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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Bandwürmer.
in meiner Umgebung in Gratz ist Taenia mediocanellata offenbar die häufigere Form des Band-
wurmes; Schweinefleisch in Form von Wurst und Bratwurst, wie in Thüringen, ißt man wenig
oder gar nicht, aber ein den Jmport jener Art im höchsten Grade begünstigendes Gericht habe
ich kennen gelernt, gehacktes rohes Rindfleisch, bloß mit Gewürzen und Essig und Oel servirt.

Von den Bandwürmern mit einem Blasenwurmzustand gleich der Finne, nämlich dem, wo
die Blase nur einen einzigen Bandwurmkopf knospen läßt, sind noch einige bei Hund und Katze
vorkommende besonders erwähnenswerth. Die im Hunde geschlechtsreif werdende Taenia marginata
ist zwar als solche dem Menschen nicht gefährlich, aber gelegentlich kommt ihre, sonst gewöhnlich
im Netz und in der Leber der Wiederkäuer und Schweine lebende Finne, den älteren Systematikern
als Cysticercus tenuicollis bekannt, auch im Menschen vor. Der häufigste Bandwurm des Hundes
ist aber die Taenia serrata, ausgezeichnet durch eine doppelte Reihe größerer und kleinerer Haken.
Als Blasenwurm lebt er im Hasen und Kaninchen. Die zahllosen Versuche, bei welchen Hund
und Kaninchen den Boden abgeben, auf welchem Taenia serrata erzogen wurde, haben vorzugs-
weise zur Aufhellung der Bandwurmangelegenheit beigetragen. Der bei der Katze gemeinste ist
Taenia crassicollis, mit starkem Kopf, kurzem und dickem Halse. Das Sprichwort: Wenn die
Katze nicht zu Haus, tanzen die Mäuse, -- nimmt keine Rücksicht auf die in der Maus ver-
borgene Finne (den sogenannten Cysticercus fasciolaris), deren gute Zeit erst anhebt, wenn die
Maus von der Katze gefressen ist.



Ein wegen seines Blasenwurmzustandes sehr interessanter und noch mehr berüchtigter Band-
wurm ist die auch ausschließlich im Hunde geschlechtsreif werdende Taenia coenurus. Wir kennen
diese Stufe erst seit der neueren Zeit, als die Bandwurmuntersuchungen in Gang kamen. Längst
aber ist der Blasenwurmzustand als Quese oder Drehwurm (Coenurus) bekannt, welcher, im
Gehirn der Schafe sich aufhaltend, die Drehkrankheit dieser Thiere verursacht. Man hat den
Verlauf der Krankheit natürlich auch durch den Versuch festgestellt. Bei den Schafen, welchen
man die betreffenden Eier eingegeben, zeigen sich nach 17 Tagen die ersten Symptome der Dreh-
krankheit. Man findet alsdann in ihrem Gehirn schon die kleinen, erbsengroßen Bläschen, zu
welchen die sechshakigen Embryone geworden sind. Es entsteht aber an diesen Blasen nicht blos,
wie bei der Finne, ein einziger Bandwurmkopf, sondern gleich eine Gruppe von dreien oder
vieren, bald aber mehr und mehr, indem theils an anderen Stellen der Blase andere Gruppen
hervorwachsen, theils, unter Ausdehnung der Blase, neue Köpfe zwischen den älteren sprossen,
so daß ihre Anzahl sich schließlich auf mehrere Hunderte belaufen kann. Der Druck und Reiz,
den der Blasenwurm auf seine Umgebungen ausübt, verursacht jene Entzündungen und Entartungen
des Gehirns, welche sich unter andern in dem Drehen der Schafe äußern und mit dem Tode
derselben endigen. Der Ausbreitung und der Wiederkehr der Krankheit kann natürlich nur dadurch
einigermaßen vorgebeugt werden, daß wenigstens die Köpfe der gefallenen oder getödteten Schafe
sorgfältig vergraben und den Hunden unzugänglich gemacht werden. Jn dem Dorfe, in dem ich
meine Kindheit verlebte, gab es jahraus jahrein drehkranke Schafe. Es war aber auch ein
offener Schindanger keine Viertelstunde entfernt, auf welchem sich des Nachts alle losgelassenen
Hof- und Hirtenhunde das Rendezvous gaben. Damals hatte man noch keine Ahnung, wie eben
diese Hunde das Uebel wieder auf die Weide und in den Hof und Stall bringen könnten. Jetzt
aber läßt sich eine solche Polizei üben, daß fast nur noch durch fremde Hunde der Drehwurm
einzuschleppen ist. Die Auflösung der Drehwurmblase geht im Magen des Hundes sehr rasch vor
sich, alle Köpfchen werden frei, jedes gründet eine Kettenkolonie, und aus dem einen Ei, welches
zum Drehwurm sich entwickelte, ist am Schluß der Bandwurmentwickelung eine vieltausendfältige
Nachkommenschaft hervorgegangen.



