickelte Junge. Sie liebt mehr das fließende Wasser und kommt in der
Elbe, Spree, Rhein, Donau vor. Wir geben

[Abbildung] Zähnchen-Querreihe aus der Reibeplatte der
Achat-Sumpfschnecke.
anstehend eine der Querreihen aus der Reibe-
platte in starker Vergrößerung. Kleine Unter-
schiede machen sich bei den anderen Arten bemerk-
lich, theils in der Form der einzelnen Zähnchen und
Plättchen, theils in der gegenseitigen Stellung.
Die dritte der in Mitteleuropa gemeinenen Arten
ist die unreine Sumpfschnecke (Paludina
impura
), so genannt, weil ihr an sich durchscheinend
glattes und glänzendes, hellgelbliches Gehäus meist mit einem, nach der Beschaffenheit des Wassers
wechselnden Ueberzuge bedeckt ist.

An sie schließt sich in Bau und Lebensweise Melania sehr eng an, eine artenreiche, besonders
in den Gewässern der heißen Zone lebende Sippe, deren sehr verschieden gestaltetes Gehäus meist
mit einem glatten schwarzen Ueberzug bedeckt ist. Auch die Kammschnecke (Valvata) ist eine
solche nächste Verwandte. Es sind kleine Schnecken, welche fast nur in den süßen Gewässern
Europas und Nordamerikas vorkommen. Sie pflegen ihre kammförmig gesiederten Kiemen wie
einen kleinen Federbusch aus der Kiemenhöhle heraus zu stecken. Eine der häufigsten ist
Valvata piscinalis.

Bei den nun folgenden, mit zu den Paludinaceen gerechneten Sippen ist das Thier im
erwachsenen Zustande dem der vorigen Gattungen ähnlich, die Entwicklung ist aber dadurch
complicirter, daß die Jungen, gleich denen fast aller Seeschnecken, mit zwei großen bewimperten
Mundlappen versehen sind, mit Hülfe welcher sie behend schwimmen können. -- Durch Kleinheit
und Zierlichkeit ist die artenreiche Rissoa ausgezeichnet, die meisten mit thurmförmigem Gehäuse

Taschenberg und Schmidt, wirbellose Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 52
Paludina. Melania. Kammſchnecke. Riſſoa.

Mit der Sumpfſchnecke (Paludina) kehren wir wieder zu unſeren ſtehenden und fließenden
ſüßen Gewäſſern zurück. Jhre Gehäuſe ſind eiförmig oder kugelig-kegelförmig, mit ſtark gewölbten,
durch eine tiefe Nath vereinigten Umgängen und einem hornigen, concentriſch geſtreiften Deckel.
Die allgemeinen Lebensverhältniſſe giebt Roßmäßler ſo an: „Die Paludinen leben in Gräben,
Tümpeln, Teichen, Flüſſen, namentlich der nördlichen Halbkugel, ſeltner in der ſüdlichen, wo ſie
durch die Ampullarien erſetzt werden; meiſt halten ſie ſich am Boden der Gewäſſer auf, wo ſie
im Schlamm und an den Stengeln und Blättern der Gewächſe herumkriechen. Bei warmem
Sonnenſchein kommen ſie auch wohl an die Oberfläche, wo ſie zuweilen, wie die Limnäen, am
Waſſerſpiegel mit abwärts gekehrtem Gehäuſe hinkriechen. Das Thier kann ſich nicht ſoweit
aus dem Gehäuſe herausſtrecken, als die Limnäen, wobei der auf der Oberſeite des Fußes
angeheftete Deckel weggehoben wird und mit dem Fuße hinter das Gehäuſe zu liegen kommt,
deſſen Wölbung des letzten Umgangs dann darauf ruht. Wenn ſich das Thier dann wieder in
das Gehäus zurückzieht, ſo wird die Sohle in der Mitte zuſammengebrochen und zuſammengelegt
wie ein Buch“. Die größte unſerer einheimiſchen Arten, die lebendig gebärende Sumpf-
ſchnecke
(Paludina vivipara) wird bis 1½ Zoll hoch. Auch bei ihr ſollen, wie bei den anderen
Arten, die weiblichen Exemplare etwas größer als die Männchen ſein, wovon man ſich jedoch in jedem
gegebenen Falle deshalb ſchwer überzeugen kann, da an der Schale kein Zeichen iſt, aus welchem
hervorginge, daß das Thier ausgewachſen. „Den ganzen Sommer hindurch kann man den Eier-
ſack voll Embryonen und Eier in den verſchiedenſten Entwicklungsperioden finden, da die Geburt
der Nachkommenſchaft nicht auf einmal, ſondern allemal von nur je einem Jungen erfolgt. Der
zur Geburt reife Embryo hat ſchon ein 3 Linien langes und ebenſo breites Gehäus von vier
Umgängen. Der Deckel iſt ſehr dünn und hat ſchon vollkommen die concentriſchen Wachsthums-
ringe, die er durch das gleichmäßige Wachsthum mit dem Gehäuſe erhalten hat.“

