Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Medicinischer Blutegel. Pferdeegel. Ceylonischer Egel.
Sie werden besonders im nordwestlichen Marocco regelmäßig gefangen und über Gibraltar nach
England und Südamerika ausgeführt. Jn den französischen Besitzungen am Senegal bedient man
sich der kleinen Hirudo mysomelas, die kontraktlich von den Negern an die Spitäler abgeliefert
werden. Wiederum in Jndien, in Pondichery, hat man eine dort einheimische Art, Hirudo
granulosa,
zur Verfügung. Sie sind jedoch etwas kolossal und beißen so stark zu, daß man oft
Mühe hat, die Blutung zu stillen. Auch Nordamerika hat einige einheimische Arten.



Ein gleich ausgedehntes Verbreitungsgebiet hat der Pferdeegel (Haemopis vorax) mit
weniger flachem, an den Rändern nicht scharf gesägtem Leibe und stumpferen Zähnen. Auch unter-
scheidet ihn seine dunklere, fast schwarze Farbe; die Längsbinden auf dem Rücken fehlen, die
Seiten sind mit einer gelben Linie eingefaßt. Jn Nordafrika werden diese Thiere zu einer furcht-
baren Plage für Pferde und Rinder, worüber der französische Arzt Guyon genauere Mittheilungen
gemacht hat. Bei einem Ochsen fanden sich 27 Stück im Maule, der Rachenhöhle, im Kehlkopf
und der Luftröhre. Noch zwei Stunden nach dem Tode des Ochsen hafteten sie an ihm und sogen
eifrig Blut, den Kopf abwechselnd in eine der zahlreichen Wunden senkend, die jeder einzelne Egel
gemacht. Wenn es daher auch nicht buchstäblich zu nehmen, was das Volk sagt, daß sechs dieser
Egel ein Pferd zu tödten im Stande seien, so können sie ihm wenigstens Todesqualen verursachen. --
Man verwechselt oft mit ihm eine mit ihm zusammen lebende Gattung und Art, Aulacostomum
gulo,
deren schwärzlich grüner Körper sich nach vorn sehr verjüngt, dessen Zähne noch sparsamer
und stumpfer sind, und dessen Magen nur am Ende ein Paar enge Blindsäcke hat. -- Der häufigste
Bewohner unserer Teiche und vieler fließender, schilfbewachsener und mit den Blättern der Teichrose
bedeckter Gewässer aus dieser Familie ist Nephelis, ein gegen zwei Zoll lang werdender Egel mit
flachem Körper und undeutlicher Ringelung, vier Paar Augen und zahnlosem Schlunde. Daß
die jüngeren, röthlich durchschimmernden Exemplare dieser Nephelis vulgaris sich besonders gut
zur Beobachtung des Blutlaufes eignen, wurde oben bemerkt.

Wir können dieses Kapitel nicht würdiger schließen, als mit der Schilderung jener kleinen
verrufenen Blutsauger Ceylons, von welchen Schmarda in seiner Reise um die Erde Folgendes
mittheilt. "Die Plagen, welche die Schaben und Mücken verursachen, sind nichts gegen die
viel größere, die den Wanderer überall verfolgt; denn in den Wäldern und Wiesen wimmelt es
von kleinen Landblutegeln; es ist die Hirudo coyloniea älterer Berichterstatter. Sie leben im
Grase, unter abgefallenen Blättern und Steinen, auch auf Bäumen und Sträuchern. Sie sind
äußerst schnell in ihren Bewegungen und müssen ihre Beute schon aus einiger Entfernung wittern.