Bandwürmer.
in meiner Umgebung in Gratz iſt Taenia mediocanellata offenbar die häufigere Form des Band-
wurmes; Schweinefleiſch in Form von Wurſt und Bratwurſt, wie in Thüringen, ißt man wenig
oder gar nicht, aber ein den Jmport jener Art im höchſten Grade begünſtigendes Gericht habe
ich kennen gelernt, gehacktes rohes Rindfleiſch, bloß mit Gewürzen und Eſſig und Oel ſervirt.

Von den Bandwürmern mit einem Blaſenwurmzuſtand gleich der Finne, nämlich dem, wo
die Blaſe nur einen einzigen Bandwurmkopf knospen läßt, ſind noch einige bei Hund und Katze
vorkommende beſonders erwähnenswerth. Die im Hunde geſchlechtsreif werdende Taenia marginata
iſt zwar als ſolche dem Menſchen nicht gefährlich, aber gelegentlich kommt ihre, ſonſt gewöhnlich
im Netz und in der Leber der Wiederkäuer und Schweine lebende Finne, den älteren Syſtematikern
als Cysticercus tenuicollis bekannt, auch im Menſchen vor. Der häufigſte Bandwurm des Hundes
iſt aber die Taenia serrata, ausgezeichnet durch eine doppelte Reihe größerer und kleinerer Haken.
Als Blaſenwurm lebt er im Haſen und Kaninchen. Die zahlloſen Verſuche, bei welchen Hund
und Kaninchen den Boden abgeben, auf welchem Taenia serrata erzogen wurde, haben vorzugs-
weiſe zur Aufhellung der Bandwurmangelegenheit beigetragen. Der bei der Katze gemeinſte iſt
Taenia crassicollis, mit ſtarkem Kopf, kurzem und dickem Halſe. Das Sprichwort: Wenn die
Katze nicht zu Haus, tanzen die Mäuſe, — nimmt keine Rückſicht auf die in der Maus ver-
borgene Finne (den ſogenannten Cysticercus fasciolaris), deren gute Zeit erſt anhebt, wenn die
Maus von der Katze gefreſſen iſt.



Ein wegen ſeines Blaſenwurmzuſtandes ſehr intereſſanter und noch mehr berüchtigter Band-
wurm iſt die auch ausſchließlich im Hunde geſchlechtsreif werdende Taenia coenurus. Wir kennen
dieſe Stufe erſt ſeit der neueren Zeit, als die Bandwurmunterſuchungen in Gang kamen. Längſt
aber iſt der Blaſenwurmzuſtand als Queſe oder Drehwurm (Coenurus) bekannt, welcher, im
Gehirn der Schafe ſich aufhaltend, die Drehkrankheit dieſer Thiere verurſacht. Man hat den
Verlauf der Krankheit natürlich auch durch den Verſuch feſtgeſtellt. Bei den Schafen, welchen
man die betreffenden Eier eingegeben, zeigen ſich nach 17 Tagen die erſten Symptome der Dreh-
krankheit. Man findet alsdann in ihrem Gehirn ſchon die kleinen, erbſengroßen Bläschen, zu
welchen die ſechshakigen Embryone geworden ſind. Es entſteht aber an dieſen Blaſen nicht blos,
wie bei der Finne, ein einziger Bandwurmkopf, ſondern gleich eine Gruppe von dreien oder
vieren, bald aber mehr und mehr, indem theils an anderen Stellen der Blaſe andere Gruppen
hervorwachſen, theils, unter Ausdehnung der Blaſe, neue Köpfe zwiſchen den älteren ſproſſen,
ſo daß ihre Anzahl ſich ſchließlich auf mehrere Hunderte belaufen kann. Der Druck und Reiz,
den der Blaſenwurm auf ſeine Umgebungen ausübt, verurſacht jene Entzündungen und Entartungen
des Gehirns, welche ſich unter andern in dem Drehen der Schafe äußern und mit dem Tode
derſelben endigen. Der Ausbreitung und der Wiederkehr der Krankheit kann natürlich nur dadurch
einigermaßen vorgebeugt werden, daß wenigſtens die Köpfe der gefallenen oder getödteten Schafe
ſorgfältig vergraben und den Hunden unzugänglich gemacht werden. Jn dem Dorfe, in dem ich
meine Kindheit verlebte, gab es jahraus jahrein drehkranke Schafe. Es war aber auch ein
offener Schindanger keine Viertelſtunde entfernt, auf welchem ſich des Nachts alle losgelaſſenen
Hof- und Hirtenhunde das Rendezvous gaben. Damals hatte man noch keine Ahnung, wie eben
dieſe Hunde das Uebel wieder auf die Weide und in den Hof und Stall bringen könnten. Jetzt
aber läßt ſich eine ſolche Polizei üben, daß faſt nur noch durch fremde Hunde der Drehwurm
einzuſchleppen iſt. Die Auflöſung der Drehwurmblaſe geht im Magen des Hundes ſehr raſch vor
ſich, alle Köpfchen werden frei, jedes gründet eine Kettenkolonie, und aus dem einen Ei, welches
zum Drehwurm ſich entwickelte, iſt am Schluß der Bandwurmentwickelung eine vieltauſendfältige
Nachkommenſchaft hervorgegangen.