Auch die kleinere lebendig gebärende Sumpfſchnecke (Paludina achatina), hat im
Eihalter ſchon vollſtändig entwickelte Junge. Sie liebt mehr das fließende Waſſer und kommt in der
Elbe, Spree, Rhein, Donau vor. Wir geben

[Abbildung] Zähnchen-Querreihe aus der Reibeplatte der
Achat-Sumpfſchnecke.
anſtehend eine der Querreihen aus der Reibe-
platte in ſtarker Vergrößerung. Kleine Unter-
ſchiede machen ſich bei den anderen Arten bemerk-
lich, theils in der Form der einzelnen Zähnchen und
Plättchen, theils in der gegenſeitigen Stellung.
Die dritte der in Mitteleuropa gemeinenen Arten
iſt die unreine Sumpfſchnecke (Paludina
impura
), ſo genannt, weil ihr an ſich durchſcheinend
glattes und glänzendes, hellgelbliches Gehäus meiſt mit einem, nach der Beſchaffenheit des Waſſers
wechſelnden Ueberzuge bedeckt iſt.

An ſie ſchließt ſich in Bau und Lebensweiſe Melania ſehr eng an, eine artenreiche, beſonders
in den Gewäſſern der heißen Zone lebende Sippe, deren ſehr verſchieden geſtaltetes Gehäus meiſt
mit einem glatten ſchwarzen Ueberzug bedeckt iſt. Auch die Kammſchnecke (Valvata) iſt eine
ſolche nächſte Verwandte. Es ſind kleine Schnecken, welche faſt nur in den ſüßen Gewäſſern
Europas und Nordamerikas vorkommen. Sie pflegen ihre kammförmig geſiederten Kiemen wie
einen kleinen Federbuſch aus der Kiemenhöhle heraus zu ſtecken. Eine der häufigſten iſt
Valvata piscinalis.

Bei den nun folgenden, mit zu den Paludinaceen gerechneten Sippen iſt das Thier im
erwachſenen Zuſtande dem der vorigen Gattungen ähnlich, die Entwicklung iſt aber dadurch
complicirter, daß die Jungen, gleich denen faſt aller Seeſchnecken, mit zwei großen bewimperten
Mundlappen verſehen ſind, mit Hülfe welcher ſie behend ſchwimmen können. — Durch Kleinheit
und Zierlichkeit iſt die artenreiche Rissoa ausgezeichnet, die meiſten mit thurmförmigem Gehäuſe