Sobald sie einen Meuschen oder ein Thier wahrnehmen, kommen sie aus der ganzen Nachbarschaft
und stürzen sich auf ihre Beute. Das Aussaugen des Blutes merkt man oft kaum. Nach einigen
Stunden sind sie vollgesogen und fallen dann von selbst ab. Die Eingeborenen, welche uns beglei-
teten, bestrichen solche Stellen mit Aetzkalk, den sie in ihrer Betelbüchse mit sich führen, oder mit
dem durch Betel und Kalk scharf gewordenen Speichel. Jch fand es natürlich, daß eine heftige
Entzündung darauf eintritt und erklärte mir leicht die tiefen Geschwüre, welche viele von den
Eingeborenen an ihren Füßen haben. Viele betrachten den Saft einer Citrone (Citrus tuberoides)
als ein Specificum. Alle diese Dinge sind recht gut, um durch Betropfen die Blutegel zum
Abfallen zu bringen, müssen aber in der Bißwunde Reizung hervorbringen. Besonders unangehm
ist es, daß die Blutegel solche Stellen am liebsten aufsuchen, wo ihre Vorgänger schon eine gute
Weide gefunden haben, da die entzündete, mit Blut unterlaufene und wärmere Haut sie lockt.
Um sich gegen den Angriff dieses kleinen, aber fürchterlichen Feindes zu sichern, ist es unab-
weislich, besonders die Füße zu schützen. Dieses geschieht durch lederne oder dicke, wollene Strümpfe,

Mediciniſcher Blutegel. Pferdeegel. Ceyloniſcher Egel.
Sie werden beſonders im nordweſtlichen Marocco regelmäßig gefangen und über Gibraltar nach
England und Südamerika ausgeführt. Jn den franzöſiſchen Beſitzungen am Senegal bedient man
ſich der kleinen Hirudo mysomelas, die kontraktlich von den Negern an die Spitäler abgeliefert
werden. Wiederum in Jndien, in Pondichery, hat man eine dort einheimiſche Art, Hirudo
granulosa,
zur Verfügung. Sie ſind jedoch etwas koloſſal und beißen ſo ſtark zu, daß man oft
Mühe hat, die Blutung zu ſtillen. Auch Nordamerika hat einige einheimiſche Arten.



Ein gleich ausgedehntes Verbreitungsgebiet hat der Pferdeegel (Haemopis vorax) mit
weniger flachem, an den Rändern nicht ſcharf geſägtem Leibe und ſtumpferen Zähnen. Auch unter-
ſcheidet ihn ſeine dunklere, faſt ſchwarze Farbe; die Längsbinden auf dem Rücken fehlen, die
Seiten ſind mit einer gelben Linie eingefaßt. Jn Nordafrika werden dieſe Thiere zu einer furcht-
baren Plage für Pferde und Rinder, worüber der franzöſiſche Arzt Guyon genauere Mittheilungen
gemacht hat. Bei einem Ochſen fanden ſich 27 Stück im Maule, der Rachenhöhle, im Kehlkopf
und der Luftröhre. Noch zwei Stunden nach dem Tode des Ochſen hafteten ſie an ihm und ſogen
eifrig Blut, den Kopf abwechſelnd in eine der zahlreichen Wunden ſenkend, die jeder einzelne Egel
gemacht. Wenn es daher auch nicht buchſtäblich zu nehmen, was das Volk ſagt, daß ſechs dieſer
Egel ein Pferd zu tödten im Stande ſeien, ſo können ſie ihm wenigſtens Todesqualen verurſachen. —
Man verwechſelt oft mit ihm eine mit ihm zuſammen lebende Gattung und Art, Aulacostomum
gulo,
deren ſchwärzlich grüner Körper ſich nach vorn ſehr verjüngt, deſſen Zähne noch ſparſamer
und ſtumpfer ſind, und deſſen Magen nur am Ende ein Paar enge Blindſäcke hat. — Der häufigſte
Bewohner unſerer Teiche und vieler fließender, ſchilfbewachſener und mit den Blättern der Teichroſe
bedeckter Gewäſſer aus dieſer Familie iſt Nephelis, ein gegen zwei Zoll lang werdender Egel mit
flachem Körper und undeutlicher Ringelung, vier Paar Augen und zahnloſem Schlunde. Daß
die jüngeren, röthlich durchſchimmernden Exemplare dieſer Nephelis vulgaris ſich beſonders gut
zur Beobachtung des Blutlaufes eignen, wurde oben bemerkt.