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[752/0796] Bandwürmer. in meiner Umgebung in Gratz iſt Taenia mediocanellata offenbar die häufigere Form des Band- wurmes; Schweinefleiſch in Form von Wurſt und Bratwurſt, wie in Thüringen, ißt man wenig oder gar nicht, aber ein den Jmport jener Art im höchſten Grade begünſtigendes Gericht habe ich kennen gelernt, gehacktes rohes Rindfleiſch, bloß mit Gewürzen und Eſſig und Oel ſervirt. Von den Bandwürmern mit einem Blaſenwurmzuſtand gleich der Finne, nämlich dem, wo die Blaſe nur einen einzigen Bandwurmkopf knospen läßt, ſind noch einige bei Hund und Katze vorkommende beſonders erwähnenswerth. Die im Hunde geſchlechtsreif werdende Taenia marginata iſt zwar als ſolche dem Menſchen nicht gefährlich, aber gelegentlich kommt ihre, ſonſt gewöhnlich im Netz und in der Leber der Wiederkäuer und Schweine lebende Finne, den älteren Syſtematikern als Cysticercus tenuicollis bekannt, auch im Menſchen vor. Der häufigſte Bandwurm des Hundes iſt aber die Taenia serrata, ausgezeichnet durch eine doppelte Reihe größerer und kleinerer Haken. Als Blaſenwurm lebt er im Haſen und Kaninchen. Die zahlloſen Verſuche, bei welchen Hund und Kaninchen den Boden abgeben, auf welchem Taenia serrata erzogen wurde, haben vorzugs- weiſe zur Aufhellung der Bandwurmangelegenheit beigetragen. Der bei der Katze gemeinſte iſt Taenia crassicollis, mit ſtarkem Kopf, kurzem und dickem Halſe. Das Sprichwort: Wenn die Katze nicht zu Haus, tanzen die Mäuſe, — nimmt keine Rückſicht auf die in der Maus ver- borgene Finne (den ſogenannten Cysticercus fasciolaris), deren gute Zeit erſt anhebt, wenn die Maus von der Katze gefreſſen iſt. Ein wegen ſeines Blaſenwurmzuſtandes ſehr intereſſanter und noch mehr berüchtigter Band- wurm iſt die auch ausſchließlich im Hunde geſchlechtsreif werdende Taenia coenurus. Wir kennen dieſe Stufe erſt ſeit der neueren Zeit, als die Bandwurmunterſuchungen in Gang kamen. Längſt aber iſt der Blaſenwurmzuſtand als Queſe oder Drehwurm (Coenurus) bekannt, welcher, im Gehirn der Schafe ſich aufhaltend, die Drehkrankheit dieſer Thiere verurſacht. Man hat den Verlauf der Krankheit natürlich auch durch den Verſuch feſtgeſtellt. Bei den Schafen, welchen man die betreffenden Eier eingegeben, zeigen ſich nach 17 Tagen die erſten Symptome der Dreh- krankheit. Man findet alsdann in ihrem Gehirn ſchon die kleinen, erbſengroßen Bläschen, zu welchen die ſechshakigen Embryone geworden ſind. Es entſteht aber an dieſen Blaſen nicht blos, wie bei der Finne, ein einziger Bandwurmkopf, ſondern gleich eine Gruppe von dreien oder vieren, bald aber mehr und mehr, indem theils an anderen Stellen der Blaſe andere Gruppen hervorwachſen, theils, unter Ausdehnung der Blaſe, neue Köpfe zwiſchen den älteren ſproſſen, ſo daß ihre Anzahl ſich ſchließlich auf mehrere Hunderte belaufen kann. Der Druck und Reiz, den der Blaſenwurm auf ſeine Umgebungen ausübt, verurſacht jene Entzündungen und Entartungen des Gehirns, welche ſich unter andern in dem Drehen der Schafe äußern und mit dem Tode derſelben endigen. Der Ausbreitung und der Wiederkehr der Krankheit kann natürlich nur dadurch einigermaßen vorgebeugt werden, daß wenigſtens die Köpfe der gefallenen oder getödteten Schafe ſorgfältig vergraben und den Hunden unzugänglich gemacht werden. Jn dem Dorfe, in dem ich meine Kindheit verlebte, gab es jahraus jahrein drehkranke Schafe. Es war aber auch ein offener Schindanger keine Viertelſtunde entfernt, auf welchem ſich des Nachts alle losgelaſſenen Hof- und Hirtenhunde das Rendezvous gaben. Damals hatte man noch keine Ahnung, wie eben dieſe Hunde das Uebel wieder auf die Weide und in den Hof und Stall bringen könnten. Jetzt aber läßt ſich eine ſolche Polizei üben, daß faſt nur noch durch fremde Hunde der Drehwurm einzuſchleppen iſt. Die Auflöſung der Drehwurmblaſe geht im Magen des Hundes ſehr raſch vor ſich, alle Köpfchen werden frei, jedes gründet eine Kettenkolonie, und aus dem einen Ei, welches zum Drehwurm ſich entwickelte, iſt am Schluß der Bandwurmentwickelung eine vieltauſendfältige Nachkommenſchaft hervorgegangen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 752. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/796>, abgerufen am 23.11.2024.