Taſchenberg und Schmidt, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 52
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[817/0865] Paludina. Melania. Kammſchnecke. Riſſoa. Mit der Sumpfſchnecke (Paludina) kehren wir wieder zu unſeren ſtehenden und fließenden ſüßen Gewäſſern zurück. Jhre Gehäuſe ſind eiförmig oder kugelig-kegelförmig, mit ſtark gewölbten, durch eine tiefe Nath vereinigten Umgängen und einem hornigen, concentriſch geſtreiften Deckel. Die allgemeinen Lebensverhältniſſe giebt Roßmäßler ſo an: „Die Paludinen leben in Gräben, Tümpeln, Teichen, Flüſſen, namentlich der nördlichen Halbkugel, ſeltner in der ſüdlichen, wo ſie durch die Ampullarien erſetzt werden; meiſt halten ſie ſich am Boden der Gewäſſer auf, wo ſie im Schlamm und an den Stengeln und Blättern der Gewächſe herumkriechen. Bei warmem Sonnenſchein kommen ſie auch wohl an die Oberfläche, wo ſie zuweilen, wie die Limnäen, am Waſſerſpiegel mit abwärts gekehrtem Gehäuſe hinkriechen. Das Thier kann ſich nicht ſoweit aus dem Gehäuſe herausſtrecken, als die Limnäen, wobei der auf der Oberſeite des Fußes angeheftete Deckel weggehoben wird und mit dem Fuße hinter das Gehäuſe zu liegen kommt, deſſen Wölbung des letzten Umgangs dann darauf ruht. Wenn ſich das Thier dann wieder in das Gehäus zurückzieht, ſo wird die Sohle in der Mitte zuſammengebrochen und zuſammengelegt wie ein Buch“. Die größte unſerer einheimiſchen Arten, die lebendig gebärende Sumpf- ſchnecke (Paludina vivipara) wird bis 1½ Zoll hoch. Auch bei ihr ſollen, wie bei den anderen Arten, die weiblichen Exemplare etwas größer als die Männchen ſein, wovon man ſich jedoch in jedem gegebenen Falle deshalb ſchwer überzeugen kann, da an der Schale kein Zeichen iſt, aus welchem hervorginge, daß das Thier ausgewachſen. „Den ganzen Sommer hindurch kann man den Eier- ſack voll Embryonen und Eier in den verſchiedenſten Entwicklungsperioden finden, da die Geburt der Nachkommenſchaft nicht auf einmal, ſondern allemal von nur je einem Jungen erfolgt. Der zur Geburt reife Embryo hat ſchon ein 3 Linien langes und ebenſo breites Gehäus von vier Umgängen. Der Deckel iſt ſehr dünn und hat ſchon vollkommen die concentriſchen Wachsthums- ringe, die er durch das gleichmäßige Wachsthum mit dem Gehäuſe erhalten hat.“ Auch die kleinere lebendig gebärende Sumpfſchnecke (Paludina achatina), hat im Eihalter ſchon vollſtändig entwickelte Junge. Sie liebt mehr das fließende Waſſer und kommt in der Elbe, Spree, Rhein, Donau vor. Wir geben [Abbildung Zähnchen-Querreihe aus der Reibeplatte der Achat-Sumpfſchnecke.] anſtehend eine der Querreihen aus der Reibe- platte in ſtarker Vergrößerung. Kleine Unter- ſchiede machen ſich bei den anderen Arten bemerk- lich, theils in der Form der einzelnen Zähnchen und Plättchen, theils in der gegenſeitigen Stellung. Die dritte der in Mitteleuropa gemeinenen Arten iſt die unreine Sumpfſchnecke (Paludina impura), ſo genannt, weil ihr an ſich durchſcheinend glattes und glänzendes, hellgelbliches Gehäus meiſt mit einem, nach der Beſchaffenheit des Waſſers wechſelnden Ueberzuge bedeckt iſt. An ſie ſchließt ſich in Bau und Lebensweiſe Melania ſehr eng an, eine artenreiche, beſonders in den Gewäſſern der heißen Zone lebende Sippe, deren ſehr verſchieden geſtaltetes Gehäus meiſt mit einem glatten ſchwarzen Ueberzug bedeckt iſt. Auch die Kammſchnecke (Valvata) iſt eine ſolche nächſte Verwandte. Es ſind kleine Schnecken, welche faſt nur in den ſüßen Gewäſſern Europas und Nordamerikas vorkommen. Sie pflegen ihre kammförmig geſiederten Kiemen wie einen kleinen Federbuſch aus der Kiemenhöhle heraus zu ſtecken. Eine der häufigſten iſt Valvata piscinalis. Bei den nun folgenden, mit zu den Paludinaceen gerechneten Sippen iſt das Thier im erwachſenen Zuſtande dem der vorigen Gattungen ähnlich, die Entwicklung iſt aber dadurch complicirter, daß die Jungen, gleich denen faſt aller Seeſchnecken, mit zwei großen bewimperten Mundlappen verſehen ſind, mit Hülfe welcher ſie behend ſchwimmen können. — Durch Kleinheit und Zierlichkeit iſt die artenreiche Rissoa ausgezeichnet, die meiſten mit thurmförmigem Gehäuſe Taſchenberg und Schmidt, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 52

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 817. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/865>, abgerufen am 23.11.2024.