Wir können dieſes Kapitel nicht würdiger ſchließen, als mit der Schilderung jener kleinen
verrufenen Blutſauger Ceylons, von welchen Schmarda in ſeiner Reiſe um die Erde Folgendes
mittheilt. „Die Plagen, welche die Schaben und Mücken verurſachen, ſind nichts gegen die
viel größere, die den Wanderer überall verfolgt; denn in den Wäldern und Wieſen wimmelt es
von kleinen Landblutegeln; es iſt die Hirudo coyloniea älterer Berichterſtatter. Sie leben im
Graſe, unter abgefallenen Blättern und Steinen, auch auf Bäumen und Sträuchern. Sie ſind
äußerſt ſchnell in ihren Bewegungen und müſſen ihre Beute ſchon aus einiger Entfernung wittern.
Sobald ſie einen Meuſchen oder ein Thier wahrnehmen, kommen ſie aus der ganzen Nachbarſchaft
und ſtürzen ſich auf ihre Beute. Das Ausſaugen des Blutes merkt man oft kaum. Nach einigen
Stunden ſind ſie vollgeſogen und fallen dann von ſelbſt ab. Die Eingeborenen, welche uns beglei-
teten, beſtrichen ſolche Stellen mit Aetzkalk, den ſie in ihrer Betelbüchſe mit ſich führen, oder mit
dem durch Betel und Kalk ſcharf gewordenen Speichel. Jch fand es natürlich, daß eine heftige
Entzündung darauf eintritt und erklärte mir leicht die tiefen Geſchwüre, welche viele von den
Eingeborenen an ihren Füßen haben. Viele betrachten den Saft einer Citrone (Citrus tuberoides)
als ein Specificum. Alle dieſe Dinge ſind recht gut, um durch Betropfen die Blutegel zum
Abfallen zu bringen, müſſen aber in der Bißwunde Reizung hervorbringen. Beſonders unangehm
iſt es, daß die Blutegel ſolche Stellen am liebſten aufſuchen, wo ihre Vorgänger ſchon eine gute
Weide gefunden haben, da die entzündete, mit Blut unterlaufene und wärmere Haut ſie lockt.
Um ſich gegen den Angriff dieſes kleinen, aber fürchterlichen Feindes zu ſichern, iſt es unab-
weislich, beſonders die Füße zu ſchützen. Dieſes geſchieht durch lederne oder dicke, wollene Strümpfe,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <div n="3">
                <p><pb facs="#f0747" n="703"/><fw place="top" type="header">Medicini&#x017F;cher Blutegel. Pferdeegel. Ceyloni&#x017F;cher Egel.</fw><lb/>
Sie werden be&#x017F;onders im nordwe&#x017F;tlichen Marocco regelmäßig gefangen und über Gibraltar nach<lb/>
England und Südamerika ausgeführt. Jn den franzö&#x017F;i&#x017F;chen Be&#x017F;itzungen am Senegal bedient man<lb/>
&#x017F;ich der kleinen <hi rendition="#aq">Hirudo mysomelas,</hi> die kontraktlich von den Negern an die Spitäler abgeliefert<lb/>
werden. Wiederum in Jndien, in Pondichery, hat man eine dort einheimi&#x017F;che Art, <hi rendition="#aq">Hirudo<lb/>
granulosa,</hi> zur Verfügung. Sie &#x017F;ind jedoch etwas kolo&#x017F;&#x017F;al und beißen &#x017F;o &#x017F;tark zu, daß man oft<lb/>
Mühe hat, die Blutung zu &#x017F;tillen. Auch Nordamerika hat einige einheimi&#x017F;che Arten.</p><lb/>
                <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
                <p>Ein gleich ausgedehntes Verbreitungsgebiet hat der <hi rendition="#g">Pferdeegel</hi> (<hi rendition="#aq">Haemopis vorax</hi>) mit<lb/>
weniger flachem, an den Rändern nicht &#x017F;charf ge&#x017F;ägtem Leibe und &#x017F;tumpferen Zähnen. Auch unter-<lb/>
&#x017F;cheidet ihn &#x017F;eine dunklere, fa&#x017F;t &#x017F;chwarze Farbe; die Längsbinden auf dem Rücken fehlen, die<lb/>
Seiten &#x017F;ind mit einer gelben Linie eingefaßt. Jn Nordafrika werden die&#x017F;e Thiere zu einer furcht-<lb/>
baren Plage für Pferde und Rinder, worüber der franzö&#x017F;i&#x017F;che Arzt <hi rendition="#g">Guyon</hi> genauere Mittheilungen<lb/>
gemacht hat. Bei einem Och&#x017F;en fanden &#x017F;ich 27 Stück im Maule, der Rachenhöhle, im Kehlkopf<lb/>
und der Luftröhre. Noch zwei Stunden nach dem Tode des Och&#x017F;en hafteten &#x017F;ie an ihm und &#x017F;ogen<lb/>
eifrig Blut, den Kopf abwech&#x017F;elnd in eine der zahlreichen Wunden &#x017F;enkend, die jeder einzelne Egel<lb/>
gemacht. Wenn es daher auch nicht buch&#x017F;täblich zu nehmen, was das Volk &#x017F;agt, daß &#x017F;echs die&#x017F;er<lb/>
Egel ein Pferd zu tödten im Stande &#x017F;eien, &#x017F;o können &#x017F;ie ihm wenig&#x017F;tens Todesqualen verur&#x017F;achen. &#x2014;<lb/>
Man verwech&#x017F;elt oft mit ihm eine mit ihm zu&#x017F;ammen lebende Gattung und Art, <hi rendition="#aq">Aulacostomum<lb/>
gulo,</hi> deren &#x017F;chwärzlich grüner Körper &#x017F;ich nach vorn &#x017F;ehr verjüngt, de&#x017F;&#x017F;en Zähne noch &#x017F;par&#x017F;amer<lb/>
und &#x017F;tumpfer &#x017F;ind, und de&#x017F;&#x017F;en Magen nur am Ende ein Paar enge Blind&#x017F;äcke hat. &#x2014; Der häufig&#x017F;te<lb/>
Bewohner un&#x017F;erer Teiche und vieler fließender, &#x017F;chilfbewach&#x017F;ener und mit den Blättern der Teichro&#x017F;e<lb/>
bedeckter Gewä&#x017F;&#x017F;er aus die&#x017F;er Familie i&#x017F;t <hi rendition="#aq">Nephelis,</hi> ein gegen zwei Zoll lang werdender Egel mit<lb/>
flachem Körper und undeutlicher Ringelung, vier Paar Augen und zahnlo&#x017F;em Schlunde. Daß<lb/>
die jüngeren, röthlich durch&#x017F;chimmernden Exemplare die&#x017F;er <hi rendition="#aq">Nephelis vulgaris</hi> &#x017F;ich be&#x017F;onders gut<lb/>
zur Beobachtung des Blutlaufes eignen, wurde oben bemerkt.</p><lb/>
                <p>Wir können die&#x017F;es Kapitel nicht würdiger &#x017F;chließen, als mit der Schilderung jener kleinen<lb/>
verrufenen Blut&#x017F;auger Ceylons, von welchen <hi rendition="#g">Schmarda</hi> in &#x017F;einer Rei&#x017F;e um die Erde Folgendes<lb/>
mittheilt. &#x201E;Die Plagen, welche die Schaben und Mücken verur&#x017F;achen, &#x017F;ind nichts gegen die<lb/>
viel größere, die den Wanderer überall verfolgt; denn in den Wäldern und Wie&#x017F;en wimmelt es<lb/>
von kleinen Landblutegeln; es i&#x017F;t die <hi rendition="#aq">Hirudo coyloniea</hi> älterer Berichter&#x017F;tatter. Sie leben im<lb/>
Gra&#x017F;e, unter abgefallenen Blättern und Steinen, auch auf Bäumen und Sträuchern. Sie &#x017F;ind<lb/>
äußer&#x017F;t &#x017F;chnell in ihren Bewegungen und mü&#x017F;&#x017F;en ihre Beute &#x017F;chon aus einiger Entfernung wittern.<lb/>
Sobald &#x017F;ie einen Meu&#x017F;chen oder ein Thier wahrnehmen, kommen &#x017F;ie aus der ganzen Nachbar&#x017F;chaft<lb/>
und &#x017F;türzen &#x017F;ich auf ihre Beute. Das Aus&#x017F;augen des Blutes merkt man oft kaum. Nach einigen<lb/>
Stunden &#x017F;ind &#x017F;ie vollge&#x017F;ogen und fallen dann von &#x017F;elb&#x017F;t ab. Die Eingeborenen, welche uns beglei-<lb/>
teten, be&#x017F;trichen &#x017F;olche Stellen mit Aetzkalk, den &#x017F;ie in ihrer Betelbüch&#x017F;e mit &#x017F;ich führen, oder mit<lb/>
dem durch Betel und Kalk &#x017F;charf gewordenen Speichel. Jch fand es natürlich, daß eine heftige<lb/>
Entzündung darauf eintritt und erklärte mir leicht die tiefen Ge&#x017F;chwüre, welche viele von den<lb/>
Eingeborenen an ihren Füßen haben. Viele betrachten den Saft einer Citrone (<hi rendition="#aq">Citrus tuberoides</hi>)<lb/>
als ein Specificum. Alle die&#x017F;e Dinge &#x017F;ind recht gut, um durch Betropfen die Blutegel zum<lb/>
Abfallen zu bringen, mü&#x017F;&#x017F;en aber in der Bißwunde Reizung hervorbringen. Be&#x017F;onders unangehm<lb/>
i&#x017F;t es, daß die Blutegel &#x017F;olche Stellen am lieb&#x017F;ten auf&#x017F;uchen, wo ihre Vorgänger &#x017F;chon eine gute<lb/>
Weide gefunden haben, da die entzündete, mit Blut unterlaufene und wärmere Haut &#x017F;ie lockt.<lb/>
Um &#x017F;ich gegen den Angriff die&#x017F;es kleinen, aber fürchterlichen Feindes zu &#x017F;ichern, i&#x017F;t es unab-<lb/>
weislich, be&#x017F;onders die Füße zu &#x017F;chützen. Die&#x017F;es ge&#x017F;chieht durch lederne oder dicke, wollene Strümpfe,<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[703/0747] Mediciniſcher Blutegel. Pferdeegel. Ceyloniſcher Egel. Sie werden beſonders im nordweſtlichen Marocco regelmäßig gefangen und über Gibraltar nach England und Südamerika ausgeführt. Jn den franzöſiſchen Beſitzungen am Senegal bedient man ſich der kleinen Hirudo mysomelas, die kontraktlich von den Negern an die Spitäler abgeliefert werden. Wiederum in Jndien, in Pondichery, hat man eine dort einheimiſche Art, Hirudo granulosa, zur Verfügung. Sie ſind jedoch etwas koloſſal und beißen ſo ſtark zu, daß man oft Mühe hat, die Blutung zu ſtillen. Auch Nordamerika hat einige einheimiſche Arten. Ein gleich ausgedehntes Verbreitungsgebiet hat der Pferdeegel (Haemopis vorax) mit weniger flachem, an den Rändern nicht ſcharf geſägtem Leibe und ſtumpferen Zähnen. Auch unter- ſcheidet ihn ſeine dunklere, faſt ſchwarze Farbe; die Längsbinden auf dem Rücken fehlen, die Seiten ſind mit einer gelben Linie eingefaßt. Jn Nordafrika werden dieſe Thiere zu einer furcht- baren Plage für Pferde und Rinder, worüber der franzöſiſche Arzt Guyon genauere Mittheilungen gemacht hat. Bei einem Ochſen fanden ſich 27 Stück im Maule, der Rachenhöhle, im Kehlkopf und der Luftröhre. Noch zwei Stunden nach dem Tode des Ochſen hafteten ſie an ihm und ſogen eifrig Blut, den Kopf abwechſelnd in eine der zahlreichen Wunden ſenkend, die jeder einzelne Egel gemacht. Wenn es daher auch nicht buchſtäblich zu nehmen, was das Volk ſagt, daß ſechs dieſer Egel ein Pferd zu tödten im Stande ſeien, ſo können ſie ihm wenigſtens Todesqualen verurſachen. — Man verwechſelt oft mit ihm eine mit ihm zuſammen lebende Gattung und Art, Aulacostomum gulo, deren ſchwärzlich grüner Körper ſich nach vorn ſehr verjüngt, deſſen Zähne noch ſparſamer und ſtumpfer ſind, und deſſen Magen nur am Ende ein Paar enge Blindſäcke hat. — Der häufigſte Bewohner unſerer Teiche und vieler fließender, ſchilfbewachſener und mit den Blättern der Teichroſe bedeckter Gewäſſer aus dieſer Familie iſt Nephelis, ein gegen zwei Zoll lang werdender Egel mit flachem Körper und undeutlicher Ringelung, vier Paar Augen und zahnloſem Schlunde. Daß die jüngeren, röthlich durchſchimmernden Exemplare dieſer Nephelis vulgaris ſich beſonders gut zur Beobachtung des Blutlaufes eignen, wurde oben bemerkt. Wir können dieſes Kapitel nicht würdiger ſchließen, als mit der Schilderung jener kleinen verrufenen Blutſauger Ceylons, von welchen Schmarda in ſeiner Reiſe um die Erde Folgendes mittheilt. „Die Plagen, welche die Schaben und Mücken verurſachen, ſind nichts gegen die viel größere, die den Wanderer überall verfolgt; denn in den Wäldern und Wieſen wimmelt es von kleinen Landblutegeln; es iſt die Hirudo coyloniea älterer Berichterſtatter. Sie leben im Graſe, unter abgefallenen Blättern und Steinen, auch auf Bäumen und Sträuchern. Sie ſind äußerſt ſchnell in ihren Bewegungen und müſſen ihre Beute ſchon aus einiger Entfernung wittern. Sobald ſie einen Meuſchen oder ein Thier wahrnehmen, kommen ſie aus der ganzen Nachbarſchaft und ſtürzen ſich auf ihre Beute. Das Ausſaugen des Blutes merkt man oft kaum. Nach einigen Stunden ſind ſie vollgeſogen und fallen dann von ſelbſt ab. Die Eingeborenen, welche uns beglei- teten, beſtrichen ſolche Stellen mit Aetzkalk, den ſie in ihrer Betelbüchſe mit ſich führen, oder mit dem durch Betel und Kalk ſcharf gewordenen Speichel. Jch fand es natürlich, daß eine heftige Entzündung darauf eintritt und erklärte mir leicht die tiefen Geſchwüre, welche viele von den Eingeborenen an ihren Füßen haben. Viele betrachten den Saft einer Citrone (Citrus tuberoides) als ein Specificum. Alle dieſe Dinge ſind recht gut, um durch Betropfen die Blutegel zum Abfallen zu bringen, müſſen aber in der Bißwunde Reizung hervorbringen. Beſonders unangehm iſt es, daß die Blutegel ſolche Stellen am liebſten aufſuchen, wo ihre Vorgänger ſchon eine gute Weide gefunden haben, da die entzündete, mit Blut unterlaufene und wärmere Haut ſie lockt. Um ſich gegen den Angriff dieſes kleinen, aber fürchterlichen Feindes zu ſichern, iſt es unab- weislich, beſonders die Füße zu ſchützen. Dieſes geſchieht durch lederne oder dicke, wollene Strümpfe,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/747
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 703. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/747>, abgerufen am 24.11.2024.